Ampel-Plan gegen Fachkräftemangel

Weniger Steuern für Ausländer – so viel Geld würde das Deutschland kosten

  • VonRobert Wallenhauer
    schließen

Spitzenkräfte aus dem Ausland sollen Steueranreize bekommen, um sie nach Deutschland zu locken. Ökonomen haben berechnet, wie viel das den Staat kosten würde.

Berlin – Mit der sogenannten „Wachstumsinitiative“ will die Bundesregierung die deutsche Wirtschaft wieder in Fahrt bringen. Teil dieses Pakets waren auch steuerliche Anreize für Ausländer - um Deutschland für Fachkräfte attraktiver zu machen. Vorgesehen ist, dass neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei erhalten können. Für diese Freistellung soll eine Unter- und Obergrenze für den Bruttolohn definiert werden.

Steuerrabatte für Ausländer: Kritik aus der Regierung

Diese Steuerrabatte würden den deutschen Staat rund 600 Millionen Euro pro Jahr kosten, wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln berechnete. Nach Berechnungen des IW könnten 70.000 Menschen die Steuerbefreiung wahrnehmen. Laut der Schätzung der Ökonomen würden die Kosten von 300 Millionen im ersten auf 600 Millionen Euro im dritten Jahr steigen. Diese Schätzung sei jedoch vielen Unsicherheiten unterlegen, so das IW gegenüber dem Handelsblatt.

Fachkräftemangel: Deutsche Politiker suchen nach Wegen, Deutschland attraktiver zu machen.

Die Idee von Steuerbefreiungen für ausländische Fachkräfte wird mittlerweile weiter heftig diskutiert. Das Bundeskabinett billigte Anfang Juli die „Wachstumsinitiative“. Aber auch innerhalb der Regierung hagelte es zuletzt Kritik. „Das gehört zur Abteilung ‚Das müssen wir uns noch mal genauer angucken‘“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Deutschlandfunk. „Ich gebe zu, dass ich an diesem Punkt über die Einigung nicht furchtbar glücklich bin, weil es zu Missverständnissen führen kann“.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wies darauf hin, dass schon jetzt eine gut zweistellige Zahl europäischer Länder versuche, ausländische Fachkräfte in den ersten Jahren mit einer Steuervergünstigung ins Land zu holen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte gesagt, die Steueranreize sollten für „Spitzenkräfte“ aus dem Ausland gelten, die eine steuerliche „Anwerbungsprämie“ erhalten könnten. Lindner sagte zugleich, die Bundesregierung habe wahrgenommen, dass der Vorschlag seitens der Arbeitgeber verhalten aufgenommen worden sei. „Deshalb werden wir da zunächst einmal das Gespräch suchen. Denn wir werden nichts einführen, was nicht von den Arbeitgebern auch aktiv genutzt wird.“ Das Handwerk hatte sich bereits kritisch zu den geplanten Steueranreizen geäußert.

Arbeitgeberpräsident Dulger: „Vorschlag widerspricht der Steuergerechtigkeit“

Neben dem Handwerk schalten sich jetzt weitere Wirtschaftsvertreter in die Diskussion ein. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger lehnt die Pläne der Bundesregierung ab. „Der Vorschlag widerspricht der Steuergerechtigkeit und sendet ein falsches innenpolitisches Signal. Auch dürfte es vielerorts zu Unruhe im Betriebsfrieden führen. Es gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: mehr Netto vom Brutto für alle. Dann ist es auch für ausländische Fachkräfte wieder attraktiv“, sagte Dulger der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Aktuell sei Deutschland ein Hochsteuerland, so Dulger weiter. „Wir haben eine komplizierte Sprache. Wenn die Menschen hier ins Land kommen, kriegen sie keine Kinderbetreuung, sie finden keinen Wohnraum. Das sind doch die Probleme, an denen wir arbeiten müssen. Wir sind von dem Vorschlag nicht wirklich überzeugt.“

Zurückhaltend äußerte sich auch Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer: „Es ist richtig, sich Gedanken zu machen, wie man den Zuzug ausländischer Fachkräfte attraktiver gestalten kann“, sagte er der dpa. „Dass bei einer Steuervergünstigung direkt die Diskussion über eine Ungleichbehandlung mit den Kolleginnen und Kollegen in Deutschland aufkommt, ist erwartbar gewesen.“

„Falscher Weg“: Ökonomen kritisieren Ampel-Plan für Steuerrabatte für Ausländer

Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte der dpa zu den Steueranreizen, dies sei in anderen europäischen Ländern ein spezifisches Mittel für die ganz gezielte Anwerbung bestimmter Spezialisten aus dem Ausland. „Typischerweise geht es um Einzelpersonen, die die Unternehmen den Behörden namentlich benennen. Das Instrument in der Breite einzusetzen, wäre nicht mein Ansatz“, betonte Russwurm.

Auch Ökonomen sehen die geplante Steueranreize kritisch. Zwar brauche man Zuwanderung, um dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken. Wirtschaftsweise Monika Schnitzer schätzt, man brauche rund 400.000 Zuwanderer netto pro Jahr, wie der Deutschlandfunk berichtet. Aber Steuerentlastungen seien der falsche Weg, Deutschland attraktiver zu machen, heißt es vom IW in Köln. Sie könnten dazu führen, dass Fachkräfte das Land wieder verlassen, wenn sie mit jedem Jahr, das sie in Deutschland bleiben, mehr Steuern zahlen müssen.

Außerdem werden mit den Steuererleichterungen inländische Beschäftigte schlechter gestellt, was der Steuergerechtigkeit widerspreche, heißt es in einer Einschätzung von IW-Ökonom Wido Geis-Thöne. „Vielmehr ist das Visumverfahren viel zu kompliziert und langwierig, sodass ausländische Fachkräfte und Unternehmen keine Planungssicherheit für ihre Einreise haben.“ (row mit dpa)

Rubriklistenbild: © Jan Woitas/dpa

Mehr zum Thema