Angst um deutsche Unternehmen?
Scholz „schreckt sich selbst ab“: Kiesewetter fordert Russlands eingefrorenes Geld für Ukraine
VonFlorian Naumannschließen
Was bringt der Ukraine die Berliner Wiederaufbaukonferenz? Wenn es nach CDU-Politiker Roderich Kiesewetter geht: eingefrorenes EU-Geld Russlands.
Berlin/München – Nicht nur die Ukraine blickt am Dienstag auf Deutschland: 2.000 Teilnehmer aus 60 Ländern sprechen in Berlin über den Wiederaufbau des Landes – samt Präsident Wolodymyr Selenskyj und Kanzler Olaf Scholz (SPD). Dessen Entwicklungsministerin Svenja Schulze betonte kurz vor dem Start: „Diese Konferenz zeigt, dass ein starkes Bündnis hinter der Ukraine steht.“
Handfestere Worte findet auf IPPEN.MEDIA-Anfrage Roderich Kiesewetter. Der CDU-Abgeordnete ist nicht nur als Vize des Parlamentarischen Kontrollgremiums einer der Wächter über die deutschen Geheimdienste – sondern auch einer der entschiedensten Unterstützer der Ukraine. Im Frühjahr riet er dazu, den „Krieg nach Russland zu tragen“. Zur Wiederaufbaukonferenz fordert Kiesewetter einen Griff an Russlands eingefrorene Gelder in der Europäischen Union. Scholz‘ Bundesregierung und der EU wirft er Zögerlichkeit vor.
Russlands EU-Geld für Ukraine? „Nicht nur die Zinsen“ – Kiesewetter sieht Scholz aus Sanktionssorge zögern
Bei der Berliner Ukraine-Wiederaufbaukonferenz gehe es „auch vor allem darum, finanzielle Zusagen zu erhalten“, sagt Kiesewetter: „Persönlich halte ich deshalb für wichtig, dass die Bundesregierung ihre Haltung in Bezug auf die eingefrorenen russischen Gelder ändert.“ Er verweist auf 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU. Dass diese nicht angetastet werden, sei auch der Sorge um russische Gegensanktionen etwa für deutsche Unternehmen geschuldet.
„Jeder Euro - nicht nur die Zinsen – der eingefrorenen russischen Gelder sollte der Ukraine zum Wiederaufbau gegeben werden“, fordert der CDU-Politiker. Das sei eine rechtlich zulässige politische Entscheidung, die aber derzeit auch Deutschland blockiere: „Hier sollte die Bundesregierung ihre Haltung endlich ändern und sich nicht aus Angst vor russischen Gegenmaßnahmen gegen deutsche Unternehmen selbstabschrecken.“
Im Mai hatte sich die EU nach langem Zaudern entschlossen, die Zinsen des angesprochenen Milliardenbetrages der Ukraine als Militärhilfe zugutekommen zu lassen. Nun greift Russland zum wiederholten Male bei deutschen Banken zu: Zuletzt traf es laut Berichten des Handelsblatts Deutsche Bank, Commerzbank oder auch die Landesbanken BayernLB und LBBW. Die USA sind beim Thema eingefrorene Gelder indes schon einen Schritt weiter.
Flugabwehr auf Ukraines Westen ausweiten – Kiesewetter weiter offen für Macrons Vorstoß
Auch weitere Weichenstellungen und Zeichen erhofft sich Kiesewetter von der Konferenz. Etwa das „Signal an die ukrainische Gesellschaft, das Gefühl der Zuversicht und des Rückhalts, auch beim Wiederaufbau zu unterstützen“. Nötig seien Konzepte und Vernetzung. Noch wichtiger aber wohl: „Schutz und die Sicherheit, damit Investitionen in der Ukraine möglich sind.“
„Dazu braucht es mehr militärische Unterstützung und auch eine Unterstützung beim Aufbau eigener rüstungsindustrieller Fähigkeiten in der Ukraine“, sagt Kiesewetter IPPEN.MEDIA. Kooperation wie die mit Rheinmetall seien dabei besonders wichtig. Der Rüstungskonzern eröffnet einen Panzer-Reparaturbetrieb in der Ukraine.
Als einen Ansatzpunkt für bessere Sicherheit der Ukraine in Russlands Angriffskrieg nannte Kiesewetter aber auch Luftabwehrhilfe: So könne man „die Flugabwehr auf den Westen der Ukraine auszuweiten, um die ukrainische Flugabwehr zu entlasten, sodass sie im Osten verstärkt werden kann“. Offen zeigte sich der CDU-Politiker einmal mehr auch für den Vorstoß Emmanuel Macrons, nicht-kämpfende Soldaten in die Ukraine zu entsenden, etwa für Ausbildung oder Logistik. Kiesewetter hatte sich zuletzt wegen seiner deutlichen Rufe nach finanziellen Mitteln für den Ukraine-Krieg einen Rüffel von Parteichef Friedrich Merz eingehandelt.
Ukraine bei der Berliner Konferenz auch unter Druck? FDP gegen Selenskyj-„Alleingang“
Das inhaltliche Spektrum der Konferenz ist freilich noch breiter. So richtete die FDP-Politikerin Renata Alt am Montag (10. Juni) auch eine Mahnung auch an Kiew: „Der Wiederaufbau der Ukraine soll auch dazu genutzt werden, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in dem Land zu stärken“, erklärte die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Wiederaufbaumittel müssten effizient eingesetzt werden: Dabei erwarte die FDP „auch eine Null-Toleranz-Politik gegenüber der Korruption“.
Dazu müsse die Ukraine auch Zivilgesellschaft und Opposition einbinden: „Es darf nicht passieren, dass die Regierung diese zukunftsweisenden Entscheidungen im Alleingang trifft.“ Selenskyjs Präsidentschaft wäre eigentlich am 20. Mai geendet. Das Parlament setzte jedoch keine Neuwahlen an - das Kriegsrecht in der Ukraine untersage Wahlen, berichtete unter anderem die Deutsche Welle. (fn)
Rubriklistenbild: © Montage: Jens Büttner/Bernd Elmenthaler/dpa/picture-alliance/Imago
