Gasgeschäfte mit Russland
Nord Stream 2 nimmt wichtigen Meilenstein – Gericht fällt entscheidenden Entschluss
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
Die Insolvenz wurde von der Nord Stream 2 AG erfolgreich abgewendet. Die Suche nach Investoren kann nun wieder aufgenommen werden. Es gibt bereits Anzeichen für vorhandenes Interesse.
Zug – Lange herrschte um den hoch verschuldeten russischen Pipeline-Betreiber Nord Stream 2 AG Unsicherheit. Diese kommt vorerst zu einem Ende. Weil die Pipeline nie zertifiziert wurde und bereits vor vielen Jahren Gegenstand von brisanten Diskussionen war, fließt nach wie vor kein Gas. Ein Schweizer Gericht hat Fakten geschaffen.
Gericht genehmigt Nachlassvertrag – Nord Stream 2 bekommt Schuldenschnitt
Das ist passiert: Ein Gericht im Schweizer Kanton Zug hat den Nachlassvertrag genehmigt, der die Sanierung von Nord Stream 2 durch einen Schuldenschnitt möglich macht. Andernfalls wäre nach Schweizer Recht der Konkurs verhängt worden. Das entspricht einem deutschen Insolvenzverfahren. Nord Stream 2 gehört dem russischen Staatskonzern Gazprom und hat seinen Sitz im Kanton Zug.
Großgläubiger wie die westeuropäischen Energiekonzerne ENGIE, OMV, Shell, Uniper und Wintershall einigten sich am 30. April auf einen Nachlassvertrag, wie das Gericht mitteilte. Weil dagegen noch Beschwerde eingelegt werden kann, erteile es keine weiteren Auskünfte. Die Großgläubiger dürften erhebliche Abschläge auf ihre Investitionen in Kauf genommen haben. Sie hatten Milliardenbeträge investiert. Um den Nachlassvertrag wurde zweieinhalb Jahre gerungen. Der Bau der Pipeline kostete knapp zehn Milliarden Euro.
Kleingläubiger erhalten Entschädigung für Nord Stream 2 – Zertifizierung in der Schwebe
Die Forderungen der Kleingläubiger – darunter zahlreiche Baufirmen in Mecklenburg-Vorpommern – sollten gemäß Weisung des Gerichts von Januar voll entschädigt werden. Zumindest einige haben zuletzt bestätigt, dass ihre Rechnungen beglichen wurden.
Die Nord Stream 2 sollte Erdgas aus Russland durch zwei 1.200 Kilometer lange Stränge in der Ostsee nach Deutschland bringen. Die Pipeline wurde fertig gebaut, ging aber nie in Betrieb.
Als Antwort auf eine AfD-Anfrage, warum die Bundesregierung die Zertifizierung nicht liefere, sagte der Staatssekretär Dr. Philipp Nimmermann am 7. November 2023: „Eine Zertifizierung der Nord-Stream-2-Pipeline durch die Bundesregierung ist nicht vorgesehen.“
Kritik an Merkel-Regierung wegen Nord Stream – dann großes Misstrauen gegen Russland
Schon weit davor stand die Pipeline schwer in der Kritik. Die CDU-geführte Regierung unter Angela Merkel habe sich so abhängig von russischen Gaslieferungen gemacht. Einer der Röhrenstränge von Nord-Stream-2 wurde bei einem Anschlag im September 2022 zerstört, ebenso wie die Stränge der bereits in Betrieb genommenen Nord-Stream-1-Pipeline.
Durch Nord Stream 1 war bereits vorher kaum mehr Gas geflossen, was bei der Bundesregierung für Misstrauen gegenüber Russland führte. Nimmermann äußerte sich dazu wie folgt. „Russland hatte bereits vor der Zerstörung der Nord-Stream-1-Pipeline die Belieferung mit Erdgas über die Nord-Stream-1-Pipeline eingestellt und bestehende Alternativen, wie das ukrainische Gastransitsystem und die Jamal-Pipeline über Polen, nicht für den Gastransport nach Deutschland bzw. Europa genutzt.“
Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sagte gegenüber IPPEN.MEDIA: „Russland hat die Gasversorgung einseitig und ohne rechtliche Gründe eingestellt“. Nach Informationen des ZDF geriet der ukrainische Tauchlehrer Wolodymyr S. ins Visier deutscher Fahnder – er soll für die Sprengung von Nord Stream 1 verantwortlich sein. Einen Prozess gab es noch nicht, denn der Verdächtige hatte sich ins Ausland abgesetzt und entzieht sich bis heute (Stand 9. Mai 2025) dem Zugriff der Ermittler.
US-Investoren interessieren sich für Pipeline – wechselt Nord Stream 2 den Besitzer?
Trotz allen Misstrauens in Deutschland kamen in den letzten Wochen immer wieder Spekulationen über den möglichen Einstieg von US-Investoren ins Nord-Stream-Projekt auf. Genannt wird etwa der wohlhabende US-Geschäftsmann und Unterstützer von US-Präsident Donald Trump, Stephen P. Lynch. Dem Wall Street Journal sagte er, der Kauf sei eine einmalige Gelegenheit, die Energieversorgung Europas unter amerikanische und europäische Kontrolle zu bringen. Die Idee ist, russisches Gas durch eine dann amerikanische Pipeline nach Europa zu pumpen. Lynch ist seit 20 Jahren in Osteuropa und Russland tätig.
Der Pipeline-Betrieb könnte Teil einer amerikanisch-russischen Vereinbarung zur Beilegung des Ukraine-Kriegs werden. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte im März im staatlichen Fernsehen gesagt: „Über Nord Stream wird gesprochen.“
Der Gasmarkt-Analyst Heiko Lohmann meinte dazu: „Ich würde nicht ausschließen, dass US-Investoren die Pipeline für den Transport von russischem Gas kaufen und US-Präsident Donald Trump dann Druck ausübt, dass die Europäer das auch nutzen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Es gibt ja bisher keine Sanktionen gegen russisches Gas.“ Allerdings hat die EU gerade erst Pläne vorgelegt, wie der Import von russischem Gas bis 2027 gänzlich gestoppt werden soll.
Wasserstoff statt Erdgas – Spekulationen über neue Verwendung für Nord Stream 2
Lohmann ist skeptisch, was die Weiterverwendung der Pipeline angeht. „Gaswirtschaftlich gesehen sehe ich keine Zukunft für die Nord Stream 2, als Erdgaspipeline“, sagte er gegenüber der dpa. „Wenn es überhaupt einen fairen Frieden zwischen Russland und der Ukraine gibt, mit vermittelt von der EU, dann könnten russische Gaslieferungen Teil der Zukunft sein. Aber da würde man die Pipelines durch die Ukraine und Polen nutzen. Die benötigten Mengen wären dann so, dass man die Nord Stream 2 gar nicht braucht.“
Es sei geprüft worden, dass die Pipeline auch Wasserstoff transportieren könnte, etwa von Finnland nach Deutschland. „Wie realistisch das ist, ist schwer zu sagen“, sagte Lohmann. Die Bundesregierung hatte sich im März gegen die Reaktivierung von Nord Stream 2 ausgesprochen. (Laernie mit dpa)
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