Religionsführer eröffnete Wahltag
Iran-Wahl: Hardliner und Reformer kämpfen um Präsidentschaft in Stichwahl
VonNatascha Bergerschließen
Im Iran hat die Stichwahl um einen neuen Präsidenten begonnen. Zur Wahl stehen Hardliner Dschalili und Reformpolitiker Peseschkian. Staatsoberhaupt Chamenei hofft auf eine höhere Wahlbeteiligung.
Teheran – Im Iran sind am Freitag (5. Juli) rund 61 Millionen Menschen aufgerufen, ihre Stimme für einen neuen Präsidenten abzugeben. Die Stichwahl findet zwischen dem als gemäßigt geltende Politiker Massud Peseschkian und der erzkonservative Fundamentalisten Said Dschalili statt. Die Wahl folgt auf den Tod von Amtsinhaber Ebrahim Raisi, der am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war. Beobachter der Wahlen im Iran erwarten ein knappes Rennen.
Stichwahl im Iran: Bei erster Abstimmung lag Reformpolitiker Peseschkian vorne
Von den einst insgesamt 80 Bewerbern für das iranische Präsidentenamt hatte der sogenannte Wächterrat, ein mächtiges islamisches Kontrollgremium, nur sechs Kandidaten zugelassen. Da sich zwei zurückzogen, traten bei der ersten Wahlrunde vier Kandidaten an. Konnte der Reformpolitiker Peseschkian, der für verbesserte Beziehungen zum Westen plädiert, zwar mit rund 42,5 Prozent als Gewinner der Abstimmung hervorgehen, verfehlte er die notwendige absolute Mehrheit. In einer Stichwahl tritt er nun gegen Hardliner Dschalili an, für den vergangene Wochen 38,7 Prozent stimmten.
Hardliner Dschalili gegen Reformpolitiker Peseschkian: Dafür stehen die iranischen Präsidentschaftskandidaten
Der konservative Präsidentschaftskandidat Dschalili gehört dem engsten Machtzirkel an und arbeitete im Büro des iranischen Religionsführers Ajatollah Ali Chamenei. Der ehemalige Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen unter Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad gilt als Verfechter der Ideologie der Islamischen Revolution im Iran. Seine Unterstützer sind vorwiegend radikale und loyale Systemanhänger.
Reformkandidat Peseschkian hingegen wirbt für ein neues Vertrauen zwischen Regierung und Volk, kritisiert außerdem die Zensur des Internets sowie die repressiven Maßnahmen gegen Frauen, die in der Öffentlichkeit gegen die Kopftuchpflicht verstoßen. Der ehemalige Gesundheitsminister bezeichnet sich selbst als wertkonservativen Politiker, der dennoch seine Loyalität gegenüber Religionsführer Chamenei bekundet.
Die Tatsache, dass der Wächterrat Peseschkian aus dem Lager der Reformpolitiker zugelassen habe, spreche laut ARD-Expertin Karin Senz jedoch dafür, dass er dem Regime trotz seiner Forderungen nach Wandel nahesteht.
Erste Abstimmung vor Stichwahl: Niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte des Irans
Die Stichwahl wurde am Freitag vom Staatsoberhaupt und Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei eröffnet. Er forderte die Bevölkerung zur regen Teilnahme auf. Bei der ersten Wahl vergangene Woche nahmen fast 60 Prozent der Wahlberechtigten nicht an der Abstimmung teil. Das Rekordtief an Wahlbeteiligung im Iran dürfte auch auf die große Enttäuschung der jungen Generation zurückzuführen sein, die nach gescheiterten Reformversuchen, politischer Repression und einer Wirtschaftskrise den Glauben an große politische Veränderungen verloren hat.
Tatsächlich hat der Präsident im Iran, anders als in anderen Ländern, nicht das Amt des Staatsoberhauptes inne. Die eigentliche Macht konzentriert sich auf den Religionsführer Chamenei, der seit 1989 als „Oberster Führer“ im Iran sowohl religiös als auch politisch die höchste Instanz darstellt.
Trotz neuem Präsidenten im Iran: Experten sehen wenig Hoffnung auf politischen Wandel
Dass Peseschkian seine Reformen wegen der Mehrheit von Hardlinern im iranischen Parlament umsetzen kann, wird von Kritikern angezweifelt. Auch gehen Experten davon aus, dass die Präsidentschaftswahl kaum etwas an der politischen Lage im Iran ändern wird. Wichtige Entscheidungen würden weiterhin ausschließlich von Chamenei getroffen, merkt Iran-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Azadeh Zamirirad, beim Deutschlandfunk an. Der Fokus liege mehr auf der Nachfolge des 85-Jährigen.
Die Wahllokale im Iran sind am Freitag bis 16.30 Uhr deutscher Zeit geöffnet, eine Verlängerung ist möglich. Mit den ersten Ergebnissen wird am Samstag gerechnet. (nbe/dpa)
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