„Mutterschaftsstrafe“
Wie die Geburt des ersten Kindes dem Einkommen der Mutter schadet - und der Vater profitiert
- VonKatharina Bewsschließen
Studien zeigen, dass das Einkommen von Frauen nach der Geburt signifikant sinkt. Zudem treten Mütter häufiger deutlich kürzer als Väter. Doch auch weitere Faktoren spielen eine Rolle.
Oslo - Das Einkommen von Frauen sinkt signifikant nach der Geburt des ersten Kindes, wie mehrere Studien aus Skandinavien zeigen. Eine neue Studie aus Norwegen behauptet jedoch, dass sich der Einkommensverlust langfristig vollständig erholt. Dennoch spielen auch andere Faktoren eine Rolle bei den Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen. Trotz neuer Erkenntnisse bleibt daher klar: Das Einkommen der Frau leidet in jedem Fall durch die Geburt eines Kindes.
Studie zeigt: Nach Geburt des ersten Kindes gibt es langfristige Einkommensunterschiede
Rund 20 Prozent - das ist der langfristige Einkommensverlust von Frauen zu Männern zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes. Das zeigte bereits eine Studie von Henrik Kleven von der Princeton Universität und Co-Autoren im Jahr 2019. Diese als „Mutterschaftsstrafe“ bezeichnete Differenz nahm zudem laut der Studie in den letzten drei bis vier Jahrzehnten drastisch zu. Für die Studie benutzen die Forscher Daten aus Dänemark. Aber auch für 134 andere Länder, prüfte das Team ihre Theorie. Die Resultate waren dabei immer gleich: Frauen stecken deutlich mehr Verluste in ihrem Einkommen ein als Männer.
In allen Bereichen – Einkommen, Arbeitsstunden, Erwerbsbeteiligung und Gehaltswachstum – sinken die Zahlen drastisch mit der Geburt des ersten Kindes und stagnieren anschließend auf dem niedrigeren Niveau oder steigen nur geringfügig an. Eine andere Studie des gleichen Autors aus dem Jahr 2019 zeigt Deutschland auf der Spitze der „Mutterschaftsstrafe“. Ein Jahr nach der Geburt des ersten Kindes erlebt die Frau einen Einkommensverlust von 78 Prozent. Zehn Jahre später beträgt die Differenz noch 61 Prozent. Das ist deutlich höher als in den Vereinigten Staaten (31 Prozent) oder dem Vereinigten Königreich (44 Prozent). „Ob jemand ein oder zwei Jahre im Elternurlaub war, macht längerfristig im Durchschnitt keinen großen Unterschied“, heißt es in einem Bericht der Neuen Züricher Zeitung in Bezug zur Studie.
Ganz unkritisch sehen sollte man die Studie jedoch nicht. Sie nimmt nämlich an, dass das Einkommen der Mütter vor der Geburt stetig verläuft. Außerdem werden Frauen miteinander verglichen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein Kind bekommen. Langfristig könnte dies die Ergebnisse verzerren, da viele Faktoren das Einkommen von Frauen beeinflussen können. Eine norwegische Studie zeigt beispielsweise, dass Frauen oft erst dann Kinder bekommen, wenn ihr Einkommen stagniert, was den gemessenen Einkommensrückgang erklären könnte.
Neue Studien zeigen, dass sich Einkommensverluste langfristig erholt
Die genannte norwegische Studie wurde von Simon Bensnes von Statistics Norway und Co-Autoren im Jahr 2023 durchgeführt. Sie zeigt, dass sich der Einkommensverlust von Frauen langfristig wieder erholen und teilweise sogar über das Ausgangsniveau kurzfristig steigen kann. In der Studie wurden Frauen über etwa zehn Jahre verfolgt, die sich künstlich befruchten ließen. Das Jahreseinkommen derjenigen, die erfolgreich ein Kind bekamen, sank kurzfristig um etwa 22 Prozent im Vergleich zu Frauen, die keine Kinder bekamen. Langfristig ergab sich jedoch ein Nachteil von nur 3 Prozent. Die Einkommen der Väter sanken dabei nicht, sondern stiegen langfristig um etwa 10 Prozent an.
Eine weitere dänische Studie aus dem Jahr 2024 von der Lund Universität zeigt ebenfalls, dass sich die „Mutterschaftsstrafe“ langfristig erholt. Diese Studie betrachtet sogar den Verlauf bis zu 25 Jahre nach der Geburt.
Diese Ergebnisse könnten darauf hindeuten, dass die Einkommensverluste in der oben genannten Studie aus dem Jahr 2019 überschätzt wurden. Die Annahmen über die Einkommensverläufe könnten zu hoch angesetzt worden sein.
Nicht nur die „Mutterschaftsstrafe“ wirkt sich auf die Einkommensdifferenz aus.
Dennoch beeinflusst nicht nur die „Mutterschaftsstrafe“ die Einkommensdifferenz zwischen Frauen und Männern. In einem Bericht von The Economist wird betont, dass auch die Kosten, die Frauen tragen, und die Vorteile, die Männer genießen, berücksichtigt werden müssen. Die norwegische Studie zeigt, dass Männer langfristig von der Vaterschaft profitieren können. Weitere Studien, wie die des National Bureau of Economic Research (NBER), zeigen ebenfalls, dass Männer ohne Kinder im Durchschnitt weniger verdienen als Männer mit Kindern.
Auch ohne Schwangerschaft zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer. Der Gender Pay Gap lag im Jahr 2023 in Deutschland bei 6 Prozent. Der „Gender Gap Arbeitsmarkt“ (GGA), der die Unterschiede in Beschäftigung, Einkommen und Karrierechancen zwischen Frauen und Männern beschreibt, betrug im letzten Jahr rund 39 Prozent. Zudem arbeiten Frauen laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mehr Stunden als Männer, wenn man die bezahlte und unbezahlte Arbeitszeit zusammenzählt. Unbezahlte Arbeit umfasst Sorgearbeit wie Kinderbetreuung, Pflege und Haushalt. Die Differenz zwischen Männern und Frauen in diesem Bereich beträgt insgesamt 44,3 Prozent.
Bürgergeld, Elterngeld & Co: Dieses Geld gibt es für Eltern vom Staat
Um Einkommensverluste durch die Geburt eines Kindes auszugleichen, gibt es mehrere staatliche Unterstützungen. Das Mutterschaftsgeld wird auf Grundlage des durchschnittlichen Arbeitsentgelts der letzten drei vollständig abgerechneten Kalendermonate berechnet und beträgt maximal 13 Euro pro Tag. Frauen, die nicht gesetzlich krankenversichert oder familienversichert sind, erhalten höchstens 210 Euro. Der Arbeitgeber zahlt die Differenz von den maximal 390 Euro Zuschuss im Monat zum vorherigen Arbeitslohn.
Zusätzlich können Mütter, die Sozialhilfe oder Bürgergeld beziehen, Zuschüsse oder Erstattungen für Anschaffungen für das Kind erhalten. Elterngeld wird für zwei Jahre in Höhe von maximal 900 Euro pro Monat oder für ein Jahr in Höhe von maximal 1800 Euro pro Monat je nach Einkommen gezahlt. Dazu kommt das Kindergeld von 250 Euro pro Kind und Monat.
Diese Zuschüsse sind aber nur ein milder Trost zum kurzfristigen Einkommensverlust nach der Geburt des ersten Kindes – ob das nun laut dänischer Studie 78 Prozent im ersten Jahr oder doch nur 22 Prozent laut norwegischer Studie sind. Nach Angaben des Statistischen Bundesamt waren 2023 etwa 45,2 Prozent der Mütter mit einem Kind unter drei Jahren in Elternzeit, während dies nur auf 3 Prozent der Väter zutraf. Am Ende hat die Frau also oft das Nachsehen in Bezug auf ihr Einkommen - und das, selbst wenn sie keine Mutter wird.
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