„So gefährlich“

„Schäme mich“: Ex-AfD-Wählerin merkt erst hinterher, wofür sie gestimmt hat

  • Jana Stäbener
    VonJana Stäbener
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„Ich verstehe euren Frust und eure Angst“: Was eine Ex-AfD-Wählerin denen sagen will, die bei der Bundestagwahl die AfD wählen wollen.

20 Prozent aller Menschen in Deutschland wollen am Sonntag der AfD ihre Stimme geben. Die Partei, die laut eines Experten „schon längst als rechtsextrem einzuordnen“ ist, landet in neuen YouGov-Umfragen zur Bundestagswahl 2025 nur neun Prozentpunkte hinter der Union (CDU/CSU). Was bewegt Menschen dazu, Politiker zu wählen, die menschenfeindliche Parolen grölen und Nationalsozialismus verharmlosen?

Eine Antwort darauf hat Daniela-Marlin Jakobi. Die 30-jährige Mediengestalterin aus Rheinland-Pfalz hat bei der Bundestagswahl 2017 die AfD gewählt. Sie war damals in einer Freikirche, hatte sich radikalisiert und christlich-fundamentalistische Ansichten wie Ablehnung von Abtreibungen und LGBTQIA+ übernommen. Durch diese Themen habe sie sich in ihren „religiösen Gefühlen angegriffen gefühlt“, sagt Jakobi BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. „Ich war Single-Issue-Voterin, alle anderen Themen waren nicht relevant für mich.“

Ex-AfD-Wählerin: „Schäme mich für meine damalige Naivität“

Mit der Corona-Pandemie, die für sie als „Katalysator diente, um ins kritische Denken zu kommen“, begann Jakobi ab 2020 immer mehr zu hinterfragen. Dabei unterstützte sie auch ihr persönliches Umfeld, das „glücklicherweise nicht nur aus Rechten und Schwurblern bestand und mir half, mich nicht von meiner Angst leiten zu lassen. Denn Angst hatte ich damals definitiv“, sagt die Mediengestalterin BuzzFeed News Deutschland.

Sie begann zu der Zeit ein Studium und lernte ihren heutigen Mann kennen, der ihr half, Lehren aus ihrem christlich-fundamentalistischen Umfeld zu hinterfragen. 2021 wählte Jakobi nicht mehr die AfD. 2022 verließ sie ihre Freikirche. „Heutzutage könnte mir nichts fremder sein und ich bezeichne mich mittlerweile mit Überzeugung als linksgrüne Feministin. Darum schäme ich mich für meine damalige Naivität“, schreibt sie am 20. Februar auf Linkedin.

Jakobi wurde in der Schulzeit gemobbt und fand als Teenager Halt in der christlich-fundamentalistischen „Sekte“, wie sie die Freikirche heute nennt. Einige Sekten-Aussteiger, die früher auch die AfD wählten, hätten sich bei ihr gemeldet. Viele von ihnen seien „in solche Kreise abgerutscht, weil sie sich nach Halt, Zugehörigkeit und Orientierung sehnen und das dort bekommen. Das Schwarz-Weiß-Denken, die einfachen Antworten und die ‚Sündenböcke‘ sind dabei eine Art, mit dem Leben fertig zu werden“, sagt die Ex-AfD-Wählerin. „Deswegen sind solche Kreise so attraktiv – und so gefährlich.“

Daniela-Marlin Jakobi hat 2017 die AfD gewählt. „Heutzutage könnte mir nichts fremder sein“, sagt sie und nennt sich mit Überzeugung „linksgrüne Feministin.“

Ehemalige AfD-Wählerin sieht „starke Parallelen“ zwischen AfD und ihrer Sekte

Heute sieht Jakobi „starke Parallelen“ zwischen ihrer ehemaligen „Sekte“ und der AfD. Eine davon ist das „Wir-gegen-die-Denken“. Sie erklärt BuzzFeed News Deutschland: „In meinem christlich-fundamentalistischen Umfeld galten Außenstehende und Nicht-Gläubige als ‚verloren‘, man selbst war ‚besser dran‘ – bei der AfD sind es ‚die da oben‘ oder ‚die anderen‘ und man selbst ist ‚aufgewacht‘.“ Auch „Manipulation durch Angst“ sei ein Phänomen, das in beiden Kreisen vorkomme.

Es werde „gezielt Angst geschürt – sei es vor der Hölle und dem moralischen Verfall der Gesellschaft oder vor ‚Überfremdung‘ und dem ‚Gender-Wahn‘.“ Auch ein starkes Gemeinschaftsgefühl sieht die ehemaligen AfD-Wählerin im Nachhinein sowohl bei der AfD, als auch in ihrer Freikirche. „Man fühlt sich als Teil eines großen Ganzen beziehungsweise Teil einer wichtigen Mission und kämpft mit anderen gemeinsam für die Ziele der Gruppe.“

Kann Jakobi mit ihrer Geschichte verstehen, warum AfD-Wähler und Wählerinnen einerseits gegen LGBTQIA+ und Migration sind, dann aber Alice Weidel feiern, die selbst queer ist, in der Schweiz lebt und eine Frau mit Wurzeln in Sri Lanka hat? „Ja, leider kann ich das nachvollziehen. Wenn man Teil dieser Ideologie ist und dieses Gedankengut hat, nimmt man alles in Kauf, um die eigenen religiösen Ziele zu erreichen“, sagt Jakobi.

„Verstehe euren Frust“: Was eine ehemalige AfD-Wählerin neuen AfD-Wählern sagen will

Die 30-Jährige hat kurz vor der Bundestagswahl eine Botschaft an AfD-Wählende: „Liebe Menschen, die AfD wählen (wollen), ich verstehe sehr gut euren Frust und eure Angst. Ich habe sie damals selbst gefühlt. Dennoch wird die AfD eure Probleme nicht lösen, wie ihr es euch wünscht. Sie bringt keinen Frieden – sie schürt Ängste, ohne echte Lösungen zu bieten“, sagt Jakobi BuzzFeed News Deutschland.

„Ich weiß, dass einfache Antworten verlockend sind. Schaut darum bitte genau hin: Wem nützt die AfD wirklich? Euch oder doch wieder nur den Reichen und Privilegierten?“, sagt die ehemalige AfD-Wählerin. „Es gibt Alternativen, die für soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt stehen – ohne Hass. Eure Stimme hat Macht. Nutzt sie für eine Zukunft, die uns alle weiterbringt.“

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