CDU und SPD unter Druck
Brandbrief: Für die Rente ist jetzt „die letzte Chance“ – keine Rente mit 63, keine Mütterrente
VonAmy Walkerschließen
Die Verhandlungen der schwarz-roten Koalition über wichtige Themen laufen noch, und auch bei der Rente scheinen die zukünftigen Koalitionspartner noch zu streiten. Merz hat gerade eine historische Chance, so die Wirtschaft.
Berlin – Die Weltwirtschaft ist in Aufruhr, Donald Trump zieht mit seiner Handelspolitik in den Zollkrieg gegen die ganze Welt – und Deutschland fehlt noch immer die Regierung. Kanzler in spe, Friedrich Merz (CDU), steckt noch in den Verhandlungen mit der SPD, bis Ende der Woche wollen sie fertig sein. Und die Zeit drängt, die geopolitische Lage erfordert ein entschiedenes Handeln und vor allem die exportstarke deutsche Wirtschaft eine Entlastung.
Merz muss die Wirtschaft entlasten – und die Sozialabgaben absenken
Die hat Merz im Wahlkampf auch versprochen. Durch den Handelskrieg mit den USA wird das dringender denn je, Deutschland und die EU als Ganzes müssen wettbewerbsfähig werden. Merz hat dazu bereits eine Reform der Unternehmenssteuer angekündigt, noch dazu sollen die Energiepreise abgesenkt werden, was besonders der energieintensiven Industrie Abhilfe verschaffen soll.
Die Wirtschaft fordert aber noch eine weitere Sache: Eine Absenkung der Sozialbeiträge. Und an der hakt es wohl ganz besonders. Weder die SPD noch die CSU wollen sich von ihren sozialpolitischen Lieblingsprojekten verabschieden. Zum Leidwesen der deutschen Wirtschaft, wie führende Ökonomen nun in einem Brief an die Verhandelnden erläutert haben. Über den Brief hat zuerst die Bild-Zeitung berichtet.
Wirtschaftsweisen fordern Merz auf: Weg mit der Rente mit 63 und der Mütterrente
Speziell kritisieren Wirtschaftsweisen in dem Brief die schwarz-roten Rentenpläne. Die CSU will die Mütterrente für Eltern, die Kinder vor 1992 bekommen haben, erhöhen. Und die SPD pocht darauf, das Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent zu sichern.
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Beides wären teure Vorhaben und je nach Ausgestaltung würden sie die Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber nochmal in die Höhe schießen lassen. „Um die Tragfähigkeit der Rentenfinanzen dauerhaft zu sichern, müssen all diese teuren Leistungsausweitungen unterlassen werden. Stattdessen muss die kommende Bundesregierung Maßnahmen diskutieren, die die finanzielle Stabilität des Systems erhöhen“, schreiben die Wirtschaftsweisen Martin Werding, Ulrike Malmendier, Veronika Grimm und Monika Schnitzer in dem Brief.
Es gebe jetzt „die letzte Chance, einen wenigstens im Ansatz gerechten Ausgleich zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern im Rentensystem herzustellen“, der die jüngere Generation auch entlastet.
Merz möchte große Reformen bei der Rente durchsetzen: SPD und CSU bremsen
Tatsächlich möchte die CDU von Friedrich Merz einen anderen Ansatz verfolgen, zumindest geht das aus dem Papier aus der Arbeitsgruppe Arbeit & Soziales, den die Parteien ausgehandelt haben, hervor. So will die Union das Rentenniveau nicht, wie nach den Wünschen der SPD, bei 48 Prozent nach 45 Beitragsjahren sichern, sondern bei 48 Prozent nach 47 Beitragsjahren. Mit der Erhöhung der Beitragsjahre für die Berechnung des Rentenniveaus ergibt sich deutlich mehr Spielraum, sodass die Rentenerhöhungen in Zukunft etwas geringer ausfallen werden, als zuvor.
Die SPD besteht aber auf das bisherige Vorgehen und spricht von einer „Rentenkürzung“, wenn die Union ihren Willen bekommt. Aus Sicht von Ökonomen wäre die Sicherung des Rentenniveaus auf 48 Prozent bei 45 Beitragsjahren aber fatal und würde die Rentenabgaben bis 2045 um fast vier Prozentpunkte anheben. Das würde auch die Wirtschaft belasten, die unter den hohen Sozialabgaben ächzt.
Eine weitere Reform, die die Merz-CDU fordert, betrifft die Frührente mit 63 Jahren. Grundsätzlich dürfen Versicherte ab 63 Jahren in den Ruhestand gehen, müssen dann aber Abschläge auf die Rente in Kauf nehmen. Das möchte Merz ändern und fordert eine Anhebung der Frührente mit 63 auf 65 Jahre. Auch dieses Vorhaben lehnt die SPD aktuell ab.
Wirtschaftsweisen pochen auf Reformen bei der Rente – droht sonst eine Verfassungsklage?
Die Möglichkeit des vorzeitigen Renteneintritts ist den Wirtschaftsweisen schon lange ein Dorn im Auge. Sowohl Werding, Schnitzer als auch Grimm haben alle in den vergangenen Monaten und Jahren eine Abschaffung der Frührente ohne Abschlag („Rente mit 63“) sowie eine Anhebung der Abschläge, um den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand unattraktiver zu machen. Auch die Sicherung des Rentenniveaus nach dem Willen der SPD lehnen sie ab, da es die jüngere Generation zu sehr belaste. Zudem würden sie die Mütterrente gänzlich streichen und nicht, wie die CSU nun wünscht, die Leistung noch mehr ausweiten.
Es gibt auch mittlerweile Stimmen, die die Rentenpläne der Regierung - sollten sie denn so kommen - gar für verfassungswidrig halten. Der Verein Die Familienunternehmer hat ein Verfassungsgutachten in Auftrag gegeben, das untersucht hat, ob der Staat verpflichtet ist, die Sozialsysteme generationengerecht aufzustellen und dafür zu sorgen, dass Beiträge allen Generationen zugutekommen. Das Ergebnis des Juristen Gregor Kirchhof: Die Menschenwürdengarantie und das Sozialstaatsprinzip verbieten es dem Staat, tatenlos dabei zuzusehen, wie die Sozialsysteme an Leistung verlieren. Ob eine Verfassungsklage tatsächlich Bestand hätte, ist allerdings nicht klar. Merz muss aber entscheiden, ob er es denn riskieren will.
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