„Es wird immer schlimmer“

„Luxusproblem“: Warum queere Menschen die AfD wählen wollen

  • VonMichael Schmucker
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AfD-Politiker äußern sich homofeindlich, die Partei fordert ein „traditionelles Familienbild“. Ihren queeren Wählern und Wählerinnen scheint das egal.

Die AfD könnte bei der Bundestagswahl im Februar zweitstärkste Kraft werden. Das zeigen aktuelle Umfragen zur Bundestagswahl 2025. Bei der Wahl 2021 holte die Partei gut zehn Prozent der Wählerstimmen. Besonders bemerkenswert: Auch innerhalb der queeren Community ist das Interesse an der Partei offenbar angestiegen.

Bei einer nicht repräsentativen Umfrage der Gay-, Bi- und Trans*-Datingplattform Romeo in Zusammenarbeit mit dem Magazin Männer mit 10.000 Teilnehmern im März 2024 lag die AfD mit 22,3 Prozent auf dem ersten Platz. Auch bei der Generation Z, in der sich laut Ipsos-Studie 22 Prozent als LGBTQIA+ definieren, kann die in Teilen rechtsextreme Partei punkten. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen wählte jeder Dritte der 18-24-Jährigen die AfD.

Die AfD hat 2018 einen Antrag gegen die Ehe für alle im Bundestag eingebracht, fällt immer wieder durch Homofeindlichkeit auf, will Schwangerschaftsabbrüche und damit Rechte von Frauen einschränken. Warum können queere Menschen sich trotzdem vorstellen, im Februar bei der Bundestagswahl die AfD zu wählen?

Alice Weidel ist mit einer Frau verheiratet, aber sagt von sich selbst, sie sei „nicht queer“.

Millionen Arbeitsplätze in Gefahr: Wie wirtschaftlich kompetent die AfD sei, „muss sie erst noch beweisen“

Bereits 2023 fragten wir Mitglieder der LGBTQIA+-Community, warum sie mit der AfD sympathisieren. Wer will im Februar wirklich bei der AfD sein Kreuzchen machen? Einer von ihnen ist Markus (41) aus Berlin. Vor knapp eineinhalb Jahren war er enttäuscht von der Ampel-Regierung und seine Enttäuschung „ist in den letzten Monaten immer größer geworden, was auch an den wirtschaftlichen Problemen in Deutschland liegt“, sagt er BuzzFeed News von IPPEN.MEDIA.

„Einige meiner Freunde haben ihre Jobs verloren, andere haben Angst davor. Auch ich kann mir nicht sicher sein.“ Er sei für Gleichberechtigung, auch für die queere Community, „aber das ist, sorry, ein Luxusproblem, wenn man ohne Job und Perspektive dasteht“. Warum glaubt Markus, dass die AfD daran etwas ändern kann? „Wie wirtschaftlich kompetent die Partei ist, muss sie erst noch beweisen, das stimmt. Ich würde mir aber tatsächlich eine Koalition mit der CDU wünschen. Ich bin überzeugt, dass das der Wirtschaft helfen würde.“

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sieht das anders. Die wirtschafts- und außenpolitischen Pläne der AfD, die geforderte Abschottung, hätten „katastrophale wirtschaftliche Konsequenzen“ und würden viele Millionen Arbeitsplätze kosten, sagt er.

AfD hat „traditionelles Familienbild“ und ist gegen die gleichgeschlechtliche Ehe

„Die AfD ist die erste Partei in der Geschichte Deutschlands, die eine Lesbe zur Kanzlerkandidatin gemacht hat. Und ich kann es einfach nicht mehr hören, dass das alles nur böse Taktik sei“, sagt die lesbische Katja (33) aus Stuttgart über Alice Weidel. Die AfD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2025 sagte in einem Interview 2023: „Ich bin nicht queer“. Sie sei nur mit einer Frau verheiratet, die sie seit 20 Jahren kenne. Katja will die AfD wählen, weil sie wie die Partei gegen das Selbstbestimmungsgesetz ist.

Im November 2024 forderte die Partei die Abschaffung des Queer-Beauftragten und die Rückbesinnung auf ein „traditionelles Familienbild“. Heterosexuelle Paare sollten ermutigt werden, früh eine Familie inklusive Kindern zu gründen. „Die Partei hat ein traditionelles Familienbild, was aber nicht bedeutet, dass sie homosexuelle Konstellationen ablehnt“, findet Katja. 

AfD-Politiker wie Maximilian Krah äußerten sich homofeindlich auf TikTok. Dass sich homosexuell und rechts sein trotzdem nicht ausschließen, erklärt die Kultur- und Politikwissenschaftlerin Katharina Hajek. „Die AfD beherbergt unterschiedliche Strömungen“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland. „Es gibt auch offen schwule Aktivisten und Gruppierungen in der AfD.“

Schwuler Mann hat Angst in Berlin – AfD „verkauft Abschiebungen als Lösung“

2023 erklärte auch der queere Dominik (29), dass er mit der AfD liebäugelt – sein Hauptaspekt dabei war die Hasskriminalität gegen queere Menschen. Die Straftaten in diesem Bereich steigen laut Bundeskriminalamt weiter an und das Dunkelfeld ist groß: Über 90 Prozent der queerfeindlichen Straftaten werde nie zur Anzeige gebracht.

„Es wird immer schlimmer. Mehr denn je werde ich als erkennbar queerer Mensch in Berlin angefeindet, beschimpft, bespuckt und auch körperlich angegangen“, sagt Dominik. Er brauche keine Aktionspläne oder einen Ehering, er will sich wieder sicher fühlen, „ohne Angst haben zu müssen, verprügelt zu werden“. Grüne, SPD und FDP „haben da völlig versagt“, kritisiert er und sagt, er erhoffe sich durch die AfD mehr Sicherheit.

Hajek, die an der Universität Koblenz Geschlechterpolitiken und Anti-Genderismus im Rechtspopulismus unterrichtet, weiß: „Die AfD positioniert sich als homonationale Partei“. Sie forciere ein Narrativ, wonach Homofeindlichkeit ein Problem sei, das mit der Migration vor allem junger muslimischer Männer nach Deutschland komme. Dadurch vereine die AfD geschickt Geschlechter- mit Migrationspolitik. „Abschiebungen werden als Lösung für homophobe Gewalt verkauft“, so Hajek. Das widerspreche jedoch allen Statistiken zu sexualisierter Gewalt, auch der gegen queere Menschen. Sie zeigen, dass die meisten Straftaten politisch rechts motiviert sind.

Rubriklistenbild: © Sebastian Kahnert/dpa

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