Mieten steigen, Politiker schweigen

Steigende Mieten gefährden Wohlstand – doch vor der Wahl wurde es kaum beachtet

  • VonMax Schäfer
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Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist groß, doch im Vorfeld der Bundestagswahl wurde dieses Thema kaum diskutiert. Hohe Mieten könnten jedoch unseren Wohlstand erheblich einschränken.

Berlin – „Die Wohnungsbauzahlen zeigen, dass die Politik die Dringlichkeit des Themas nicht erkannt hat“, erklärte Thomas Reimann, Präsident des hessischen Baugewerbes, IPPEN.MEDIA vor der Bundestagswahl. Tatsächlich sind statt der von der früheren Ampel-Koalition anvisierten 400.000 Wohnungen 2023 beispielsweise etwa 295.000 fertiggestellt worden, wie das Statistische Bundesamt erklärte. „Diese Versäumnisse kosten uns nicht nur Zeit, sondern auch wertvolle Ressourcen, die wir für den Bau von neuem, dringend benötigtem Wohnraum aufwenden müssen“, so Reimann.

Steigende Mieten sind vor der Bundestagswahl kein Thema – dabei ist der Bedarf riesig

Der Bedarf an Wohnungen ist dagegen groß. 550.000 beträgt die Wohnungslücke in Deutschland, wie aus einer Analyse des Pestel-Instituts im Auftrag des Bündnisses Soziales Wohnen hervorgeht. Besonders bezahlbarer Wohnraum fehlt. So ist etwa der Bestand an Sozialwohnungen von 2007 bis 2023 von rund zwei Millionen auf noch eine Million gesunken. Neu gebaut werden dagegen weniger klassische Mietwohnungen – lediglich ein Drittel der 2022 gebauten Wohnungen falle darunter, erklärt der Mieterbund. Nur ein Zehntel seien Sozialwohnungen.

Die Konsequenz des Mangels: Die Mieten steigen. In den letzten zehn Jahren gab es – je nach Stadt – eine Verdopplung. Ein immer größerer Teil des Einkommens fließt damit ins Wohnen. 3,1 Millionen Haushalte geben laut dem Mieterbund mehr als 40 Prozent für Kaltmiete und Heizkosten aus. Bei 4,1 Millionen sind es zwischen 30 und 40 Prozent des Einkommens.

Bezahlbare Mieten werden immer mehr zur sozialen Frage – doch Politik lässt Thema vor der Wahl aus

„Wohnen entwickelt sich mehr und mehr zum Armutstreiber“, warnte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, im Dezember 2024. Laut einer Studie ist ein Fünftel der Bevölkerung von Wohnarmut betroffen. Besonders hoch ist das Problem bei Menschen ab einem Alter von 65 Jahren, bei jungen Erwachsenen (bis 25 Jahre), Alleinlebenden und Alleinerziehenden.

Wohnung gesucht: Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum steigt, genau wie die Mieten. Doch vor der Bundestagswahl war das kaum ein Thema der etablierten Parteien. (Montage)

Währenddessen droht die Mietpreisbremse bis Ende 2025 auszulaufen. Sie soll dafür sorgen, dass die Miete bei Abschluss eines neuen Mietvertrags nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Eine politische Einigung auf eine Verlängerung bis 2029 ist – trotz entsprechenden Signalen aus der Union – gab es nicht mehr. Das Thema Migration und Friedrich Merz‘ Antrag, der mit den Stimmen der AfD beschlossen wurde, hatten das Thema verdrängt. Die Mietpreisbremse fand sich nicht einmal mehr auf der Tagesordnung.

Politik spricht über Migration, aber nicht über bezahlbares Wohnen

Migration ist im Wahlkampf das bestimmende Thema. Obwohl Kanzler und SPD-Kandidat Olaf Scholz 2021 noch von der „größten sozialen Frage unserer Zeit“ gesprochen hatte, findet das Thema Wohnen kaum statt. „Das Thema Mieten und Wohnen spielt im Wahlkampf aber bisher eine völlig untergeordnete Rolle“, kritisierte Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten.

Auch wenn kaum darüber gesprochen wird, finden sich zumindest in den Wahlprogrammen Forderungen zum Thema Wohnen. So wollen etwa CDU und CSU mehr Bauland ausweisen und Bürokratie abbauen. Auch die FDP setzt auf „vereinfachte Genehmigungsverfahren“ – zudem auf die Ausweitung von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten im Wohnungsbau. Die Liberalen wollen die Mietpreisbremse nicht verlängern, bei der Union findet sich dagegen keine konkrete Angabe dazu. Jedoch gehören für die Konservativen auch „Regeln zur Miethöhe“ zu einem „wirksamen und angemessenen Mieterschutz“.

Wohnen fast nur in Programmen Thema: SPD setzt auf Mietpreisbremse, Grüne auf sozialen Wohnungsbau

Die SPD will die Mietpreisbremse dagegen unbefristet weiterlaufen lassen. Zweckentfremdung und Leerstand soll unterbunden werden, zudem fordern die Sozialdemokraten mehr Transparenz bei Bestandsmieten. Die Grünen wollen die Umwandlung leerstehender Büros in Wohnraum erleichtern, sozialen Wohnungsbau stärken und Wohnungsgenossenschaften mit verbilligten Krediten fördern. Beim Thema Eigentum will die Partei um Kanzlerkandidat Robert Habeck Käufer bei Notarkosten und Maklergebühren entlasten.

Bei der Wohnungs- und Mietenpolitik der AfD findet sich wieder das Thema Migration. Die Rechtsaußen werben mit dem Slogan „Deutschland hat Eigenbedarf“ und setzen auf Abschiebungen. Ansonsten ist die AfD auch dabei eine Partei des Eigentums. Einen Mietendeckel lehnt sie ab, stattdessen soll es keine Grunderwerbsteuer mehr geben – zumindest für Deutsche. Für Ausländer soll sie auf 20 Prozent steigen. Die Kompetenz liegt dabei jedoch bei den Ländern, nicht beim Bund.

Linke sehen Wohnen und Mieten als Kernthema – und haben Erfolg?

Wirklich prominent finden sich erhöhte Mieten im Wahlkampf der Linken. Die Partei von Spitzenkandidaten Heidi Reichinnek und Jan van Aken fordert einen bundesweiten Mietendeckel, will Mieterhöhungen in den nächsten sechs Jahren ausschließen und den Antrag auf Wohngeld vereinfachen. Vor der Bundestagswahl haben die Linken zudem eine „Mietwucher-App“ gestartet, wo Menschen prüfen können, ob sie zu viel Miete zahlen. Die Partei berichtete dadurch von 50.000 Fällen von überhöhter Miete.

In Umfragen haben sich die Linken deutlich verbessert – von noch etwa drei Prozent im Dezember auf bis zu neun Prozent. Laut Beobachtern liegt das auch an der Konzentration auf Kernthemen – wie etwa die Mieten. Ein Thema, das viele betrifft, aber sonst unter dem Radar bleibt.

Rubriklistenbild: © Oliver Berg/Robert Michael/dpa

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