Verbraucher und Industrie klagen
Strom ist in Deutschland teuer, besonders für eine Gruppe - und Habeck trägt keine Schuld
VonAmy Walkerschließen
Die Bundesrepublik wird vermutlich auch in den nächsten zwei Jahrzehnten hohe Strompreise haben. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern ist es für eine spezielle Gruppe besonders teuer.
Berlin – Seitdem die Energiekrise 2022 das Land erfasst hat, klagen Verbraucher und Wirtschaft über die Preise in Deutschland – und darüber, wie viel teurer es hier ist im Vergleich zu anderen Nationen. Besonders im Fokus ist dabei der Strompreis, der für die Energiewende besonders relevant ist. Neben den höheren Großhandelspreisen werden für den hohen Strompreis die Steuern und Abgaben (machen gut 25 Prozent aus) oder hohen Netzentgelte verantwortlich gemacht. Die Oppositionsfraktion machen auch den Atomausstieg für die höheren Strompreise verantwortlich. Ist das aber gerechtfertigt?
Strompreise in Deutschland für Verbraucher bleiben auch künftig auf diesem Niveau
Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums unter der Führung von Robert Habeck (Grüne) werden die Strompreise für Haushaltskunden in den kommenden 20 Jahren zwischen 37 und 42 Cent pro Kilowattstunde liegen. Das ging im September aus einer Anfrage der CSU an das Wirtschaftsministerium hervor. Zur Einordnung: Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox liegen Neukundentarife in der Grundversorgung 2024 bei rund 40 Cent/kWh. Wer einen Tarif außerhalb der Grundversorgung wählt, kann heute für durchschnittlich 25,57 Cent/kWh Strom beziehen.
In den kommenden Jahren werden die Preise für Strom tendenziell steigen, da die Netzentgelte steigen werden. Über diesen Weg wird die Wartung und der Ausbau der Stromversorgung in Deutschland finanziert. Im Zuge der Energiewende wird massiv ausgebaut - die Kosten dafür werden auf alle Bürgerinnen und Bürger umgelegt.
Deutsche Verbraucher zahlen mit am meisten für Strom in der EU
Im europäischen Vergleich führt Deutschland bei den Strompreisen das Ranking mitunter an – und zwar schon seit einem Jahrzehnt. Die Preise hierzulande wurden wenig durch den Atomausstieg beeinflusst. Die These, dass die Ampel-Regierung oder gar Wirtschaftsminister Habeck an den hohen Preisen Schuld sind, müsste dadurch widerlegt sein. Vielmehr haben die Deutschen schon seit über zehn Jahren die höchsten Strompreise in der EU hingenommen. Nach Daten des europäischen Statistikportals Eurostat hatte Deutschland 2013 die zweithöchsten Strompreise in der EU bei 29 Cent/kWh. An erster Stelle lag Dänemark. Bis einschließlich 2018 war das so: immer Dänemark und dann Deutschland an der Spitze.
2019 war dann erstmals Deutschland das Land mit den teuersten Strompreisen, Dänemark rutschte auf den zweiten Platz. Diese Reihenfolge blieb bis 2022. Dann fiel Deutschland auf den dritten Rang, 2023 dann auf den vierten Platz. Überholt wurden wir von Belgien und Liechtenstein – und der Niederlande, die aktuell die teuersten Strompreise in Europa hat. Der EU-Mittelwert liegt bei 29 Cent pro kWh. Über dem Durchschnitt liegen die Preise auch in Italien, Zypern, Tschechien und Lettland. Die günstigsten Strompreise gibt es in Nordmazedonien und Ungarn, wo Haushalte nur 10 Cent/kWh zahlen.
Strompreise für die Wirtschaft in Deutschland nicht besonders teuer
Ein anderes Bild zeigt sich bei den Strompreisen für die Wirtschaft. Während die heimische Industrie fortwährend die hohen Strompreise hierzulande beklagt, sind sie im EU-Vergleich tatsächlich im Mittel – beziehungsweise sogar etwas günstiger als der EU-Durchschnitt. 2023 zahlten Nichthaushaltskunden in Deutschland 19 Cent/kWh für Strom, der EU-Schnitt liegt bei fast 20 Cent/kWh. Das hier sind nach Daten von Eurostat die EU-Länder mit den teuersten Strompreisen für die Wirtschaft:
- Liechtenstein: 31 Cent/kWh
- Ungarn: 29 Cent/kWh
- Irland: 29 Cent/kWh
- Kroatien: 27 Cent/kWh
- Österreich: 25 Cent/kWh
- Frankreich: 25 Cent/kWh
- Luxemburg: 24 Cent/kWh
- Slowakei: 22 Cent/kWh
- Slowenien: 22 Cent/kWh
- Italien: 20 Cent/kWh
In Deutschland liegt der Strompreis für die Industrie auch laut Zahlen des Branchenverbands BDEW 2024 wieder ungefähr bei den Preisen von vor der Energiekrise.
Warum beklagt die deutsche Wirtschaft also immer wieder die hohen Energiepreise? Dazu muss man außerhalb der EU blicken, wo der Preis für Strom durchaus sehr viel günstiger ist. Wie eine Untersuchung von Prognos 2023 ergeben hat, sind China und die USA für die Industrie besonders günstig: Dort kostet Strom jeweils nur acht Cent/kWh. Am teuersten war es der Studie zufolge in Italien.
Es sind also eigentlich die Preise in Europa allgemein, die für die Wirtschaft ein Problem sind, nicht nur in Deutschland. Wirklich teuer sind die Strompreise seit Jahren eigentlich nur für Verbraucher und Verbraucherinnen hierzulande. Und die werden weiter zur Kasse gebeten: Auch 2025 sollen die Netzentgelte teurer werden.
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