Zurückweisung an deutschen Grenzen

Koalitionsverhandlungen: Arbeitspapier zur Migration durchgesickert – Einigung bei Abschiebungen

  • VonJan-Frederik Wendt
    schließen

Eigentlich hatten Union und SPD Verschwiegenheit während der Koalitionsverhandlung vereinbart. Nun ist ein Papier durchgesickert.

Berlin – Union und SPD haben sich in einem gemeinsamen Arbeitspapier auf mehrere Maßnahmen zur Begrenzung der Migration geeinigt. Das Papier liegt IPPEN.MEDIA vor. Die Arbeitsgruppe Innen, Recht, Migration und Integration will den Zuzug nach Deutschland deutlich begrenzen.

Für dieses Ziel sollen unter anderem Zurückweisung an deutschen Grenzen von Asylsuchenden ermöglicht werden: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen“, hieß es in dem Papier.

Migrationspapier aus Koalitionsverhandlungen: Union und SPD wollen mehr abschieben

Wie sehr sich eine mögliche Regierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) mit den Nachbarländern absprechen wird, bleibt unklar. Die SPD strebt echte Einigungen an. CDU und CSU würde es wohl reichen, wenn die Nachbarn informiert werden.

Bundestagswahl 2025: Von „Tünkram“ bis zum „Tor zur Hölle“ – denkwürdige Zitate aus dem Wahlkampf

Bundestag - Vertrauensfrage
„Fritze Merz erzählt gern Tünkram“ – SPD-Kanzler Scholz am 16. Dezember zu Vorwürfen von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), der Amtsinhaber sei bei Debatten auf EU-Ebene passiv und melde sich nicht zu Wort. „Tünkram“ ist Plattdeutsch und bedeutet dummes Zeug oder Unsinn. © Michael Kappeler/dpa
Olaf Scholz, Wahlparteitag SPD
„Manch einer hat uns schon abgeschrieben. Das kann unsere sozialdemokratische Partei mit über 160 Jahren Kampferfahrung aber überhaupt nicht beeindrucken.“ – SPD-Ko-Chefin Saskia Esken (rechts) beim Parteitag am 11. Januar in Berlin zu den schwachen Umfragewerten für die Sozialdemokraten und der Hoffnung auf eine Aufholjagd bis zur Wahl. © Imago
Nach Todesfahrt auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg-Rechte Proteste
„Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration.“ – AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel beim Parteitag am 11. Januar in Riesa zur Aufnahme des umstrittenen Begriffs in das Wahlprogramm, der im rechten Spektrum für die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund steht. © dpa
AfD-Bundesparteitag in Riesa
„Wenn wir am Ruder sind, wir reißen alle Windkraftwerke nieder. Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!“ – AfD-Kanzlerkandidatin Weidel beim Parteitag am 11. Januar in Riesa. © Sebastian Kahnert/dpa
Habeck liest aus seinem neuen Buch
„Ich war nicht gut in Rechtschreibung früher und hatte einen leichten Schlag in Richtung Legasthenie.“ – Der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck räumt am 12. Januar ein, als Schüler eine Rechtschreibschwäche gehabt zu haben. Habeck thematisierte bei der „Wahlarena“ des „Mannheimer Morgen“ in Mannheim seine Schulzeit und persönliche Schwächen. © Kay Nietfeld/dpa
Wahlplakate in Wiesbaden - SPD
„Es gibt, glaube ich, keinen Kanzler in der Bundesrepublik, der sich so im Detail in Gesetze eingemischt hat, damit sie pragmatisch werden.“ – Olaf Scholz zieht am 13. Januar eine positive Bilanz seines Wirkens als Regierungschef. „Es sind unglaublich viele Entscheidungen getroffen worden, die ohne meine Intervention gar nicht zustande gekommen wären“, sagte er den NRW-Lokalradios. © Arne Dedert/dpa
Nach tödlichem Angriff in einem Park in Aschaffenburg
„Das Maß ist endgültig voll.“ – Unions-Kanzlerkandidat Merz am 23. Januar nach dem Messerangriff von Aschaffenburg auf eine Kindergartengruppe mit zwei Toten, den ein Geflüchteter aus Afghanistan begangen haben soll. © Daniel Vogl/dpa
Demo gegen Rechts - Berlin
„Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus.“ – Merz am 24. Januar bei der Ankündigung, für Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag auch eine Mehrheit mit AfD-Unterstützung zu tolerieren. Die Menschen sehen das kritisch und gehen auf die Straße. © Christophe Gateau/dpa
Demonstration zur Migrationspolitik - Berlin
„Die Brandmauer bröckelt.“ – Die AfD-Fraktion am 29. Januar im Online-Dienst X zur bisher geltenden Abgrenzung der CDU von der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften Partei, nachdem erstmals mit ihrer Hilfe ein Unionsantrag eine Mehrheit im Bundestag erhalten hat. © Sebastian Gollnow/dpa
209. Bundestagssitzung: Heidi Reichinnek, Linke
„Allen politischen Differenzen zum Trotz hätte ich mir niemals vorstellen können, dass eine christlich-demokratische Partei diesen Dammbruch vollzieht und mit Rechtsextremen paktiert.“ – Die Vorsitzende der Linken im Bundestag, Heidi Reichinnek, am 29. Januar im Bundestag in ihrer viral gegangenen Rede zum mit AfD-Stimmen verabschiedeten Unionsantrag. © Imago
Bundestag - Regierungserklärung
„Und deshalb, finde ich, kann ich ihm nicht mehr trauen.“ – Kanzler Olaf Scholz über das Verhalten von Friedrich Merz am 29. Januar 2025. Das sei „wahrscheinlich ein ganz bedeutender Tag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ gewesen, sagte Scholz in der ARD-Sendung „Maischberger“. Die Union habe einen Konsens aufgekündigt, den es die ganze Nachkriegsgeschichte über unter den Demokraten in Deutschland gegeben habe.  © Kay Nietfeld/dpa
Demonstration fuer die Brandmauer und gegen die CDU
„Für falsch halte ich es, (…) sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen.“ – Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert am 30. Januar das Vorgehen von Merz. © Matthias Gränzdörfer/Imago
Wahlkampf Grüne - Berlin
„Tun Sie es nicht, Herr Merz.“ – Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck appelliert am 28. Januar eindringlich an Unionsfraktionschef Friedrich Merz, keine gemeinsame Sache mit der AfD zu machen.  © Christoph Soeder/dpa
Sitzung, Bundestag, Plenum
„Das Tor zur Hölle können wir noch gemeinsam schließen.“ – SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am 31. Januar in der Bundestagsdebatte über eine angekündigte Zustimmung der AfD auch zu einem Migrationsgesetz der Union. Dieses scheiterte aber letztlich auch an fehlender Unterstützung aus der Union. © Bernd Elmenthaler/Imago
Bundestag
„Ich bin mit mir persönlich sehr im Reinen, dass wir es wenigstens versucht haben.“ – Merz am 31. Januar nach dem Scheitern seines Gesetzentwurfs zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag, obwohl auch dieser von den AfD-Abgeordneten geschlossen unterstützt wurde. © Kay Nietfeld/dpa
Nach tödlichem Angriff in Aschaffenburg - Trauerfeier
„Diese Woche hat die Union klargemacht, dass es ihr ernst ist. Und damit ist die Glaubwürdigkeit auch eines neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz enorm gestiegen.“ – CSU-Chef Markus Söder sieht am 2. Februar die Position der Union nach den umstrittenen Abstimmungen zur Migrationspolitik im Bundestag deutlich gestärkt.  © Daniel Vogl/dpa
Bundesparteitag der CDU - Friedrich Merz + Markus Söder
„Mit den Grünen ist kein Richtungswechsel und keine Koalition möglich.“ – CSU-Chef Markus Söder anlässlich des CDU-Parteitags am 3. Februar auf X. © Imago
Wahlkampf – ZDF-Livesendung "Schlagabtausch"
„Wie dumm kann man sein zu sagen, man macht Sanktionen, um Russland zu schaden. Am Ende schaden wir vor allem unserer Wirtschaft.“ – BSW-Chefin Sahra Wagenknecht am 6. Februar in einer ZDF-Wahlrunde zu ihrer Forderung nach einer Wiederaufnahme der Gaslieferungen aus Russland. © Christoph Soeder/dpa
Scholz und Merz im TV-Duell
„Wir können auf die FDP keine Rücksicht nehmen.“ – Merz am 7. Februar, nachdem er mögliche Wähler der in Umfragen weiterhin schwächelnden FDP aufgerufen hat, ihre Stimme der Union zu geben. © Kay Nietfeld/dpa
FDP Bundesparteitag
„33 oder 31 Prozent für die CDU machen keinen Unterschied, aber vier oder sechs Prozent für die FDP ändern maßgeblich das Gefüge in der Bundesrepublik.“ – FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner reagiert beim Sonderparteitag in Potsdam am 9. Februar auf die Aussage von Merz. © Michael Kappeler/dpa
Scholz und Merz im TV-Duell
„Was ist Bubatz?“ – Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kann am 9. Februar mit dem Begriff „Bubatz“ nichts anfangen. Auf dem Live-Streaming-Portal Twitch antwortete Merz nach dem TV-Duell bei ARD und ZDF mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf die Frage, ob „Bubatz“ legal bleibe: „Bleibt was legal?“ Daraufhin entgegnete die Moderatorin: „Bubatz“. Merz’ Replik: „Was ist Bubatz?“ Die Moderatorin: „Gras.“ Merz sagte dann: „Also wenn Sie meinen, Cannabis, dann sage ich: Nein, wir wollen das wieder korrigieren.“ © Kay Nietfeld/dpa
Kundgebung "Brandmauer statt Brandstiftung"
„Friedrich Merz tritt an, Europa zu Grabe zu tragen“ – Kanzler Scholz am 11. Februar in der letzten Plenardebatte des Bundestags vor der Wahl mit Blick auf Merz’ Pläne, Geflüchtete an den Grenzen zu den EU-Nachbarn zurückzuweisen. © Fabian Sommer/dpa
TV-Runde im Bundestagswahlkampf
„Weil ich dieses animalische Grunzen der AfD-Fraktion voraussehen konnte, möchte ich einordnen, worüber wir reden, wenn wir Klimaschutz sagen.“ – Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck reagiert in einer Rede im Bundestag am 11. Februar auf Zwischenrufe der AfD, nachdem er den Klimaschutz als drängendste Aufgabe der Zukunft bezeichnet hat. © Kay Nietfeld/dpa
Bundestag
„Wir werden möglicherweise miteinander reden müssen.“ – Unions-Kanzlerkandidat Merz wendet sich in seiner Plenarrede am 11. Februar im Bundestag an die SPD – und nimmt dabei eine mögliche Koalitionsoption für die Zeit nach der Wahl in den Blick. © Kay Nietfeld/dpa
ZDF-Sendung "Klartext"
„Wenn sich die Menschen zurückziehen, dann ist es vorbei mit Deutschland. (…) Demokratie ist kein Zuschauersport, es geht nur, wenn Menschen sich bei den Wahlen engagieren.“ – Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck am 13. Februar in der ZDF-Sendung „Klartext“ auf den Kommentar eines Zuschauers hin, der erklärt hatte, er wisse nicht mehr, was er wählen solle. © Michael Kappeler/dpa

In der Migrationspolitik liegen Union und SPD weit auseinander. CDU-Chef Merz hatte im Wahlkampf versprochen, an allen deutschen Grenzen Kontrollen einzuführen und illegalen Einreisende nicht ins Land zu lassen. Im Papier ist nun von fortgesetzten Grenzkontrollen bis zur Umsetzung eines funktionierenden europäischen Außengrenzschutzes die Rede.

Einig sind sich die möglichen Koalitionspartner darin, dass mehr abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden sollen. „Abgelehnte Asylbewerber müssen unser Land wieder verlassen“, hieß es in dem Papier. Die Parteien wollen mehr Rückkehrberatungen und stärkere Anreize zur freiwilligen Ausreise anbieten. Aber: „Wenn dies nicht freiwillig geschieht, muss die Ausreisepflicht staatlich durchgesetzt werden“, formulierten die Koalitionsverhandler.

CDU, CSU und SPD planen Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien

Sie sehen auch Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien vor, beginnend mit Straftätern und Gefährdern. CDU und CSU sprechen sich darüber hinaus für sogenannte Bundesausreisezentren in Flughafennähe aus. Bis jetzt konnten die Schwesterparteien diese Forderung nicht gegen die SPD durchsetzen.

Friedrich Merz und Saskia Esken (Archiv)

Eine Einigung erzielten die Parteien bei der umfassenden Stärkung der Sicherheits-, Zivil- und Katastrophenschutzbehörden. Diese sollen mehr Personal und Fähigkeiten erhalten, finanziert mit neuen Instrumenten durch Bund und Länder. Diesen Schritt bezeichnen Union und SPD als „Zeitenwende der inneren Sicherheit“.

Zudem planen die Parteien verschärfte Ausweisungen: „Bei schweren Straftaten führt die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zu einer Regelausweisung“, hieß es. Dies soll insbesondere für Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei antisemitischen Delikten, Volksverhetzung sowie bei Angriffen auf Vollstreckungsbeamte gelten.

Migration in der neuen Merz-Regierung: Parteien wollen Familiennachzug aussetzen – Streitpunkt Bleiberecht

Außerdem hieß es in dem Papier: „Wir setzen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet für zwei Jahre aus.“ Härtefälle blieben davon unberührt. Damit wollen die Christ- und Sozialdemokraten die irreguläre Migration weiter reduzieren. Als weitere Maßnahme sollen freiwillige Bundesaufnahmeprogramme „soweit wie möglich“ beendet werden. Neue Initiativen sind nicht geplant.

Eine mögliche schwarz-rote Bundesregierung will das ab 2026 geltende Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) noch in diesem Jahr in nationales Recht umsetzen und das Konzept auf europäischer Ebene weiterentwickeln. Zudem soll die Liste sicherer Herkunftsstaaten um folgende Länder erweitert werden:

  • Algerien
  • Marokko
  • Tunesien
  • Indien

Ein Streitpunkt bleibt: Eine Hürde in den Koalitionsverhandlungen stellt das Bleiberecht dar. Die SPD plädiert für die Fortsetzung des Chancenaufenthaltsrechts. Dieses ermöglicht geduldeten Menschen ein Bleiberecht, wenn sie beispielsweise eine Ausbildung absolvieren oder arbeiten. Die Union lehnt dies ab. Trotz der neuen Instrumente zur Begrenzung der Migration bleibe Deutschland ein „einwanderungsfreundliches Land“, hieß es im Papier. Das Grundrecht aus Asyl soll unangetastet bleiben. Deutschland will sich weiterhin weltoffen zeigen. (Jan-Frederik Wendt)

Rubriklistenbild: © Michael Kappeler/dpa

Mehr zum Thema