Ukraine-Krieg

Russische Munition aus westlichen Maschinen – Hintermänner helfen Putin die Sanktionen zu umgehen

  • Lars-Eric Nievelstein
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Moskau sucht immer neue Taktiken, um westliche Sanktionen zu umgehen. Dabei hilft unter anderem die Türkei. So erhält Russland wertvolle Technologie.

Moskau – Trotz westlicher Sanktionen gelingt es dem Kreml-Diktator Wladimir Putin immer wieder, eigentlich mit einem Verbot versehene Güter zu importieren. Sowohl die EU als auch die von Joe Biden geführten USA suchen daher immer neue Mittel und Wege, um die Handelsbeschränkungen durchzusetzen. Zuletzt hatte die EU sich entschieden, ein neues Sanktionspaket aufzulegen. Allerdings kommt es für den Erfolg der Sanktionen oft auf Drittstaaten an.

Trotz Sanktionen – Westliche Werkzeugmaschinen stützen Russlands Angriffskrieg

Eine aktuelle Untersuchung der US-amerikanischen Denkfabrik C4ADS hat offengelegt, dass Russland über einige Drittstaaten wichtige CNC-Maschinen bezieht. Dabei handelt es sich um Werkzeugmaschinen, die in der Lage sind, mittels Steuerungstechnik mit hoher Präzision Werkstücke herzustellen – automatisch und auch für komplexe Formen. Für Russland sind diese vor allem wegen ihres Nutzens in der Verteidigungsindustrie eine wichtige Technologie, denn sie beeinflusst direkt die Möglichkeiten des Kremls, den Ukraine-Krieg weiterzuführen. Unter anderem kommen CNC-Maschinen beim Bau von Präzisions-Munition und Flugzeugteilen zum Einsatz.

Wladimir Putin in Vietnam (Symbolfoto). Moskau sucht immer neue Taktiken, um westliche Sanktionen zu umgehen. Dabei hilft unter anderem die Türkei. So erhält Russland wertvolle Technologie.

Die westlichen Industriestaaten setzen derzeit große Hoffnungen in die eingesetzten Sanktionen. Teils betreffen sie wichtige Wirtschaftszweige, darunter Russlands Erdölgeschäft, teils greifen sie direkt das Vermögen der russischen Banken und Oligarchen an. Das große Ziel dahinter ist es, Russlands Kriegsfähigkeit zu schmälern und dadurch das Überleben der ukrainischen Demokratie zu sichern. Wie die Denkfabrik C4ADS berichtet, ist Russlands Verteidigungsindustrie schwer von ausländischer Technologie abhängig – dem Westen ist daher sehr daran gelegen, die Sanktionen durchzusetzen.

So umgeht Russland westliche Sanktionen – Drittstaaten helfen mit

Dabei stellt sich die Frage: Welche Länder sind dafür verantwortlich, dass Russland noch immer an diese wichtige Technologie herankommt? Laut dem Analysten Al Maggard gehören zum Beispiel China und Hongkong, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate zu den wichtigsten „Vermittler“-Länder. Diese Drittländer seien in einer einzigartigen Position – sie können Schwachstellen in den Lieferketten ausnutzen und russische Kunden mit Produkten beliefern, die vorher von Wiederverkäufern im Ausland stammten.

Laut Business Insider sollen diese CNC-Werkzeugmaschinen, da gebraucht, nicht so effizient sein wie die neuesten Modelle, aber für Russlands Bedarfe reiche das aus. Ein weiteres Ergebnis: Die Denkfabrik teilt Russlands Bemühungen, die westlichen Sanktionen bei CNC-Maschinen zu umgehen, grob in zwei hauptsächliche Taktiken ein.

  1. Russische Tochtergesellschaften von ausländischen Werkzeugmaschinenherstellern greifen auf Produkte zurück, die ihre Muttergesellschaften hergestellt hatten, nachdem sie (angeblich) bereits den Rückzug vom russischen Markt antraten
  2. Russische Werkzeugmaschinenhändler, die nicht im Besitz ausländischer Werkzeugmaschinenhersteller sind, importieren neue und gebrauchte Maschinen und Teile

Kriegsnebenschauplatz Sanktionspolitik – Auch bei Diamanten und Öl kennt Putin Tricks

Im Laufe der vergangenen Monate sind weitere Taktiken Russlands ins Visier der westlichen Staaten gerückt, die andere Wirtschaftszweige betreffen. So hatte Wladimir Putin beispielsweise in Reaktion auf den Ölpreisdeckel mittels einer Schattenflotte Öl verkauft. Dieses gelangte dann über Staaten wie China in den Westen. So hatte Xi Jinping zwar einen sehr vorteilhaften Preis heraushandeln können, außerdem mussten die Russen mehr für den Transport zahlen. Aber losgeworden ist Putin das Öl dennoch.

Ein anderes Beispiel ist der Diamanthandel. Die Vereinigten Staaten hatten russische Diamanten schon vor längerer Zeit mit Sanktionen belegt, diese dürfen eigentlich nicht mehr von Russland aus in den Westen transportiert werden. Russland hatte dieses Problem umgangen, in dem Unternehmen wie der russische Diamanten-Gigant Alrosa noch unbearbeitete Steine in kooperative Länder wie Indien geschickt hatte. Dort hatte dann ein Schliff stattgefunden und die Diamanten waren in gemischten Beuteln weiter in den Westen gelangt. Weil es in Indien Praxis ist, Edelsteine mehrerer Herkunftsländer in Mischbeuteln zusammenzufassen, ist es nur schwer zu prüfen, ob tatsächlich keine russischen Diamanten mit im Beutel liegen. Die EU hatte am Ende einfach Alrosa selbst sanktioniert.

Wirkung der Sanktionen – Braucht Putin den „ständigen Krieg“?

Trotz aller Tricks sehen immer mehr Experten die Risse in Russlands Wirtschaft aufklaffen. Aktuell steht eine Steuererhöhung in Russland bevor – für Ökonomen ein klares Zeichen dafür, dass der Kreml Geld braucht. „Die russische Wirtschaft boomt im Moment aufgrund einer Kombination von Faktoren wie Staatsausgaben, Kreditimpulsen und Sanktionen“, sagte die Expertin Alexandra Prokopenko gegenüber dem Spiegel. Prokopenko war bereits Beraterin an der russischen Zentralbank.

Das große Problem für Putin sind spätestens die Grenzen des militärisch-industriellen Komplexes als Motor des Wachstums. Dieser habe seine Grenzen. „Man benötigt eine stetige Quelle der Nachfrage für diese Art von Produkten“, erklärte die Ökonomin. Entweder brauche der Kreml einen „ständigen Krieg“ oder ein gutes Exportportfolio für Rüstungsgüter. Der Sanktionsexperte Robin Brooks vom Brookings Institute in Washington bemängelt dagegen, dass der Westen sich so viel Zeit gelassen habe. Mit stärkeren Sanktionen wäre der Krieg bereits vorbei.

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