„Unehrlich und falsch“

„Tragisch“: Wie es 2025 mit den Plänen von Buschmann und Co. weitergeht

  • VonMichael Schmucker
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Die Ampel-Koalition ist frühzeitig gescheitert. Gesetze, die die rechtliche Situation queerer Menschen verbessert hätten, wird es nun nicht geben.

2024 neigt sich dem Ende entgegen und damit auch viele queere Projekte der ehemaligen Ampel-Regierung. In den ersten Tagen nach dem Bruch zwischen SPD, Grünen und FDP zeigte sich noch Kampfbereitschaft in der queeren Community: Der Verband Queere Vielfalt (LSVD+) forderte einen „queeren Krisenplan“ zur Umsetzung einiger der wichtigsten offenen LGBTQIA+-Pläne im Eilverfahren noch bis Weihnachten.

Inzwischen macht sich vielerorts Ernüchterung breit, die Mehrheit der Vorhaben für Verbesserungen für Homosexuelle und queere Menschen in Deutschland scheint vorerst gescheitert zu sein. Da wäre die Reform des Abstammungsgesetzes – der ehemalige FDP-Justizminister Marco Buschmann hatte es bis zu einem ersten Gesetzentwurf gebracht, bevor die Regierung zerbrach. Eines der Kernziele war die rechtliche Verbesserung für lesbische Paare mit Kindern hin zu einer Regelung, bei der auch die nicht leibliche Partnerin mit der Geburt des gemeinsamen Kindes automatisch juristisch zur Mutter wird.

„Dass diese Lebensverbesserung für tausende lesbische Paare nun wohl nicht kommen wird, ist traurig und tragisch. Wir wurden komplett im Stich gelassen“, sagt die lesbische Autorin Marie Miro BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Zwei gleichgeschlechtlichen Frauen mit Kind bleibt nur die Stiefkindadoption, ein Verfahren, das sich oftmals über mehrere Jahre hinzieht und dabei sehr teuer ist. „Dazu kommt, dass die nicht leibliche Mutter bis dahin formell rechtlich gesehen eine Fremde für das Kind ist – mit allen tragischen Konsequenzen, beispielsweise, wenn die leibliche Mutter verunglücken sollte.“

Zwei gleichgeschlechtlichen Frauen mit Kind stehen weiter vor rechtlichen Hürden.

Maßnahmen für mehr Akzeptanz gegenüber queeren Menschen drohen zu scheitern

Ein anderes Projekt war der Aktionsplan „Queer leben“, Ende 2022 vorgestellt, wurde bis Ende dieses Jahres in Zusammenarbeit mit vielen queeren Vereinen daran getüftelt. Ausgearbeitet wurden dabei 134 konkrete Maßnahmen, um die Akzeptanz gegenüber queeren Menschen und die rechtliche Situation in verschiedenen Lebensbereichen zu verbessern. Bundesfamilienministerin Lisa Paus sagte dazu: „Der Bericht zum Umsetzungsstand zeigt eindrucksvoll, wie viel wir in den letzten zwei Jahren gemeinsam erreicht haben. Zwei Drittel der Maßnahmen sind umgesetzt oder befinden sich in der Umsetzung.“

Der Löwenanteil aller derzeit „in Umsetzung“ befindlichen Maßnahmen droht jedoch zu scheitern, wenn 2025 eine neue Regierung mit Beteiligung der CDU/CSU gewählt werden sollte. Dazu kommt: Die Finanzierung der konkreten Projekte war erstmals im Wesentlichen für 2025 vorgesehen. Angesichts der Streitigkeiten um den Haushalt steht auch dahinter nun ein großes Fragezeichen.

„Der Aktionsplan bleibt ohne Finanzierung ein Papiertiger“, sagt die queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kathrin Vogler, BuzzFeed News Deutschland. Ähnliches befürchtet auch der LSVD+, Henny Engels aus dem Bundesvorstand bekräftigte: „Im Rahmen der Wahlprogramme der Parteien und der Neuwahlen müssen die entstandenen Empfehlungen und Handlungspläne jetzt langfristig abgesichert werden.“ Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, betonte Mitte November, dass es „unehrlich und falsch“ wäre, nach dem Scheitern der Ampel noch „Versprechungen oder Prognosen“ abzugeben.

„Aufbruchstimmung ist verflogen“: Queere Community blickt nüchtern auf 2025

Die Ampel-Regierung kann die Einführung des bis heute umstrittenen Selbstbestimmungsgesetzes, die Abschaffung der Diskriminierung bei der Blutspende für homosexuelle Männer und die Änderung im Strafgesetzbuch zur besseren Ahndung von Hasskriminalität gegen queere Menschen für sich verbuchen. Vogler zieht ein eher düsteres Fazit: „Die Community hat jetzt viele Enttäuschungen zu verarbeiten. Nach der Bundestagswahl müssen wir uns wieder auf eine Phase harter Abwehrkämpfe einstellen. CDU, CSU, AfD und BSW werden versuchen, die hart erkämpften Rechte der queeren Community wieder zurückzudrehen.“

Die Befürchtungen sind nicht ganz unrealistisch: Intern sollen bei den Unionsparteien schon Listen rumgehen, welche Ampel-Gesetze man ändern oder rückabwickeln wollen würde – darunter auch das Selbstbestimmungsgesetz, das manche Frauenvereine wie auch einige schwul-lesbische Verbände sehr kritisch sehen. Der schwule Verein Just Gay hofft ab Februar 2025 auf einen Neubeginn. Gründer Florian Greller sagt BuzzFeed News: „Wir hoffen, dass in einer neuen Regierung auch schwule und lesbische Bedürfnisse gleichberechtigt angesprochen werden können. Wir wünschen uns eine Rückkehr zu sachlichen Diskussionen.“

Und wie blickt die queere Community angesichts der aktuellen Entwicklungen auf das neue Jahr? „Ich erlebe jetzt in der Community viel Ernüchterung, die Aufbruchsstimmung von 2021 ist verflogen“, sagt Miro. Das neue Jahr bringt viel Ungewissheit, dabei bleibt es wichtig, dass queere Menschen sich für die eigenen Rechte einsetzen, gerade auch angesichts massiv steigender Fälle von Hasskriminalität gegenüber LGBTQIA+-Menschen. Abschließend bringt es Vogler vielleicht am besten auf den Punkt: „Wegducken gilt nicht!“

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