Wohngskrise
Top-Ökonom warnt vor Wohnungsmangel: „Schränkt Lebensqualität massiv ein“
- VonMax Schäferschließen
Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist eine Bedrohung für die politische Stabilität. Davor warnt ein Experte. Doch wie lässt sich das Problem lösen?
Würzburg – Bezahlbarer Wohnraum – gerade in Städten – ist knapp. Wer eine Wohnung sucht, muss sich gegen eine Vielzahl von weiteren Bewerbern durchsetzen. Hohe Mieten belasten schließlich die Geldbeutel. Und auch der Kauf von Eigentumswohnungen ist zum Luxus geworden. Die Lösung scheint klar: Es braucht mehr Wohnungen. Doch daran hapert es. Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen und die Krise im Wohnungsbau hat Folgen für die Demokratie, warnt nun Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger.
„Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum bedroht die politische Stabilität“, warnte der Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Würzburg gegenüber der Wirtschaftswoche. „Wenn die Menschen keine bezahlbaren Wohnungen mehr bekommen, schränkt das die Lebensqualität massiv ein.“
Wohnungsmangel und Bedarf für Geflüchtete: Bofinger warnt vor Unzufriedenheit
Bofinger verknüpft den Wohnungsmangel dabei auch mit weiteren politischen Debatten. Das gehe damit einher, dass zusätzlicher Wohnraum für Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern bereitgestellt werden muss. „Es führt zu Unzufriedenheit, wenn die Menschen das Gefühl bekommen: für ‚Ausländer‘ wird etwas getan und für ‚uns‘ nicht“, sagte Bofinger.
In deutschen Großstädten fehlen nach Einschätzung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung etwa 1,9 Millionen günstige Wohnungen. Am stärksten seien alleinlebende Menschen mit geringen Einkommen betroffen. Zudem fehlen laut Bündnis „Soziales Wohnen“ mehr als 900.000 Sozialwohnungen. Das Bündnis geht von einem Bedarf zwei Millionen Wohnungen bis 2030 aus.
Früherer Wirtschaftsweise Bofinger fordert Rettungsprogramm für den sozialen Wohnungsbau
Der frühere „Wirtschaftsweise“ Peter Bofinger fordert in der Wirtschaftswoche deshalb ein Rettungsprogramm, „das den Einbruch der Bautätigkeit“ stoppt. Bofinger sieht hohe Zinsen als größtes Problem neben den Baukosten, da sie die Rentabilität von Bauinvestitionen beeinträchtigen. Daher seien Zinssubventionen ein wichtiges Instrument. Konkret schlägt er KfW-Kredite mit einem Prozent Zinsen für Sozialwohnungen vor.
Weitere Schritte des Rettungsprogrammes sei die Verringerung der Mehrwertsteuer auf Bauleistungen für den sozialen Wohnungsbau von 19 auf sieben Prozent sowie bessere Abschreibungsmöglichkeiten für den frei finanzierten Wohnungsbau. Derzeit sind im Wachstumschancengesetz fünf Prozent vorgesehen, laut Bofinger seien jedoch höhere Sätze nötig.
Bofinger bezieht sich bei den Kosten des Rettungsprogrammes auf Schätzungen des Bündnisses „Soziales Wohnen“. Das geht demnach davon aus, dass das Paket in den Jahren 2024 und 2025 13 Milliarden Euro zusätzlich koste. Bofinger kritisiert dabei Bundesbauministerin Klara Geywitz. Die Summe von 45 Milliarden Euro bis 2027 sei aufgeblasen. Die Berechnungen ergeben sich aus den 18 Milliarden vom Bund für den Wohnungsbau, sowie der Annahme, dass die Länder das 1,5-fache dazugeben.
„Entspannt den Markt“: Bofinger sieht Rettungsprogramm als Lösung – Wirkung auf Mieten aber unklar
Das Programm würde für eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt sorgen, ist Bofinger überzeugt. „Je größer das Angebot an Sozialwohnungen und anderen Wohnungen ist, desto eher entspannt sich der Markt“, sagte er der Wirtschaftswoche. „Ob die Mietpreise damit aber tatsächlich sinken, das weiß ich nicht. Man kann aber zumindest den Anstieg bei Mieten bei Neuvermietungen verringern.“
Trotz des von der Ampel-Koalition im Koalitionsvertrag beabsichtigten Ziel von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr, ist dabei jedoch keine Minderung in Sicht. 2023 kamen laut Bundesbauministerium lediglich 269.000 neue Wohnungen hinzu, 2024 sollen es 265.000 sein. Bauverbände gehen gar von lediglich 235.000 neuen Wohnungen aus. Laut Bofinger ist 2025 sogar ein Rückgang auf 150.000 Fertigstellungen zu erwarten.
Rubriklistenbild: © Sebastian Gollnow/dpa
