Finanzierung der Altersvorsorge

„Weit und breit nicht erkennbar“: Verblüffende Studie entkräftet Rentenkrise

  • VonMax Schäfer
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Ist die Altersversorgung gewährleistet? Eine Studie belegt, dass die Geldmittel seit längerem konstant sind. Allerdings hat diese Konstanz auch ihren Preis.

Duisburg – Die gesetzliche Rente steht unter Druck. Grund ist die Alterung der Gesellschaft. Sie führt dazu, dass immer weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte die Alterssicherung von immer mehr Rentnern finanzieren müssen. Soweit die Prämisse in der politischen und ökonomischen Debatte rund um die Altersvorsorge in Deutschland. Die Finanzierung der gesetzlichen Säule sei gefährdet.

Finanzierung der Rente doch stabil: Forscher zeigen Entwicklung

Doch diese Prämisse zur gesetzlichen Rente soll nun wackeln. Denn laut einer Veröffentlichung des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen zur Entwicklung der Rentenbeiträge und des Kostenanteils der gesetzlichen Rentenversicherung an der deutschen Wirtschaftsleistung kommt nun zum Schluss: „Eine Krise der Finanzierung des gesetzlichen Alterssicherungssystems ist angesichts der hohen Kontinuität dieser zentralen Kenngrößen also weit und breit nicht erkennbar.“

Die Ökonomen verweisen dabei auf die Beitragssätze der gesetzlichen Rente. Derzeit liegt dieser bei 18,6 Prozent. Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich den Satz jeweils zur Hälfte. Wie das IAQ erklärt, habe sich der Satz zwischen 1990, als es mit 18,7 Prozent etwa auf dem derzeitigen Niveau war, und 2011 (19,9 Prozent) mehrfach Schwankungen gegeben. Doch diese seien „insgesamt nicht stark ausgeprägt gewesen“. Lediglich zwischen 1997 und 1998 sei die Schwelle von 20 Prozent überschritten gewesen.

Sicherung der Rente nicht allein auf Demografie reduzieren – auch Anzahl der Beschäftigten betrachten

Insgesamt seien die Ausgaben für die gesetzliche Rente im Vergleich zur Wirtschaftsleistung „über die Jahre weitgehend konstant“ geblieben. 1990 lag der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 8,4 Prozent. Der Höchststand von 10,8 Prozent war 2003 erreicht worden. Von 2020 ist er von 10,1 Prozent – was die IAQ-Fachleute auf den BIP-Einbruch von 3,4 Prozent zurückführen – auf 9,2 Prozent 2024 gefallen.

Die Finanzierung der gesetzlichen Rente ist seit Jahren ein heiß diskutiertes Thema. (Symbolfoto)

Die IAQ-Experten kritisieren die laufende Diskussion um die Finanzen und die Sicherung der Rente zudem als verkürzt. Es seien nicht allein die demografischen Daten wie die Zahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und im Rentenalter, die die Finanzen der umlagebasierten Rentenversicherung bestimmen. Auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei für die „günstige Entwicklung“ des Beitragssatzes verantwortlich. So seit die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in die Rente einzahlen und die Einnahmeseite stärken, seit 2005 gestiegen.

Finanzielle Stabilität der Rente hat Preis – Leistungen reduziert

Diese relative Stabilität der Finanzierung der gesetzlichen Rente hatte jedoch ihrem Preis – auch für den Bundeshaushalt. Seit 1990 sind die Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung gestiegen. Ziel war es einerseits, die Beiträge stabil zu halten. Auch neue, nicht beitragsgedeckte Leistungen der Rentenversicherung wie etwa die Mütterrente sollten dadurch finanziert werden.

Gleichzeitig hatte die Finanzstabilität für Rentner einen Preis, denn die Leistungen sind zurückgegangen worden. Der IAQ-Bericht nennt etwa die Einführung von Abschlägen für einen früheren Rentenbeginn oder die Abschaffung vorzeitiger Renteneintritte. Auch die schrittweise Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre ist ein Aspekt.

Rentenniveau fällt seit Jahren – Stabilisierung bei 48 Prozent unsicher

Zudem kam der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor bei der Fortschreibung der Rentenanpassung hinzu. Dadurch wird bei der Erhöhung das Verhältnis von Arbeitnehmern und Rentnern berücksichtigt. Das Rentenniveau ist damit über die Jahre gesunken – von 55,1 Prozent 1990 auf inzwischen 48 Prozent.

Bis in diesem Jahr ist es auf dieser Marke gesichert. Die SPD will das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisieren, doch die Umsetzung innerhalb der großen Koalition ist offen. Die Maßnahme ist umstritten, weil dadurch der Beitragssatz letztendlich doch steigen würde. Laut Vorausberechnungen der Bundesregierung auf bis zu 22,3 Prozent ab 2035. Dadurch würden junge Generationen zu stark belastet.

Auch jüngere würden von stabilem Rentenniveau profitieren – laut Studie

Laut eine Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung würden jedoch auch alle jungen Menschen überproportional mehr Rente erhalten, als sie als Beiträge gezahlt haben. Die internen Renditen würden bei 3,3 bis 4,1 Prozent liegen. Das sei bis zu 0,2 Prozentpunkte mehr als ohne Stabilisierung.

Ohne diesen Schritt würde das Rentenniveau laut einer Vorausberechnung der Bundesregierung von 2017 bis 2036 auf 44,9 Prozent fallen. Eine Standardrente nach 45 Beitragsjahren mit Durchschnittsverdienst würde damit nur 44,9 Prozent des Durchschnittsgehalts aller Erwerbstätigen ergeben. Niedrigere Renten im Vergleich zu Arbeitnehmern wären die Folge.

Rubriklistenbild: © Jan Woitas/dpa

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