Präsidentschaftswahl

Reformer gegen Hardliner: Wieso nach der Stichwahl im Iran trotzdem kein Wandel in Sicht ist

  • Erkan Pehlivan
    VonErkan Pehlivan
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Wer der nächste Präsident im Iran wird, soll eine Stichwahl entscheiden. Doch ist ein Wandel des Landes innen- und außenpolitisch so überhaupt möglich?

Teheran – Im Iran sind der Reformer Massud Peseschkian und der Hardliner Said Dschalili in die Stichwahl um das Präsidentenamt eingezogen. Nach Behördenangaben errang Ex-Gesundheitsminister Peseschkian im ersten Wahlgang zwar die meisten Stimmen, verfehlte aber die notwendige absolute Mehrheit. Der 69-Jährige, der für eine Entspannung im Verhältnis mit dem Westen wirbt, appellierte an seine Anhänger, am kommenden Freitag (5. Juli) zur Stichwahl zu gehen. Gegen den Reformer tritt der ultrakonservative frühere Atom-Unterhändler Dschalili an.

Bei den 13 vorherigen Präsidentschaftswahlen seit Gründung der Islamischen Republik Iran war erst einmal eine Stichwahl nötig gewesen, und zwar im Jahr 2005. Wie die Wahlbehörde mitteilte, errang Peseschkian nun im ersten Wahlgang gut 10,41 Millionen Stimmen und damit rund 42 Prozent. Dschalili folgte dahinter mit gut 9,47 Millionen Stimmen und 39 Prozent.

Reformer im Iran bleibt Hoffen

Der konservative Parlamentspräsident Mohammed-Bagher Ghalibaf kam den Angaben zufolge auf rund 14 Prozent, der konservative Geistliche Mostafa Purmohammadi vereinte nur weniger als ein Prozent der Stimmen auf sich. Von den vier Präsidentschaftskandidaten, die am Freitag angetreten waren, gilt Peseschkian als der einzige Reformer. In den vergangenen Jahren hatte das Lager der Gemäßigten und Reformer im Iran deutlich an Einfluss verloren. Bei der Stichwahl wird es nun darauf ankommen, wie stark Peseschkian die Anhänger dieses Kurses mobilisieren kann. Die reformorientierte iranische Zeitung „Sasandegi“ titelte nach der Wahl: „Lang lebe die Hoffnung.“

Im Iran soll eine Stichwahl entscheiden, wer der nächste Präsident des Landes sein wird.

Peseschkian dankte seinen Anhängern und appellierte an sie, am kommenden Freitag wählen zu gehen, „um das Land vor Armut, Lügen, Diskriminierung und Ungerechtigkeit zu retten“. „Ich hoffe, dass Ihre Anwesenheit die Grundlage für eine neue Stimme sein wird, die einen Wandel in der Einstellung, im Verhalten, Konversation und in der Verteilung und Zuweisung von Ressourcen bewirkt“, hieß es in einem Video, das auf der Website der reformorientierten Zeitung Etemad veröffentlicht wurde.

Im ersten Wahlgang hatte die Wahlbeteiligung nur bei rund 40 Prozent gelegen – dies war der niedrigste Stand in der Geschichte der Islamischen Republik. Die Wahlbehörde zählte insgesamt gut eine Million ungültige Stimmzettel. Die ursprünglich für 2025 geplante Präsidentschaftswahl war vorgezogen worden, nachdem der konservative Amtsinhaber Ebrahim Raisi am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war. Die Wahlentscheidung wird im Ausland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, da der Iran ein politisches Schwergewicht in der Region ist und in mehreren Konflikten wie dem Krieg im Gazastreifen mitmischt.

Reformer im Iran wollen Lockerung von Sanktionen

Peseschkian hatte die Unterstützung von Reformern wie dem ehemaligen Außenminister Mohammad Javad Zarif bekommen. Das könnte darauf hindeutet, dass dieser ein wichtiges außenpolitisches Ziel der Reformer verfolgen wird, so etwa die Neuverhandlung eines Atomabkommens, um die Sanktionen gegen die iranische Wirtschaft zu lockern und die Spannungen mit dem Westen abzubauen. Eine vollständige Aufhebung der westlichen Sanktionen scheint allerdings unwahrscheinlich zu sein. Auch eine Entspannung mit Israel dürfte schwierig sein, denn ein Abrücken von seinem Atomprogramm dürfte für Teheran kaum infrage kommen.

Peseschkian kritisierte hartes Vorgehen bei landesweiten Protesten 2022

Allerdings könnte innenpolitisch Bewegung ins Land kommen. So kritisierte Peseschkian das Mullah-Regime wegen dessen brutalen Vorgehens bei den landesweiten Massenprotesten, die durch den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini im September 2022 ausgebrochen war. Amini wurde festgenommen, weil sie gegen die strengen muslimischen Kleidervorschriften verstoßen haben soll. Doch auch hier ist es wichtig, dass die obersten Mullahs regimekritische Demonstrationen zulassen.

Wie auch immer die Stichwahl kommenden Freitag ausgeht, die Auswirkungen dürften sich in Grenzen halten. Denn die politische Macht im Iran liegt seit der Revolution 1979 beim geistlichen Oberhaupt des Landes. Dem Präsidenten obliegt lediglich die Ausführung der vom geistlichen Oberhaupt festgelegten politischen Leitlinien. (erpe/dpa/AFP)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Morteza Nikoubazl