Kein Termin? Geringere Beiträge

„Diskriminierung“ von gesetzlich Versicherten sorgt für Unmut – SPD überrascht mit Vorstoß

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
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Die Krankenkassen wollen das Ende der „Diskriminierung“ von gesetzlich Versicherten. Die SPD präsentiert dazu eine Idee im Wahlprogramm.

Berlin - Die zu lösenden Aufgaben der kommenden Bundesregierung gehen so schnell nicht aus. Im tobenden Wahlkampf überbieten sich die Parteien mit Ideen und Vorschlägen – die aber nicht alle immer so gut ankommen wie erhofft. Das erlebt dieser Tage die SPD, die in ihrem Wahlprogramm einen Vorschlag macht, der die Wartezeit auf einen Facharzttermin für gesetzlich Versicherte verringern soll. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hält wenig davon. Dabei ist den Krankenkassen das Problem durchaus bewusst.

SPD will Termingarantie einführen: Sonst haben Versicherte Anspruch auf geringere Beiträge

„Schnelle Hilfe im Notfall sowie der verlässliche Zugang zur notwendigen Behandlung müssen für alle garantiert sein. Um Wartezeiten zu verringern, werden wir eine Termingarantie der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen einführen“, schreibt die SPD in ihrem Wahlprogramm. „Gesetzlich Versicherte sollen genauso schnell wie Privatversicherte einen Termin erhalten. Bei Nichteinhaltung der Termingarantie sollen sie einen Anspruch auf Beitragsreduzierungen haben.“

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, hat prompt auf den Vorschlag reagiert und gegenüber der Ärzte-Zeitung seinem Ärger Luft gemacht: „Was soll das? Die Dringlichkeit eines Termins orientiert sich an seiner medizinischen Notwendigkeit. Zudem lassen fast 600 Millionen Behandlungsfälle pro Jahr schon zeitlich wenig Spielräume für noch mehr oder noch schnellere Termine. Eine solche Termingarantie ist daher völlig abwegig.“ Ein solches Wahlversprechen abzugeben sei aus seiner Sicht „aktive Wählertäuschung“, da es nicht umsetzbar sei.

Krankenkassen beklagen „Diskriminierung“ von gesetzlich Versicherten

Derweil moniert auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen bei der Vergabe von Arztterminen eine Bevorzugung von Privatversicherten gegenüber gesetzlich Versicherten. „Wer echte Gleichbehandlung will, sollte dafür sorgen, dass bei der Terminvergabe nicht mehr danach gefragt werden darf, ob jemand gesetzlich oder privat versichert ist“, sagte die stellvertretende GKV-Chefin Stefanie Stoff-Ahnis dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Wenn Sie auf ein Buchungsportal gehen und als gesetzlich Versicherte einen Facharzttermin suchen, bekommen Sie einen in 6 Wochen oder noch später angeboten. Klicken Sie dagegen ‚Privatpatient‘ an, klappt es schon am nächsten Tag.“ Und weiter: „Die Diskriminierung der gesetzlich Versicherten gegenüber Privatpatienten bei der Terminvergabe werden wir nicht länger hinnehmen.“

Gesetzlich Versicherte müssen oft länger auf einen Termin warten, als Privatversicherte.

Stoff-Ahnis sagte, 90 Prozent der Menschen in Deutschland seien gesetzlich versichert. „Da ist es mehr als gerechtfertigt, dass es künftig bei der Terminvergabe zu 100 Prozent um die medizinische Notwendigkeit geht und nicht darum, ob jemand GKV- oder PKV-versichert ist.“ Sie forderte zudem bei der Terminvergabe eine gesetzliche Verpflichtung für alle Arztpraxen, freie Termine tagesaktuell einem Onlineportal zur Verfügung zu stellen, auf das die gesetzlichen Kassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen zugreifen können.

SPD fordert Ende des Zwei-Klassen-Systems: Abschaffung der Privaten Krankenkasse?

Das Thema ist nicht neu – und sorgt auch bei den Bürgerinnen und Bürgern für Unmut. Immer wieder wird aus dem linken Parteienspektrum daher auch die Abschaffung des Zwei-Klassen-Systems gefordert. Auch die SPD setzt sich im neuen Wahlprogramm dafür ein: „Wir setzen auf ein solidarisches System, das allen Menschen gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen in gleicher Qualität ermöglicht“, heißt es im Wahlprogramm der SPD. „Ein solidarisches Finanzierungssystem schafft Vertrauen und nimmt den Bürgerinnen und Bürgern die Sorge vor finanziellen Belastungen. Versicherte dürften nicht durch ihre Wahl der Krankenkasse benachteiligt werden.“

Das Beitragssystem soll gestärkt und gesetzliche und private Versicherungen zu einer „solidarischen Bürgerversicherung“ ausgebildet werden, erläutern die Sozialdemokraten weiter. Das „bisherige Nebeneinander von gesetzlicher und privater Pflegeversicherung“ will die SPD ebenfalls „beenden“.

Aus Sicht des Verbands privater Krankenversicherungen (PKV) wäre dies allerdings ein Rückschritt. „Es ist ein Irrglaube, dass sich mit der Einbeziehung der Privatversicherten in die umlagefinanzierten Systeme die Finanznot von SPV (Soziale Pflegeversicherung, Anm. d. Red.) und GKV auch nur ansatzweise bewältigen ließen: 10 Prozent der Versicherten können schlicht nicht das Grundproblem von 90 Prozent lösen“, heißt es in einer Mitteilung nach Bekanntgabe des SPD-Programms.

Rubriklistenbild: © Benjamin Nolte/dpa-tmn

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