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VW und die Alarmstimmung: „Löhne und Jammern in Deutschland auf einem hohen Niveau“
VonPatrick Freiwah
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Volkswagen ist in eine Krise gestolpert, die Arbeitskosten müssen verringert werden. Eine Autoexpertin und frühere VW-Mitarbeiterin analysiert die Krise.
Wolfsburg/München – Deutschlands Autoindustrie erlebte schon bessere Tage. Die Entwicklung der vergangenen Jahre lässt die Gewinne von VW, Mercedes-Benz und BMW rapide schrumpfen. Insbesondere die Wolfsburger Kernmarke leidet unter einer schwachen Rendite.
Ein Hauptgrund der Gewinneinbußen sind hohe Produktionskosten, die Volkswagen besonders in Deutschland belasten. Im Zuge der Tarifverhandlungen 2024 sieht der Hersteller Einbußen bei der Belegschaft als unausweichlich, um weiterhin im Konzert der Großen mitzuspielen.
VW-Krise wegen schwindender Rendite – Produktionskosten sollen runter
Im Zuge des deutlichen Gewinnrückgangs im dritten Quartal 2024 fordert die VW-Geschäftsführung die Mitarbeiter zur finanziellen Beteiligung auf, um die wirtschaftliche Lage abzumildern.
Die Rede ist von einer Gehaltsreduktion von zehn Prozent bei den VW-Mitarbeitern sowie der Verzicht auf diverse Extra-Zahlungen, also Boni und Prämien. Die IG Metall nennt das „inakzeptabel“, wollte sie doch ursprünglich eine Lohnerhöhung bis zu sieben Prozent herausschlagen.
Automobil-Expertin Beatrix Keim, die früher selbst für Volkswagen arbeitete, erläuterte in einem interessanten ZDF-Interview die Hintergründe der VW-Krise.
Volkswagen schrumpft der Gewinn aufgrund mehrerer Ursachen
Dabei gehe es dem Konzern hauptsächlich darum, die hohen Produktionskosten in Deutschland zu senken. Auch die Entwicklungen angesichts der Corona-Krise sowie des Ukraine-Kriegs haben einen gewichtigen Anteil: Fragile Lieferketten und gestiegene Energiekosten haben die finanziellen Aufwendungen massiv erhöht, „insbesondere in den letzten zwei Jahren“.
Managementfehler der Führungsebene sieht Keim nur bedingt: „VW wollte viele Modelle mit sehr vielen Ausstattungsvarianten und noch mehr Optionen anbieten“, diese Flexibilität habe viel Geld gekostet. In einem ORF-Interview erklärte sie zudem, dass VW auch in China „nicht geschlafen“ habe, lediglich zögerlich agiert und nun sieht sich Deutschlands größter Autobauer einer erstarkten Konkurrenz gegenüber.
VW in Deutschland: Löhne auf einem hohen Niveau, auch das Jammern
Dazu kämen die Digitalisierung sowie enorm hohe Arbeitskosten im Vergleich zu anderen Ländern, die ebenfalls Volkswagen-Modelle fertigen. „Weltweit beschäftigt VW weit über 600.000 Menschen, allein in Deutschland sind das über 100.000 und das Lohnniveau ist hier sehr hoch.“
Nichtsdestotrotz mache sich die Inflation auch an VW-Standorten wie Wolfsburg, Braunschweig oder Emden bemerkbar, so Keim: Die Familien der Belegschaft müssten täglich mehr bezahlen, seien aber auch einen gewissen Standard gewöhnt. Ein „Jammern auf hohem Niveau“ bezeichnet sie indes Klagen über mögliche Lohnsenkungen der VW-Beschäftigten.
Die selbst jahrelang bei VW tätige Expertin hält es für gerechtfertigt, dass auch die Mitarbeitenden ihren Beitrag dazu leisten, damit dem Hersteller wieder mehr Geld bleibt. Es müsse beim Einkommen mal „zu einer Mäßigung kommen“, findet die 57-Jährige.
Volkswagen: Personaleinsparungen zusammen mit politischen Maßnahmen?
Die Direktorin des Duisburger Center Automotive Research (CAR) schlägt dahingehend vor, an den Urlaubsanspruch der VW-Beschäftigten ranzugehen, statt an den Geldbeutel. Für Volkswagen bedeute es „bares Geld“, wenn zum Beispiel die Urlaubstage von 30 auf 28 Urlaubstage schrumpfen.
Gleichwohl hält Beatrix Keim politische Maßnahmen für sinnvoll, um dem E-Auto-Absatz auf die Sprünge zu helfen: Einerseits schlägt sie im ZDF die Senkung der Energiekosten für Industrie und Wirtschaft vor, darüber hinaus plädiert sie für die Wiedereinführung einer zeitlich befristeten Umweltprämie.
Von der Bildfläche verschwunden: Zehn große Automarken, die es nicht mehr gibt
Werksschließungen bei VW hält die Wirtschaftsexpertin für unrealistisch: „Man versucht, das Ganze in anderen Möglichkeiten, wie Stellenabbau oder der Reduzierung von Zulieferern zu machen.“
Volkswagen leidet unter hohen Arbeitskosten in der Heimat
Kürzlich erklärte VW-Konzernchef Oliver Blume, er sehe keine Alternative zu harten Sparmaßnahmen. „Das Ziel für Kosten- und Kapazitätsanpassung steht“, wird der CEO in Bild am Sonntag zitiert. Der Weg dorthin sei zwar „flexibel gestaltbar“, die Kosten in Deutschland müssten jedoch massiv runter.
Der gesamte Konzern sei in der Heimat schlichtweg zu teuer. „Unser Arbeitskostenniveau ist beispielsweise hier oftmals mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt unserer europäischen Standorte“, lässt der 56-Jährige wissen. (PF)