Fast 28 Prozent

„Homonationale Partei“: Warum Schwule bei der Bundestagswahl AfD wählen könnten

  • Jana Stäbener
    VonJana Stäbener
    schließen

Eine Umfrage vor der Bundestagswahl zeigt, dass die AfD unter Homosexuellen vorne liegt. Trotz queerfeindlicher Politik. Wie passt das zusammen?

Frankfurt – Welche Partei wählen homosexuelle Menschen bei der Bundestagswahl 2025? Laut einer Umfrage der Datingplattform Romeo, die hauptsächlich schwule Männer nutzen, mehrheitlich die AfD. Das Portal fragte zwischen 24. Januar und 2. Februar 60.560 Nutzende, wen sie bei der anstehenden Wahl wählen würden. Von ihnen würden sich 27,9 Prozent für die AfD entscheiden.

Mit großem Abstand folgen in der Romeo-Umfrage die Grünen (19,9 Prozent), die CDU (17,6 Prozent) und die SPD (12,5 Prozent). Deutlich abgeschlagen die Linke (6,5 Prozent), das BSW (4,5 Prozent) und die FDP (3,6 Prozent). Schon bei einer Umfrage zur Europawahl im März 2024 landete die AfD bei homosexuellen Menschen mit 22,3 Prozent auf dem ersten Platz. 

Diese hohe Zustimmungsrate unter schwulen Menschen verwundert. Schließlich fällt die in Teilen rechtsextreme Partei immer wieder auch durch Queer- und Homofeindlichkeit auf, spricht etwa im Wahlprogramm vom „Trans-Gender-Hype“ und hat zahlreiche Mitglieder, die sich noch vor einigen Jahren offen homophob geäußert haben. Warum wählen queere Menschen die AfD trotzdem?

Die AfD erhält eine Millionenspende aus Österreich in Form von Wahlkampfplakaten.

Romeo-Umfrage: Warum wählen schwule Menschen die AfD?

Der AfD-Wähler-Experte Andreas Hövermann vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) ist skeptisch, ob Umfragen wie die von Romeo überhaupt repräsentativ sind. Eine große Teilnehmeranzahl sei noch kein Kriterium für eine gute und repräsentative Umfrage. Vor allem nicht, wenn sie, wie bei einer Dating-Plattform etwa, auf eine so spezifische Zielgruppe beschränkt sei, sagte er BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA im März 2024 über die damals von Romeo durchgeführte Umfrage.

Diese Promis sind Parteimitglieder: Schlager-Stars bei SPD und Freien Wählern, eine Musik-Legende beim BSW

Roland Kaiser Claudia Jung
Auch Promis, die in anderen Branchen zu Ruhm kamen, sind natürlich politisch interessiert. Vor großen Wahlen melden sich die Stars öfter mal zu Wort und verraten, bei welcher Partei sie warum ihr Kreuz machen. Aber bei wem geht die Bindung so weit, dass sie oder er Mitglied in einer Partei ist? Wir haben einige gesammelt. Dieses alte Foto zeigt gleich zwei davon im Duett. © Future Image/Imago
Parteibuch
Die Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Und führt auch nur Promis auf, von denen ihre Mitgliedschaft offiziell bekannt wurde. Ob sie inzwischen heimlich ihr Parteibuch (Symbolfoto) zurückgegeben haben, ist hingegen offen. © IMAGO/Noah Wedel
Bundestagswahlkampf 2025
Bemerkenswert: Bei mancher großen Partei wurden deutlich mehr prominente Mitglieder öffentlich bekannt als bei anderen. © IMAGO/Rene Traut
Helmut Markwort
Personen, die selbst politische Ämter ausüben wie Publizist Helmut Markwort (FDP, Foto) haben wir in der Regel außen vorgelassen. © IMAGO
Comedian Ingo Appelt: SPD.
Comedian Ingo Appelt: SPD. © Michael Korte / Imago
Moderatorin Maren Gilzer: FDP
Moderatorin Maren Gilzer: FDP © IMAGO
Sport-Reporter Rolf Fuhrmann: SPD
Sport-Reporter Rolf Fuhrmann: SPD. © IMAGO/gbrci
Regisseur Sönke Wortmann: Grüne
Regisseur Sönke Wortmann: Grüne © IMAGO/Nikita Kolinz
Schriftstellerin Juli Zeh: SPD.
Schriftstellerin Juli Zeh: SPD.  © IMAGO/teutopress GmbH
Rapperin Sookee: Linke.
Rapperin Sookee: Linke. © Martin Müller / Imago
Moderatorin Sophie Passmann: SPD.
Moderatorin Sophie Passmann: SPD. © IMAGO/imageBROKER/Markus Wissmann
Entertainer Julian F.M. Stoeckel: CDU.
Entertainer Julian F.M. Stoeckel: CDU. © IMAGO/Frank Sorge
Pianist Igor Levit: Grüne.
Pianist Igor Levit: Grüne. © IMAGO/Stephan Wallocha
Reality-TV-Star Claudia Obert: CDU.
Reality-TV-Star Claudia Obert: CDU. © IMAGO/KreativMedia Berlin / Marten Ron
Erotik-Künstlerin Micaela Schäfer: CDU.
Erotik-Künstlerin Micaela Schäfer: CDU. © IMAGO/STAR-MEDIA
Sänger Henning May (AnnenMayKantereit): Grüne.
Sänger Henning May (AnnenMayKantereit): Grüne. © IMAGO/Michael Kremer
Ex-Biathletin Verena Bentele: SPD.
Ex-Biathletin Verena Bentele: SPD. © IMAGO/Eibner-Pressefoto/Heike Feiner
DJ Paul van Dyk: FDP.
DJ Paul van Dyk: FDP. © Christoph Hardt via www.imago-images.de
Schlager-Legende Roland Kaiser: SPD.
Schlager-Legende Roland Kaiser: SPD. © IMAGO/Frederic Kern
Moderator Jürgen Domian: SPD.
Moderator Jürgen Domian: SPD. © Malte Ossowski/SVEN SIMON via www.imago-images.de
Schauspielerin Jenny Elvers: CDU.
Schauspielerin Jenny Elvers: CDU. © IMAGO/Christoph Hardt
Fußball-Trainer Klaus Toppmöller: SPD.
Fußball-Trainer Klaus Toppmöller: SPD. © imago sportfotodienst
NDW-Legende Joachim Witt: BSW.
NDW-Legende Joachim Witt: BSW. © IMAGO
Schlager-Sängerin Claudia Jung war mal für die Freien Wähler als Politikerin aktiv – ob sie ihr Parteibuch noch hat, ist unklar.
Schlager-Sängerin Claudia Jung war mal für die Freien Wähler als Politikerin aktiv – ob sie ihr Parteibuch noch hat, ist unklar. © IMAGO/B. Lindenthaler
Satiriker Jan Böhmermann wurde 2019 öffentlichkeitswirksam Mitglied der SPD. Längst ist es still um das Thema geworden – unklar, ob er noch ein Parteibuch hat.
Satiriker Jan Böhmermann wurde 2019 öffentlichkeitswirksam Mitglied der SPD. Längst ist es still um das Thema geworden – und nicht gesichert, ob er noch ein Parteibuch hat. © IMAGO/Christoph Hardt
Publizist Michel Friedman ist 2025 aus CDU ausgetreten.
Publizist Michel Friedman ist 2025 aus CDU ausgetreten. © IMAGO/Bernd Elmenthaler

Ob also tatsächlich 28 Prozent aller schwulen Menschen in Deutschland die AfD wählen würden, ist fraglich. Dennoch sei es nicht verwunderlich, dass die in Teilen rechtsextreme Partei auch in dieser Bevölkerungsgruppe Zuspruch erhaltet, sagte uns die Kultur- und Politikwissenschaftlerin Katharina Hajek, die an der Universität Koblenz Geschlechterpolitiken und Anti-Genderismus im Rechtspopulismus unterrichtet 2024.

„Die AfD ist kein monolithischer Block, sondern beherbergt bis heute unterschiedliche Strömungen“, sagte sie BuzzFeed News Deutschland. „Während Rechtsnationale und -radikale wie Höcke offen homophob auftreten, gibt es auch offen schwule Aktivisten und Gruppierungen in der AfD. Schwul und rechts sein schließen sich nicht aus.“ Das zeigen auch offen homosexuelle AfD-Politiker wie Kay Gottschalk, Sven Tritschler und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, die sich selbst aber als „nicht queer“ bezeichnete.

AfD positioniert sich als „homonationale Partei“

„Die AfD positioniert sich spätestens seit der ‚Kölner Silvesternacht‘ von 2015 als homonationale Partei. Das heißt, sie forciert ein Narrativ, wonach Frauenfeindlichkeit, sexualisierte Gewalt und eben auch Homophobie ‚importierte‘ Probleme wären, die mit der Migration vor allem junger muslimischer Männer nach Deutschland kämen“, sagt Hajek BuzzFeed News Deutschland.

Dadurch vereine die AfD geschickt Geschlechterpolitik mit Migrationspolitik. Besonders Alice Weidel bediene das Narrativ der „vermeintlich rückständigen, muslimischen Anderen“ als lesbische Frau immer wieder, indem sie etwa angebe, sich manchmal auf dem Nachhauseweg mit ihrer Frau nicht mehr sicher vor Übergriffen und Straßengewalt zu fühlen. Einige queere Menschen könne das überzeugen, die AfD zu wählen, glaubt die Kulturwissenschaftlerin.

Alice Weidel verkauft Abschiebungen als „Lösung für homophobe Gewalt“

„Eine restriktivere Einwanderungspolitik und Abschiebungen werden als Lösung für homophobe Gewalt verkauft“, so Hajek. Das widerspreche natürlich allen Statistiken zu sexualisierter Gewalt, auch der gegen queere Menschen. 2023 wurden laut Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) 1052 hassmotivierte Straftaten gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen registriert. Davon waren 372 rechts motiviert, 39 religiös, 35 ausländisch, 35 links und 571 waren nicht zuzuordnen. 808 der Tatverdächtigen waren deutsch und 194 nicht-deutsch.

Gewalt und Migration hängen nicht zusammen, bestätigen mehrere Kriminologen bei BuzzFeed News Deutschland. „Die Gewaltkriminalität war zwischen 2007 und 2019 insgesamt deutlich rückläufig, und das bei einem erheblichen Anstieg des Migranten-Anteils in der Bevölkerung in diesem Zeitraum. Das kann man festhalten, da das manchmal völlig falsch dargestellt wird“, sagt Christian Walburg von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster.

Rubriklistenbild: © Bernd von Jutrczenka/dpa