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Netanjahu will Bidens „rote Linie“ überqueren – mit Offensive in Rafah
VonKilian Beck
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Die USA und Israel streiten auf offener Bühne. Netanjahu sieht eine „überwältigende Mehrheit“ für die Rafah-Offensive. Umfragen sehen ihn angezählt.
Jerusalem – Der Streit zwischen Israels Regierung und dem engsten Verbündeten in Washington eskaliert weiter: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Vorwürfe von US-Präsident Joe Biden am harten militärischen Vorgehen Israels im Gaza-Streifen zurückgewiesen. In einem Interview für Kanäle des Springer-Verlages (Bild, Welt und Politico) sagte er: „Wenn der US-Präsident damit meint, dass ich eine Privatpolitik gegen den Wunsch der Mehrheit der Israelis verfolge und das Israels Interessen schadet, dann liegt er in beiden Punkten falsch.“ Eine Offensive auf Rafah wolle er bald starten. Israels Militär sei „dem Sieg sehr nahe“.
In einem Interview des US-Senders MSNBC hatte Biden am Samstag (9. März) über Netanjahu gesagt: „Er schadet Israel mehr, als dass er Israel hilft.“ Der israelische Regierungschef habe zwar das Recht, Israel zu verteidigen und die islamistische Hamas im Gazastreifen weiter zu bekämpfen. Aber er müsse „den unschuldigen Leben größere Aufmerksamkeit schenken“, meinte der US-Präsident mit Blick auf die hohe Zahl an zivilen Opfern, die der Krieg in dem Küstenstreifen verursacht.
Netanjahu sieht „überwältigende Mehrheit“ hinter sich – In Umfragen ist er abgestürzt
Seine Politik werde von einer „überwältigenden Mehrheit“ der Israelis unterstützt, sagte hingegen Netanjahu in dem Interview am Sonntag (10. März) mit den deutschen Medien. „Sie unterstützen die Maßnahmen, die wir ergreifen, um die übrig gebliebenen Bataillone der Hamas zu zerstören.“
Israels Regierungschef sprach damit eine geplante Bodenoffensive in der südlichen Gaza-Stadt Rafah an. Die USA kritisieren das Vorhaben, weil sich dort 1,5 Millionen Menschen auf engstem Raum drängen, von denen die meisten aus anderen Teilen des Gaza-Streifens geflohen sind. Vor einer Offensive müssten diese Menschen in Sicherheit gebracht werden. Netanjahu sagte nun, Israel tue „alles in seiner Macht Stehende“ dafür. Nach Ende der Kämpfe in Rafah rechnet Netanjahu noch mit vier bis sechs Wochen „intensiver“ Kämpfe.
Bereits Monate vor den Massakern der radikal-islamistischen Hamas auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 demonstrierten Hunderttausende Israelis gegen Netanjahu. Stein des Anstoßes war die sogenannte Justizreform, mit der Netanjahu und seine ultrarechte Regierungskoalition das israelische Höchstgericht entmachten wollen.
Seitdem stürzte Netanjahus ultrakonservative Likud-Partei in den Umfragen ab. Bereits Ende 2023 hielten nur noch 15 Prozent der befragten Israelis in Umfragen der liberalkonservativen Zeitung Ma‘ariv den Regierungschef für geeignet, sein Amt auszuüben. Der Kernvorwurf dahinter lautet, so die linksliberale Tageszeitung Haaretz, Netanjahu habe zugunsten rechtsextremer Siedler im Westjordanland die Sicherheit an der Grenze zum Gaza-Streifen vernachlässigt und Warnungen der Sicherheitsdienste ignoriert.
Biden zieht „rote Linie“ für Netanjahu beim Angriff auf Rafah
Für ihn stelle ein Angriff auf Rafah eine „rote Linie“ dar, hatte Biden gesagt. Er werde nicht zulassen, dass als Konsequenz aus dem Vorgehen gegen die Hamas weitere 30.000 Palästinenserinnen und Palästinenser sterben. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde stieg die Zahl der im Krieg getöteten Palästinenser am Sonntag auf über 31.000.
Die Angaben machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und bewaffneten Kämpfern. Bei der großen Mehrheit der Opfer handle es sich aber um Frauen, Minderjährige und ältere Männer, betont die Behörde. Das israelische Militär schätzte den Anteil der Hamas-Kombattanten an den Toten auf etwa ein Drittel. Die Hamas operiert laut Israels Militär und internationalen Beobachtern hauptsächlich aus Gebieten, in denen Zivilisten leben.
Netanjahu-Konkurrent Benny Gantz zu Gesprächen in Washington – Opposition fordert Neuwahlen
Die USA sind traditionell Israels wichtigster Verbündeter. Im Gaza-Krieg, den das beispiellose Massaker der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels ausgelöst hatte, stellte Washington dem jüdischen Staat große Mengen an Waffen und Munition zur Verfügung. US-Präsident Joe Biden geriet deswegen zuletzt unter Druck des linken Flügels der Demokratischen Partei, der ihm teils Komplizenschaft am völkerrechtlich fragwürdigen Vorgehen des israelischen Militärs vorwarf.
Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern
Anfang März reiste der israelische Kriegskabinettsminister und aussichtsreichste Netanjahu-Konkurrent Benny Gantz zu Gesprächen nach Washington. Dort hat er mit US-Vize-Präsidentin Kamala Harris und Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan über die Möglichkeiten eines Waffenstillstands und eines weiteren Geiseldeals gesprochen. Netanjahu, der seit seiner Rückkehr ins Amt 2022 noch auf eine Einladung in die USA wartet, zeigte sich irritiert und ließ ausrichten, dass Israel „nur einen Ministerpräsidenten“ habe. Die US-Regierung scheint sich einen Anderen als ihn zu wünschen. Seit Kriegsbeginn forderte die israelische Opposition immer wieder Neuwahlen. (kb mit dpa)