„Weitreichende negative Konsequenzen“

Gaspreise steigen massiv – EU diskutiert angeblich die Rückkehr des Gaspreisdeckels

  • Lars-Eric Nievelstein
    VonLars-Eric Nievelstein
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Die Gaspreise erleben derzeit einen enormen Anstieg. In Brüssel ist die EU-Kommission auf der Suche nach Lösungen für diese Herausforderung. Die Industrie äußert Bedenken gegenüber einer bestimmten Maßnahme.

Brüssel – Die Speicherstände der europäischen Gasspeicher sinken. Unter anderem befeuern niedrige Temperaturen und das Ausbleiben von Lieferungen durch die Ukraine die Entwicklung. Mehrere europäische Länder suchen nach Verkäufern für Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG), wegen der niedrigeren Füllstände müssen sie für den Winter 2025 mehr Gas einkaufen als in den Vorjahren. In Brüssel sucht man derweil nach einer Lösung für die steigenden Preise.

Ein Gaspreisdeckel für Europa – angeblich bespricht die EU entscheidende Maßnahme

Derzeit sollen in Brüssel Gespräche über den „Clean Industrial Deal“ laufen, im März soll dazu ein entsprechendes Dokument erscheinen. Im Kern des Papiers soll der Umgang der EU mit aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen stehen, unter anderem die aggressiven Handelspraktiken des US-Präsidenten Donald Trump oder die Energiewende. Eine Facette dieser Gespräche: Offenbar erwägt die Europäische Union einen Preisdeckel für Gaspreise auf dem Kontinent.

Ursula von der Leyen in Paris (Symbolfoto). Die Gaspreise steigen derzeit massiv. In Brüssel sucht die EU-Kommission nach Lösungen für das Problem. Die Industrie warnt vor einer Maßnahme.

Die Erdgaspreise hatten, verglichen mit denen innerhalb der USA, zuletzt Rekordhöhen erreicht: Vorher waren sie nur 2022 so hoch gewesen. Zum Teil liegt das an den niedrigen Temperaturen und an einem Mangel an Wind, was die Energieproduktion aus den erneuerbaren Energien beeinträchtigt hat. Laut der Financial Times kostet Erdgas in Europa drei- bis viermal so viel wie in den USA, was europäischen Konzernen beträchtliche Nachteile einbringt.

Kritik an Gaspreisdeckel – Industrie fürchtet Vertrauensverlust

Obwohl diese Gespräche sich noch in einer frühen Phase befinden, soll sich bereits jetzt Kritik aus der Industrie anhäufen. Diese warnt vor einem Vertrauensschaden in den euroäischen Markt. Elf Gruppen, darunter die Energiebörsen-Organisation Europex und die Lobbygruppe für Finanzmärkte AFME, haben laut der Financial Times einen Brief an die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschickt und eine deutliche Warnung ausgesprochen. „Wir glauben, dass diese Maßnahme, sollte sie angekündigt werden, weitreichende negative Konsequenzen für die Stabilität der europäischen Energiemärkte und die Versorgungssicherheit auf dem Kontinent haben könnte“, hieß es darin.

Die Title Transfer Facility, ein virtueller Handelspunkt im niederländischen Gasnetz, zeigte zuletzt (12. Februar) einen Gaspreis von 56,28 Euro pro Megawattstunde. Der Gasverbrauch soll noch im Februar um 17 Prozent steigen, getrieben vom Heizbedarf und Gefrierwetter, vor allem im Nordwesten Europas. Die Vorräte stehen unter Druck; Trader blicken außerdem besorgt in Richtung USA, wo neue Zölle die LNG-Preise treiben könnten, und auf die Diskussion um russisches Gas.

Preisdeckel oder Gaspreisbremse? – Deutschland kennt die Maßnahme bereits

Ein solcher Preisdeckel für die Erdgaspreise wäre keine Neuheit. Nachdem der Kreml-Herrscher Wladimir Putin den Ukraine-Krieg begonnen hatte, war der Gaspreis 2022 auf einen Rekordwert geklettert. Im August 2022 kostete die Megawattstunde Erdgas fast 240 Euro (laut TTF). Einige Monate später, am 19. Dezember 2022, hatte die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass die Energieminister der Europäischen Union sich auf einen Preisdeckel geeinigt hätten. Damals hatte die EU den Preisdeckel als Notfallmaßnahme eingesetzt, weil Russland einen Großteil seiner Gaslieferungen nach Europa eingestellt hatte. Der Preisdeckel sollte aktiviert werden, sobald die Preise drei Tage lang oberhalb einer Grenze von 180 Euro pro Megawattstunde blieben.

Dazu kam es am Ende nicht mehr, da die Preise schon im September deutlich abgeflacht waren und Richtung Januar 2023 auf 140 Euro fielen.

Deutschland hatte sich der Maßnahme zunächst gesperrt, später jedoch zugestimmt. Innerhalb der Bundesregierung galten zwischen Herbst 2022 und Winter 2023 verschiedene Energiepreisbremsen, darunter eine für den Gasverbrauch. Private Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 1,5 Millionen Kilowattstunden Gasverbrauch pro Jahr und Vereine zahlten nur noch zwölf Cent pro Kilowattstunde. Für Fernwärme betrug der gedeckelte Preis 9,5 Cent je Kilowattstunde. Die Bundesregierung schrieb dazu, dass dieser gedeckelte Preis für ein Kontingent von 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs galt. Für den restlichen Verbrauch war immer noch der „normale Marktpreis“ angefallen.

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