Krieg in Israel
Benny Gantz reist nach Washington – Bruchlinien in Netanjahus Kriegskabinett
- VonKilian Beckschließen
Streit in Jerusalem: Benny Gantz trifft am Montag US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Netanjahu versucht, den Trip zu torpedieren. Harris will über einen Waffenstillstand sprechen.
Washington, D.C. – Als Riss in der israelischen Führung deuteten israelische und internationale Medien die Reise von Kriegskabinettsminister Benny Gantz in die Vereinigten Staaten. Am Montag (4. März) wird er laut der Nachrichtenagentur Reuters in Washington erwartet. Bei dem für zweitägigen Besuch soll Gantz demnach unter anderem die US-Vizepräsidentin Kamala Harris treffen. Der liberalkonservative Benny Gantz, ehemaliger Generalstabschef, gilt als aussichtsreichster Konkurrent von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Der soll laut israelischen Medien die Botschaft in Washington angewiesen haben, Gantz jegliche Unterstützung zu verweigern.
„Hartes Gespräch“ zwischen Benny Gantz und Regierungschef Netanjahu
Die linksliberale israelische Tageszeitung Haaretz zitierte am Wochenende eine Quelle aus Netanjahus Umfeld: Der Regierungschef habe „klargemacht“, dass er Gantz Reise „nicht genehmigen“ werde. Beide Politiker hätten ein „hartes Gespräch“ geführt, in dem Netanjahu „klargemacht“ habe, dass Israel „nur einen Ministerpräsidenten hat“, zitierte die Washington Post eine Quelle. Versöhnlich bemerkte eine Quelle aus Gantzs Umfeld, gegenüber der Haaretz, dass es einen Austausch über den Stand der Gespräche in den USA geben werde. Die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berichtete, dass Harris mit Gantz über die Möglichkeiten für einen „mindestens sechswöchigen“ Waffenstillstand im Gazastreifen sprechen wolle.
Kamala Harris und Benny Gantz werden über Waffenstillstand und Hilfe für Gaza sprechen
Einzig eine Feuerpause, so Harris, könne, „die Geiseln heraus und humanitäre Hilfe hinein“ in das Küstengebiet bringen. Zudem verlangte sie im Vorfeld des Treffens von Israel weitere Grenzübergänge für humanitäre Hilfe zu öffnen. Aus Gantz Umfeld hieß es gegenüber der AP recht allgemein, er wolle über eine Aufstockung US-amerikanischer Hilfen für Israel und Unterstützung bei der Freilassung der Geiseln sprechen. US-Präsident Joe Biden zeigte sich laut dem US-Sender CNN zuletzt hinter verschlossenen Türen „zunehmend frustriert“ über Netanjahus Kriegsführung und die daraus entstehende humanitäre Krise in Gaza.
Zuletzt ließ Biden deswegen sogar Hilfsgüter per Fallschirm über Gaza abwerfen. Besonders junge, linkere Wähler kritisierten Bidens Israel-Politik scharf. Haaretz kommentierte, Gantz würde Biden und der Demokratischen Partei nun eine Möglichkeit zur „Kurskorrektur“ und ein „Gespräch unter Erwachsenen“ bieten. Zudem soll Gantz mit Abgeordneten beider Parteien und Jake Sullivan, Joe Bidens höchsten Sicherheitsberater sprechen.
Der Ex-General und sein Partei- und Kabinettskollege Gadi Eisenkot hatten sich zuvor immer wieder für einen humanitären Waffenstillstand in Verbindung mit Freilassung der Geiseln durch die Hamas ausgesprochen. Man dürfe „keine Möglichkeit auslassen, unsere Jungen und Mädchen nach Hause zu bringen“, sagte Gantz. Ende Februar, laut Reuters. Laut einer aktuellen Umfrage der konservativen Tageszeitung Ma‘ariv würde Gantz-Partei „Widerstandskraft für Israel“ bei Neuwahlen auf 42 von 120 Sitzen in der Knesset kommen. Eine klare Mehrheit gegen Netanjahu zeichnete sich bereits seit Kriegsbeginn ab, lediglich 15 Prozent der Israelis hielten ihn im November für „tauglich“ sein Amt auszuüben.
Gantz gilt als moderater als Netanjahu – aber auf „absehbare Zeit“ kein Friedensabkommen
Gantz und Eisenkot traten nach den Hamas-Massakern am 7. Oktober in das Kriegskabinett ein, um das Land zu einen, und Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner aus der Kriegsführung herauszuhalten. In den vergangenen Wahlkämpfen vetrat Gantz eine Linie im Umgang mit den Palästinensern, die etwas moderater als die Netanjahus ist. Bei der Frage nach einem palästinensischen Staat ist er im Gegensatz zu Netanjahu nicht festgefahren. In seiner kurzen Zeit als Verteidigungsminister ließ er das Militär den schlimmsten Auswüchsen der Gewalt rechtsextremer Siedler Einhalt gebieten. Trotzdem sagte er 2022 dem öffentlich-rechtlichen Sender Kan, dass es auf „absehbare Zeit“ kein Friedensabkommen geben werde. Doch das war vor dem 7. Oktober.
Bilder zeigen, wie der Krieg in Israel das Land verändert




Auch deshalb wurde er von Haaretz-Kommentatoren auch schon als „Feigenblatt“ Netanjahus während des laufenden Gaza-Krieges kritisiert. Während Gantz in die Vereinigten Staaten reist, führt Israels Militär in Gaza einen Krieg, dem bereits tausende Zivilisten zum Opfer fielen und Netanjahu weigerte sich am Wochenende erneut eine israelische Delegation nach Kairo zu schicken, um über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Die Verhandlungen standen am Montagnachmittag erneut auf der Kippe. (kb)
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