Ampel-Vorschlag
Steuerrabatte für Migranten: Modell in vielen Ländern verbreitet -„Neiddiskussion in Deutschland ist traurig“
VonLisa Mayerhoferschließen
In Deutschland regt sich immer mehr Widerstand gegen die geplanten Steuerrabatte für ausländische Fachkräfte. Dabei gebe es laut Experten in anderen Ländern ähnliche Modelle, die funktionieren würden.
Berlin – Kaum ist der Vorschlag für Steuerrabatte für ausländische Fachkräfte in der Welt, schon formiert sich Widerstand dagegen. „Das müssen wir uns nochmal genauer anschauen“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag im Deutschlandfunk. Er sei mit diesem Ampel-Vorhaben „nicht furchtbar glücklich, weil es zu Missverständnissen führen kann“. Zuvor beklagten Kritiker bereits eine Benachteiligung einheimischer Arbeitnehmer. Allerdings sind Steuerrabatte für ausländische Fachkräfte schon in vielen anderen europäischen Ländern Realität, Experten sehen in dem Modell auch Vorteile.
Steuervorteile für ausländische Fachkräfte auch bei Ampel umstritten
Zankapfel ist der geplante Steuerabschlag für ausländische Fachkräfte, der Teil des Pakets zur Wirtschaftsbelebung ist, den die Koalitionsspitzen am Freitag vorgelegt hatten. Er soll helfen, dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland anzulocken. Konkret sieht die Einigung vor, dass für neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und zehn Prozent des Bruttolohns steuerfrei sind. Dafür sollen Lohnunter- und -obergrenzen festgelegt werden. Das sorgte in der Opposition und auch in den eigenen Reihen der Ampel-Regierung mit Blick auf die Steuerbelastung deutscher Arbeitnehmer für Kritik.
Die FDP, aus deren Reihen der Vorschlag kam, verteidigt jedoch ihre Idee. Kritik an Heils Äußerungen kam unter anderem vom Haushaltsexperten der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Meyer. „Die Äußerungen von Hubertus Heil bringen den Wirtschaftsstandort Deutschland kein Stück voran“, sagte Meyer der Nachrichtenagentur AFP. Steuerliche Anreize für Hochqualifizierte seien mittlerweile „in der halben EU ein Baustein zur Lösung des Arbeitskräftemangels“.
Steuerrabatte für Migranten in vielen Ländern – Ähnlichkeit zur Niederlande
Wer sich in Europa umschaut, findet tatsächlich viele Beispiele für Steuererleichterungen für Fachkräfte aus dem Ausland. „In anderen Ländern wie Österreich, Niederlande, UK, Spanien und Belgien gab beziehungsweise gibt es ähnliche Modelle und in unserer Beratungspraxis hat sich immer wieder gezeigt, dass diese Instrumente sinnvoll eingesetzt werden können“, sagt Michael Gschwandtner von der Steuerberatungsgesellschaft Ernst & Young, gegenüber der Wirtschaftswoche. Der Steuerberater ist bei dem Unternehmen für Auslandsentsendungen von und nach Deutschland zuständig.
Dabei ist der Vorschlag der Ampel dem niederländischen Modell besonders ähnlich. Dort gibt es eine 30-Prozent-Regelung, an der die niederländische Regierung aber auch gerade herumschraubt, wie die Tagesschau berichtet. Konkret können Arbeitgeber ausländischen Fachkräften dort einen Teil des Einkommens steuerfrei auszahlen, 30 Prozent in den ersten 20 Monaten, 20 Prozent in den nächsten 20 Monaten und 10 Prozent in weiteren 20 Monaten. Allerdings gibt es dafür auch einige Hürden: Es gibt sowohl Gehaltsober- als auch -untergrenzen (2024 liegt diese beispielsweise laut Wirtschaftswoche bei 42.0000 Euro). Außerdem dürfen die Antragsteller nicht zu nah an der Grenze gelebt haben und ihre Qualifikation muss in den Niederlanden schwer zu finden sein.
Deutscher profitiert von Steuervorteilen in den Niederlanden: „Neiddebatte macht traurig“
Wie sich das Modell konkret auswirkt, zeigt das Beispiel von Tobias S., der aus Deutschland stammt und als Krankenhausberater eine internationale Karriere gemacht hat. Als er mit seiner Familie zurück nach Europa wollte, entschied er sich unter anderem wegen des Steuermodells für die Niederlande. Sie seien auch nach Ablauf der 30-Prozent-Regelung geblieben, weil sie „Teil der Gesellschaft“ hier geworden seien, erzählt der Berater gegenüber dem Fachmagazin Business Punk.
Er erklärt, wie er das Modell sieht: „Als Familie mit zwei Verdienern haben wir auch nie staatliche Leistungen bezogen, sondern einfach nur die ersten Jahre etwas weniger beigetragen. Aber auch dieser Beitrag war nicht unerheblich und vor allem wäre er gar nicht vorhanden gewesen, hätten wir uns für ein anderes Land entschieden. Mein Job wäre dann nicht in den Niederlanden entstanden, sondern vielleicht in der Schweiz oder in London“, sagt er dem Magazin.
Tobias S. ist überzeugt, dass die Niederlande es mit ihren Steuerrabatten geschafft hätten, „relevante Jobs ins Land zu holen, welche ansonsten gar nicht existiert hätten“. Er meint im Business Punk: „Die Neiddiskussion, die in Deutschland auf einen ähnlichen Vorschlag der Ampel entbrannt ist, ist traurig; verkennt sie doch das Potenzial, die Migrationswilligen anzuziehen, die das Land braucht, um sich zu entwickeln.“
Steuerrabatte für Migranten: „Was den Steuervorteil und die Dauer anbelangt, sind andere Länder sogar großzügiger“
Auch in den skandinavischen Ländern wird mit Steuervorteilen gelockt: Schweden hat laut Ernst & Young in der Wirtschaftswoche sogar zum 1. Januar 2024 die steuerlichen Anreize noch vergrößert und auch in Dänemark gibt es eine Flattax für ausländische Fachkräfte unter bestimmten Voraussetzungen.
Thomas Liebig, der Leiter der OECD-Migrationsabteilung, erklärt in der Welt: „Insgesamt ist das geplante neue Modell für Deutschland im internationalen Vergleich keinesfalls außergewöhnlich. Was den Steuervorteil und die Dauer anbelangt, sind andere Länder sogar großzügiger, allerdings ist die betroffene Gruppe in Deutschland relativ breit gefasst.“ Dies sei „auch vor dem Hintergrund der häufig relativ hohen Steuerlast im mittleren Einkommensbereich“ zu sehen.
Michael Gschwandtner von EY spricht sich in der Wirtschaftswoche für mehr Gelassenheit in der Debatte aus: „Mir wäre es also lieber, man hört sich den Vorschlag bis zum Ende an und diskutiert fair, statt gleich wieder alles negativ zu sehen.“ Mit Material der AFP