Gasliefervertrag läuft aus
Ende von wichtigen Gaslieferungen – So könnte russisches Gas weiterhin Europa erreichen
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
Die Ukraine beabsichtigt, russisches Gas nicht mehr durch ihre Pipelines zu transportieren. Diese Entscheidung verursachte in Europa Besorgnis. Wie sieht die Zukunft aus?
Kiew – Ende 2024 endet ein wichtiger Gasliefervertrag zwischen der Ukraine und Russland. Fünf Jahre lang hatte er dafür gesorgt, dass Russland Gas durch ukrainische Pipelines schicken darf, das am Ende in Europa gelandet war. Jetzt soll damit Schluss sein – wegen der russischen Aggression hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bereits angekündigt, dass es keine Verlängerung geben würde. Einige europäische Länder hatten gegen diese Entscheidung protestiert; Moldau hatte bereits den Notstand ausgerufen. Auch aus Ungarn kamen bereits Warnungen vor einer Energiekrise. Jetzt ging die Slowakei einen entscheidenden Schritt.
Slowakei braucht Putins Gas – Regierungschef reist nach Russland
Am 22. Dezember hatte ein Treffen zwischen dem slowakischen Premierminister Robert Fico und dem Kreml-Chef Wladimir Putin Aufsehen erregt. Fico war extra nach Moskau gereist, um die Zukunft der russischen Gaslieferungen nach Europa zu besprechen. Weitere Gesprächsthemen sollen der Ukraine-Krieg und die Stabilisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern gewesen sein.
Laut dem Nachrichtenportal Kyiv Independent war der Besuch eine direkte Reaktion auf den bevorstehenden Lieferstopp russischen Gases durch ukrainische Gas-Pipelines. Die Slowakei gehört zu denjenigen europäischen Ländern, die es trotz verlängerter Deadline vonseiten der EU nicht geschafft hatten, sich von russischem Gas unabhängig zu machen. Neben der Slowakei sind vor allem Ungarn und Österreich betroffen.
„Putin hat uns bestätigt, dass die Russische Föderation bereit wäre, weiterhin Gas in den Westen und in die Slowakei zu liefern“, zitierte die Tagesschau Fico unter Berufung auf einen Facebook-Post. Allerdings sei das „praktisch unmöglich“, da die Ukraine sich weigere, nach dem 1. Januar 2025 weiteren Export russischen Gases zu erlauben.
Alternative für russisches Gas – Kann Aserbaidschan die Lieferungen ersetzen?
Für die betroffenen Länder stellt sich seit längerer Zeit die Frage: Wenn die Ukraine nicht mehr liefert, woher soll das Gas künftig kommen? Hier stand Aserbaidschan als alternativer Lieferant zur Debatte. Aktuell steht noch kein Deal fest, die Verhandlungen passieren hinter verschlossenen Türen und es ist nicht klar, ob Aserbaidschan schon am 1. Januar als Lieferant bereitsteht. Am 20. Dezember hatte die Nachrichtenagentur Reuters noch berichtet, dass Moskau und Kiew an einem mit Aserbaidschan ausgehandelten Deal gescheitert seien, der darauf abgezielt hatte, weiter russisches Gas über die Ukraine nach Europa zu liefern. Das habe eine Quelle der Energiegesellschaft SOCAR durchgegeben.
Eine Möglichkeit für den Gastransit durch die Ukraine sei eine „Swap“-Vereinbarung. Der aserbaidschanische Staatskonzern SOCAR könnte hierbei mit der Ukraine einen Transitvertrag abschließen, um Gas aus Aserbaidschan anstatt aus Russland durch ukrainische Pipelines zu liefern. Laut der Frankfurter Allgemeine Zeitung hat Aserbaidschan allerdings gar nicht die notwendigen Kapazitäten, um etwa 16 Milliarden Kubikmeter zu ersetzen, die Moskau im Jahr 2024 durch ukrainische Leitungen geliefert hatte.
Darum müsste Aserbaidschan mit Russland bestimmte Gasmengen tauschen. Aserbaidschan würde an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland russisches Gas erhalten, das auf dem Papier dann aus Aserbaidschan stammen würde. Im Gegenzug würde Russland Gas aus Aserbaidschan erhalten, das aktuell aus Aserbaidschan durch Georgien an die Türkei und andere europäische Länder fließt. Diese Gasmengen seien in etwa ähnlich. Eine andere Möglichkeit sei ein einfacher Verkauf: Russland könnte sein Gas an Aserbaidschan verkaufen, ehe es durch die Ukraine fließt, und an der ukrainisch-slowakischen Grenze zurückkaufen.
Ende der Gas-Lieferungen – Russlands Wirtschaft können Milliarden entgehen
Für beide Länder geht es um Milliarden. Laut dem Thinktank Bruegel beliefen sich die Transitgebühren für die Ukraine im Jahr 2022 noch auf 1,2 Milliarden US-Dollar; ein Jahr später waren es noch 0,8 Milliarden US-Dollar – umgerechnet 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Für Russland steht ungleich mehr Geld auf dem Spiel. Sollte die Ukraine tatsächlich kein Gas mehr nach Europa durchlassen, würde Russland jährlich etwa 6,5 Milliarden US-Dollar verlieren. Putin hätte nur eine Chance, um das zu verhindern: Und zwar, indem die Gaslieferungen in andere Gas-Pipelines oder LNG-Terminals fließen.
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