Energiewende
Gegen zu hohe Strompreise: Das ist die umstrittene Strommarktreform der EU
VonLisa Mayerhoferschließen
Nach monatelangen Verhandlungen gibt es endlich eine Einigung zur Reform des europäischen Strommarkts. Sie soll Verbraucher vor ausufernden Strompreisen schützen.
Luxemburg – Die Strompreise sind im Zuge des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine und der Energiekrise rasant gestiegen, in einigen europäischen Ländern allerdings stärker als in anderen. Das soll nun eine – allerdings umstrittene – Reform des gemeinsamen Strommarkts eindämmen. Darauf haben sich die Energieminister der Europäischen Union am Dienstag geeinigt. Ein Überblick.
EU-Strommarktreform: Subventionen für Atomkraftwerke möglich
„Die Einigung verbessert den Zugang von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Industrie zu günstigen Strompreisen in ganz Europa“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach der Sitzung in Luxemburg. Streit gab es bis zuletzt zwischen Deutschland und Frankreich um mögliche Subventionen für bestehende Atomkraftwerke.
Dem Kompromiss zufolge sind solche Hilfen für bestehende Anlagen nun erlaubt. Die Mitgliedsländer können demnach selbst entscheiden, ob sie die neuen Förderinstrumente auch auf bestehende Anlagen anwenden wollen, erklärte EU-Energiekommissarin Kadri Simson nach der Sitzung. Deutschland hatte sich dafür ausgesprochen, staatliche Subventionen nur für neue Anlagen zuzulassen, um vor allem erneuerbare Energien zu fördern.
Frankreich begrüßte das Ergebnis und sprach von einem „französischen Sieg“. Die Einigung werde die Menschen in Frankreich vor hohen Stromrechnungen bewahren, hieß es aus Paris. Die französische Ministerin für die Energiewende, Agnès Pannier-Runacher, hatte vor der Sitzung von einer „roten Linie“ gesprochen. Strom aus erneuerbaren Energien und Atomenergie müssten gleich behandelt werden, erklärte sie in Luxemburg. Mehrere EU-Staaten schlossen sich Frankreich in der Sitzung der Energieminister an.
EU-Strommarktreform soll vor schwankenden Strompreisen schützen
Der Kompromiss sieht zudem vor, Verbraucherinnen und Verbraucher vor stark schwankenden Preisen zu schützen, wie sie etwa während der Energiekrise im vergangenen Jahr vorkamen. Daneben sollen sie sowie die Industrie von einer günstigeren Stromproduktion profitieren. Außerdem ist geplant, dass Privatleute ein Recht auf Festpreisverträge als auch auf Verträge mit dynamischen Preisen haben, wie aus der Mitteilung hervorgeht. Weiterhin sollen etwa schutzbedürftige Kunden besser davor bewahrt werden, dass ihnen der Strom abgedreht wird.
Im Mittelpunkt der Bemühungen stehen neue langfristige Verträge zwischen Regierungen und Stromerzeugern, sogenannte Contracts for Difference (CfDs). Mit diesen Differenzverträgen garantieren die Staaten Stromerzeugern einen Mindestpreis für Strom, wenn sie neue Investitionen tätigen. Gelten soll dies für Investitionen in erneuerbare Energien und in Kernkraft. Fällt der Marktpreis unter einen vereinbarten Preis, springt der Staat ein und gleicht die Differenz aus. Liegt der Preis höher, geht der Überschuss an den Staat. Auf diese Weise sollen Anreize für die heimische Erzeugung von sauberem Strom geschaffen werden.
Strommarkt in der EU funktioniert nach Merit-Order-Prinzip
Hintergrund: Der Strommarkt in der EU funktioniert nach dem sogenannten Merit-Order-Prinzip. Dies bezeichnet die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke. Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind zum Beispiel Windkraftanlagen. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschalteten, also teuersten Kraftwerk – oft Gaskraftwerke.
Grundlage für den Kompromiss ist ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission aus dem Frühjahr. Das Parlament einigte sich bereits Mitte September auf eine gemeinsame Position.
Mit Material von dpa und AFP
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