„Rentenniveau-Reförmchen“ in der Kritik

„Ein Rentenniveau-Reförmchen“: Kritik an CDU- und SPD-Konzept zur Altersvorsorge

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Mehr Geld für Mütterrente und Frühstart-Rente: Die Reformpläne von Union und SPD könnten teuer werden. Was das für Beitragszahler bedeutet.

Berlin – Die Ampel-Koalition ist mit ihren Plänen zur Stabilisierung der Rente krachend gescheitert, das Rentenpaket II wurde nach internen Streitigkeiten nie beschlossen. Nun will die wohl künftige Koalition aus CDU, CSU und SPD einen neuen Anlauf wagen. Und die Zeit drängt, denn das Rentenniveau von über 21 Millionen Menschen im Altersgeld droht abzurutschen. Dabei liegt in Deutschland schon jetzt mehr als die Hälfte der gesetzlichen Renten unter der Armutsgefährdungsschwelle der EU.

Rente im Alter: Union und SPD wollen Niveau sicherstellen

Im Schwarz-Roten Koalitionsvertrag legen die drei Parteien ihre Prioritäten für das Altersgeld offen. Das Rentenniveau soll bei 48 Prozent gehalten werden – dem Ziel, an dem die alte Regierung gescheitert ist. Mit der sogenannten Aktivrente soll Weiterarbeiten trotz Erreichen des Renteneintrittsalters steuerfrei belohnt werden. Das Renteneintrittsalter bleibt unverändert, ebenso die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren. Dazu setzte sich die CSU mit ihrem Wunsch durch, die Mütterrente auszuweiten.

Wie geht es mit der Rente in Deutschland weiter? Das Rentenniveau soll stabilisiert werden. Die Kosten für das Altersgeld dürften künftig deutlich ansteigen.

Eine große Reform ist dieses Programm nicht – im Gegenteil. An den Grundpfeilern des Rentensystems wird nicht gerüttelt, nur hier und dort etwas justiert. Von liberalen Ideen wie einer Aktienrente oder Gewerkschafts-Bestrebungen eines Rentenniveaus von 53 Prozent ist im Koalitionsvertrag nichts zu lesen. Tatsächlich finden sich aber einige Ampel-Bestrebungen wieder.

Rentenpläne von CDU, CSU und SPD kosten viel Geld

Klar ist schon jetzt, das geplante Programm wird teuer. Denn Deutschland altert, mit den Babyboomern gehen bald Millionen von Menschen in Rente, auf dem Arbeitsmarkt kommen nicht genug Beitragszahlerinnen und -Zahler nach. Die Rente soll dann noch mehr aus Steuermitteln finanziert werden, so der Schwarz-Rote Plan. Schon jetzt gehen mit über 130 Milliarden Euro pro Jahr fast 30 Prozent des Bundeshaushalts zusätzlich in die Rente. Bei mehr Steuern für die Rente wird es aber wohl nicht bleiben, Expertinnen und Experten rechnen zusätzlich mit steigenden Beiträgen auf 20 Prozent (Stand jetzt: 18,6).

Renten-Meilensteine in Deutschland in Bildern – von Bismarck über Riester bis Müntefering

Otto von Bismarck brachte im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag.
Der Name Bismarck hallt bis heute nach. Auch weil Otto von Bismarck im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag brachte. Die Geburtsstunde der Rente in Deutschland. © Photo 12/www.imago-images.de
Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880.
Altersrente gab es damals aber erst ab dem vollendeten 70. Lebensjahr – die Lebenserwartung betrug damals nicht mal 50 Jahre. Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880. © imago stock&people/Imagebroker
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen.
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen. Rentenversichert waren zunächst Arbeiter und „kleine Angestellte“ mit Einkommen bis 2.000 Mark. Die Beiträge zahlten Arbeitgeber und -nehmer zu gleichen Teilen. © IMAGO/GRANGER Historical Picture Archive
Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt.
Größere Reformen gab es Anfang des 20. Jahrhunderts. Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt. Sie konnten schon ab 65 Jahren in Rente gehen – anders als Arbeiter. © imago stock&people/Arkivi
Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich.
Vor dem Ersten Weltkrieg hatten die deutschen Rentenversicherungsanstalten Überschüsse, die sie etwa in Wohnungsbau steckten. Entlassungswellen und Hinterbliebenenrenten änderten das schnell. Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich. © imageBROKER/GTW
Frauen im Ghetto Warschau bei erzwungener Näharbeit
Im NS-Regime werden Jüdinnen und Juden und andere verfolgte Gruppen aus der Rentenversicherung ausgeschlossen. Millionen von Zwangsarbeitern - im Foto: Frauen 1941 im Ghetto Dambrowa Gornicza bei erzwungener Näharbeit – bleiben ohne Rentenansprüche. Überschüsse der Kassen flossen in Kriegsanleihen. © Imago/Reinhard Schultz
Bundeskanzler Konrad Adenauer (r) gibt in Bonn seine Stimme für die Bundestagswahl 1957 ab
„Keine Experimente“ lautete Konrad Adenauers Slogan zur Bundestagswahl 1957. Bei der Rente wagte er aber eine Reform. Bis dato waren die Renten enorm gering, 50 DM war der Mindestsatz, der Durchschnitt nur unwesentlich höher. Nun änderte sich die Berechnung, Arbeiterrenten stiegen um etwa 60 Prozent. © DB/picture alliance/dpa
Willy Brandt im Jahr 1972.
Die nächste große Neuerung gab es unter Willy Brandt. Seit (dem Wahljahr) 1972 können auch Nicht-Pflichtversicherte in die Rentenversicherung einzahlen – etwa Selbstständige und Hausfrauen. Letzteres war ein Schritt zur Unabhängigkeit von den Ehemännern. Ab 1977 gab es dann auch einen „Versorgungsausgleich“ bei Scheidung. © Imago/Sven Simon
Norbert Blüm klebt Rentenplakat
„Die Rente ist sicher“: Auch mit diesem Satz blieb der mittlerweile verstorbene Arbeitsminister Norbert Blüm in Erinnerung. Auch Blüm kümmerte sich aber um die Lage der Rentnerinnen – er führte 1986 die „Mütterrente“ ein. Seither zählen Kindererziehungszeiten für die Rentenhöhe. © Peter Popp/picture-alliance/dpa
13 09 1985 Berlin Deutsche Demokratische Republik DDR Alte Frauen unterhalten sich
Die nächste große Herausforderung ist die Eingliederung der Bürger der ehemaligen DDR (hier ein Foto aus Ostberlin 1985) in die bundesdeutsche Rentenkasse. Die Deutsche Rentenversicherung preist rückblickend die Stärke des umlagefinanzierten Systems: „Die Rentenversicherung zahlte von einem Tag auf den anderen fast vier Millionen zusätzlicher Renten. Das wäre in einem kapitalgedeckten Rentensystem nicht vorstellbar gewesen.“ © imago stock&people/Franksorge
Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel
Die nächste Reform folgt dennoch – Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel (li.) müssen sparen, auch angesichts der alternden Bevölkerung. Ab 1992 steigen Altersgrenzen. Frauen und Arbeitslose (bislang bis 62 Jahren) und langjährige Versicherte (bis 63) müssen nun bis 65 arbeiten. Nur noch ein Jahr Kindererziehungszeit ist anrechenbar. © Michael Jung/dpa/picture-alliance
Koalitionsverhandlungen Riester Schröder
Auch Gerhard Schröders Rot-Grün hat ebenfalls Rentenpläne im Gepäck. Arbeitsminister Walter Riester leiht der „Riester-Rente“ seinen Namen – der Staat fördert auf ihrem Wege private Altersvorsorge. Das Modell gilt mittlerweile aber als Flop. Riester arbeitete später auch für Carsten Maschmeyers Finanzdienstleister AWD, dem die Reform gelegen gekommen sein dürfte. © picture-alliance / dpa | Hermann_J._Knippertz
Franz Münterfering und Angela Merkel 2007 im Bundestag.
Heikle Operation: SPD-Vizekanzler Franz Müntefering brachte 2007 die „Rente mit 67“ auf den Weg. Angela Merkels GroKo plante allerdings lange Übergangsfristen, noch bis 2031 dauert die Anhebung des Eintrittsalters an. Für Menschen, die 45 Jahre einzahlten, gab es eine Sonderregel. © Imago/Metodi Popow
Angela Merkel und Andrea Nahles 2017 bei einer Kabinettssitzung.
Müntefering war nicht mehr dabei als Merkels zweite GroKo 2017 das nächste „Rentenpaket“ schnürte. Arbeitsministerin war nun Andrea Nahles. Diesmal ging es um Erleichterungen. Langjährig Versicherte konnten nun ab 63 in Rente, die Mütterrente wurde ausgeweitet. 2018 kamen im „Rentenpakt“ (ohne drittes e) „Haltelinien“ für Beiträge und Rentenniveau hinzu. © Michael Kappeler/dpa/picture alliance
19 02 2017 Angleichung der Rente Rente Ostrente Westrente Ost West Altersruhegeld Angleichu
Fast 35 Jahre wird es gedauert haben – aber ab 2025 werden für die Rente in Ost- und Westdeutschland die gleichen Berechnungsgrößen gelten. Ein durchaus historischer Schritt. Beschlossen wurde er schon 2017. © imago stock&people/Steinach
Arbeitsminister Hubertus Heil – zuständig auch für die Rente – im Bundestag.
Die Evolution der Rente geht weiter: Seit 2021 gibt es die Grundrente als Zuschlag für Menschen, die unterdurchschnittlich verdient haben. Es wird nicht der Schlusspunkt sein: Angedacht – aber umstritten – ist die Aktienrente. Zugleich altert die deutsche Bevölkerung weiter, das Umlagesystem ist unter Druck. Ist die Rente sicher, auch über die Amtszeit von Hubertus Heil hinaus? Die Zukunft wird es zeigen. © Hannes P. Albert/dpa/picture-alliance

Grund für steigende Kosten sind unter anderem mehr Leistungen durch die Mütterrente oder auch die sogenannte Frühstart-Rente, bei der ab dem Kinderalter ein kapitalgedecktes Depot eingerichtet werden soll. Wo Geld verteilt wird, fehlt es an anderer Stelle. Das Institut der Deutschen Wirtschaft schätzt die Entlastungen der im Koalitionsvertrag festgelegten Regelungen auf insgesamt 50 Milliarden Euro jährlich – etwa vier Milliarden davon fallen auf die Mütterrente. Kritiker sprechen von einem teuren CSU-Wahlgeschenk in finanziell angespannten Zeiten.

Beitragserhöhung und mehr Steuern in die Rente

Worauf müssen sich Rentnerinnen und Rentner also einstellen, sollte Friedrich Merz Anfang Mai neuer Bundeskanzler werden? Das Rentenniveau wird stabilisiert, das gilt als sicher. Dass dieser Schritt nötig und richtig ist, unterstützen fast alle Parteien und Verbände – nicht zuletzt, weil jeder fünfte Rentner im Land armutsgefährdet ist. Darüber hinaus dürften die Änderungen für die breite Masse zunächst eher gering ausfallen. Spürbar wird mittelbar vor allem, dass weniger Haushaltsmittel für Programme und Projekte abseits der Rente übrig sind. Aber auch die Frage der Sozialversicherungsbeiträge wird in den nächsten Monaten und Jahren wieder hochkommen, so die Befürchtung.

Das gibt auch die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) zu bedenken: „Erhebliche Sorgen bereitet uns, dass diese Koalition keine Strukturreformen in den Sozialversicherungssystemen anpackt. Die Folge wird sein, dass die Sozialbeiträge weiter steigen“, so BDA-Präsident zum Koalitionsvertrag. „Damit werden die Beschäftigten in den kommenden Jahren weniger Netto vom Brutto in der Brieftasche haben. Steigende Beiträge sind eine Strafsteuer auf Arbeit.“

Grüne kritisieren „Rentenniveau-Reförmchen“

Auch der Grüne Sozial- und Gesundheitspolitiker Armin Grau spricht beim Konzept lediglich von einem „Rentenniveau-Reförmchen und Mütterrenten-Mottenkiste statt dauerhaftem Stabilitätsanker“ und kritisiert eine abseits notwendiger Schritte fehlende langfristige Lösung in Sachen Rente.

Klar muss trotz aller Kritik an steigenden Kosten für die Rente aber auch sein: Einfache Lösungen sind im umlagefinanzierten Rentensystem nicht möglich und obwohl ein erheblicher Teil der Steuern in die Rente fließt, bezahlt Deutschland im OECD-Vergleich nicht überdurchschnittlich viel – hat dafür aber auch kein überdurchschnittlich hohes Rentenniveau.

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