„Kalte Wetterlage“

Versorgungsengpass und Preisanstieg durch „kalte Wetterlage“: Könnte in der EU das Gas knapp werden?

  • VonTheresa Breitsching
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Die Gasspeicher in der EU leeren sich so schnell wie seit acht Jahren nicht mehr. Könnte ein Versorgungsengpass drohen? Private Gaskunden könnten ebenfalls mit einem starken Preisanstieg konfrontiert werden.

Berlin – In Deutschland ist Erdgas nach wie vor die Hauptenergiequelle, wenn es um die Beheizung von Wohnungen und Einfamilienhäusern geht und deckt rund die Hälfte des Bedarfs ab. Eine Erhöhung des Gaspreises kann daher schnell dazu führen, dass die Kosten massiv in die Höhe klettern. Ein weiteres Problem zeichnet sich jedoch auf EU-Ebene ab: Die Gasspeicher leeren sich so schnell wie seit langem nicht mehr. Kommt es neben einem Preisanstieg auch noch zu einem Versorgungsengpass?

Preisanstieg und Versorgungsengpass: Gaspreise klettern in die Höhe

Die Gaspreise schießen immer weiter in die Höhe, sowohl auf den Terminmärkten als auch für private Verbraucher. Dies betrifft nicht nur die kurzfristigen Handelsmärkte, sondern wirkt sich auch direkt auf die Haushalte aus. Im November erreichte der Gaspreis in Deutschland wieder ein Rekordhoch. Der Kälteeinbruch führte zu einem Anstieg der Erdgaspreise, die Ende November fast 49 EUR pro Megawattstunde (MWh) erreichten – ein Plus von 40 Prozent und damit das höchste Niveau seit über einem Jahr.

Die Gründe für den steilen Preisanstieg sind neben der Witterung auch das Risiko größerer Versorgungsunterbrechungen, berichtet Agrarheute, was sich auch bei den Gaspreisen für Verbraucher widerspiegle. Diese sind zuletzt ebenfalls kräftig angestiegen. Das Vergleichsportal Verivox berichtet am 9.12.2024 von einem Brutto-Preis für Neukunden von 10 Cent pro Kilowattstunde (kWh) brutto. Dabei war der Neukundenpreis für Gas im März dieses Jahres zeitweise sogar unter 6,5 Cent pro kWh gefallen – damit hat sich der Gaspreis um mehr als 40 Prozent verteuert. 

Je kälter es wird, desto mehr wird geheizt – und leeren sich auch die europäischen Gasspeicher schneller als erwartet. Deutschland war im November besonders betroffen, da es mehrere Wochen lang unter einer sogenannten Dunkelflaute litt, die den Gasverbrauch für die Stromerzeugung massiv nach oben getrieben hat. In dieser Zeit konnte kein Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt werden und es wurde sichtbar, dass Deutschland sich auf Zeiten von Dunkelflauten besser vorbereiten muss. Der Chef des Energieversorgers RWE spricht sich sogar für eine Art „Backup“-Plan aus, um die Gasversorgung in Deutschland auch im Winter neben den erneuerbaren Energien sicherzustellen.

Gasspeicher in der EU leeren sich so schnell wie lange nicht mehr

Auch im Dezember rechnen die Marktteilnehmer mit hohen Gaspreisen, die über den Erwartungen des Oktober liegen. Am Terminmarkt für Gas, insbesondere an der European Energy Exchange (EEX), müssen Gasunternehmen und Händler für die kommenden Monate weiterhin mit Preisniveaus von über 48 Euro je MWh rechnen. Dies gilt sowohl für den Dezember als auch für den Zeitraum von Januar bis März – damit liegen die Preise gut 10 Euro höher als ursprünglich prognostiziert.

Grund zur Sorge geben auch die Gasspeicher in der EU, denn Daten von Gas Infrastructure Europe (GIE) belegen, dass die europäischen Gasvorräte so schnell zur Neige gehen wie seit 2016 nicht mehr. Im Zeitraum zwischen 1. Oktober und 2. Dezember 2024 ist überraschend viel mehr Gas verbraucht worden, als in den letzten acht Jahren zuvor. Laut einer Sprecherin der Bundesnetzagentur liege dies an mehreren Faktoren: „Dazu gehört auch eine mögliche sehr kalte Wetterlage, bei der der Gasverbrauch naturgemäß stark ansteigt“, zitiert sie die Berliner Zeitung.

„Die Bundesnetzagentur schätzt die Gefahr einer angespannten Gasversorgung momentan als gering ein“, heißt es, denn der Speicherfüllstand der deutschen Gasspeicher liege derzeit noch bei über 90 Prozent. Da man aus derzeitiger Sicht nicht abschätzen kann, wie sich der Winter in Europa entwickelt, könnte sich die Situation in den Gasspeichern allerdings noch verschärfen. Und das, obwohl die Versorgungslage in Deutschland momentan stabil sei: „Ein sparsamer Gasverbrauch bleibt aber dennoch wichtig.“

Laut Analysten könnten Füllstände der Gasspeicher in der EU weit unter die Hälfte sinken

Der Füllstand der Gasspeicher in der EU lag im November mit etwa 88 Prozent rund zehn Prozentpunkte unter dem Niveau des Vorjahres, berichtet Commerzbank-Analystin Barbara Lambrecht dem Handelsblatt. Dieser Füllstand war im letzten Jahr erst im Dezember erreicht worden. Grund seien ein geringerer Stromertrag aus Windenergie, sowie tiefe Temperaturen. Überhaupt könnten Kälteeinbrüche die Speicherstände dieses Jahr viel schneller sinken lassen, als in den milden Wintern der Vorjahre, mahnt Lambrecht.

Europas Gasvorräte könnten zum Ende des Winters sogar deutlich unter der Hälfte fallen. Der Gasanalyst der Großbank HSBC, Sadnan Ali, prognostiziert, dass Europa die Heizperiode mit einem Speicherstand von nur 42 Prozent abschließen wird. Auch die UBS-Expertin Nayoung Kim rechnet mit einem Füllstand von lediglich etwa 40 Prozent zum Winterende – weit unter dem Niveau von 60 Prozent, das die Speicher zu Beginn des letzten Winters noch hatten. Die Folge: Es könnte zu massiven Preisanstiegen kommen, von denen auch die Verbraucher betroffen wären.

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