Nach Ärztestreiks

Grenzenlose Bezahlung für Hausärzte – Lauterbach sieht keine Mehrbelastung für Versicherte

  • Lars-Eric Nievelstein
    VonLars-Eric Nievelstein
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Die Ärzte klagen über immer höheren Druck – auch finanziell. Gesundheitsminister Lauterbach will nun die Obergrenze für die Bezahlung von Hausärzten abschaffen.

Berlin – Hausärztinnen und Hausärzte sollen nach Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mehr finanzielle Freiräume erhalten. Die Ziele dahinter sind verkürzte Wartezeiten und eine Verringerung von Engpässen in der Behandlung. Die Budgets mit Obergrenzen bei der Vergütung durch die Kassen sollen entfallen. Das würde dazu führen, dass die Krankenkassen alle in den Praxen erbrachten Leistungen bezahlen.

Ausgaben der Krankenkassen für ambulante Leistungen (2022)46,1 Milliarden Euro
Projiziertes Defizit bei den Krankenkassen im Jahr 20243,2 Milliarden Euro
So viele Praxen müssen 4 Stunden und mehr pro Tag in Bürokratie investieren32 Prozent

Budget-Grenze für Hausärzte soll fallen – Fachärzte sind bislang ausgenommen

Durch die geplante Reform für die Arztpraxen soll außerdem der bürokratische Aufwand sinken, den Arztpraxen derzeit haben. Neben der Aufhebung der Budget-Grenze für die Leistungen von Hausärzten sind eine jährliche Versorgungspauschale für chronisch Kranke sowie eine zusätzliche Pauschale für Hausarztpraxen mit vielen Patienten und Hausarztbesuchen vorgesehen. Mit diesem Schritt sollen jetzt die Hausärzte da hinkommen, wo Kinderärzte bereits sind – wenn die Obergrenzen bei der Vergütung durch die Kassen fallen, gibt es für alle in den Praxen erbrachen Leistungen die volle Bezahlung.

Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete, soll die Reform keinerlei Auswirkungen auf die Krankenkassenbeiträge haben. „Für diese Maßnahme wird der Beitragssatz nicht steigen. Die Kosten sind nicht so hoch“, sagte der SPD-Politiker dazu gegenüber dem WDR5. Dass der Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen erst zu Jahresbeginn stieg, habe „eine bessere Medizin“ zur Grundlage.

Versicherte dürfen die Kostensteigerungen nicht selbst tragen

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) begrüßt die Maßnahmen. „Die Budgetierung für Hausärztinnen und Hausärzte auf dem Land aufzuheben, ist darum ein gutes Mittel, um dem Versorgungsproblem ausgeschöpfter Budgets am Quartalsende zu begegnen“, erklärte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier auf Anfrage. Der Verband hatte bereits die im Koalitionsvertrag vereinbarten Schritte zur Bekämpfung der Unterversorgung im ambulanten Bereich unterstützt.

Karl Lauterbach will die Bezahlungsgrenze für Hausärzte abschaffen. Eine Mehrbelastung für Versicherte sieht er nicht. Die aktuellen Erhöhungen hätten mit besserer Medizin zu tun.

Gleichzeitig aber warnt Engelmeier vor steigenden Kosten. „Bei aller Sympathie für viele der Forderungen der Hausärztinnen und Hausärzte erinnern wir, hier die Kostenseite zu berücksichtigen. Denn Mehrausgaben sorgen fast immer für eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge.“ Dieser „Automatismus“, dass Versicherte am Ende stets die Kostensteigerungen selbst tragen müssten, müsse „endlich durchbrochen“ werden.

Homöopathische Mittel sollen keine Kassenleistung mehr sein – „Unnötige Ausgaben vermeiden“

Aktuell macht die ambulant ärztliche Versorgung einen der größten Kostenpunkte in der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Laut dem Verband der Ersatzkassen (VDEK) gaben die Krankenkassen im Jahr 2022 rund 46,1 Milliarden Euro für die ambulant ärztliche Versorgung aus – und das noch ohne Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel. Das entspräche einem Anteil von 16,0 Prozent an den Gesamtausgaben.

Die Krankenkassen rechnen im laufenden Jahr mit einem Defizit von 3,2 Milliarden Euro. Auf Finanzspritzen vom Bund können sie dieses Jahr nicht hoffen – die Bundesrepublik tut ihr Bestes, um die Schuldenbremse einzuhalten. Also müssen andere Lösungen her, um Geld einzusparen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach setzt hier bei den homöopathischen Mitteln an. Diese sollen künftig nicht mehr als Kassenleistung gelten.

Bürokratie lähmt Ärzte

Für Fachärzte gilt der Budget-Deckel nach wie vor. Die Situation sei für sie besser als für Hausärzte. „Da sind wir, Gott sei Dank, noch relativ gut ausgestattet“, sagte Lauterbach dazu. Allerdings sei auch hier eine Entbürokratisierung notwendig, und auch der Arzneimittelregress ist noch ein Thema für die Gesetzgebung.

Einem Bericht der Wirtschaftswoche zufolge ist gerade die Bürokratie für viele Arztpraxen ein Problemfeld. „Es kann nicht sein, dass Krankenkassen bei irgendwelchen Nichtigkeiten von 20 Euro hinterfragen, ob dieses oder jenes Medikament notwendig war“, zitiert sie Susanne Johna, Vorsitzende beim Marburger Bund. Einer Berechnung des Marburger Bunds zufolge könnte schon eine Halbierung des administrativen Aufwands für angestellte Ärzte ein Vollzeitäquivalent von 32.000 Ärzten freimachen. Fast ein Drittel aller Ärzte brauche vier Stunden und mehr für Administration.

Im neuen Jahr sind außerdem weitere Ärztestreiks geplant. Unter anderem setzen sich die Streikenden für weniger Bürokratie und eine bessere Bezahlung ein.

Rubriklistenbild: © IMAGO / Chris Emil Janßen

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