„Den Letzten beißen die Hunde“
Das Ende vom Gas verunsichert Verbraucher – Maßnahmen gegen steigende Kosten, die man jetzt schon ergreifen kann
VonBona Hyunschließen
Das Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2045 keine fossilen Brennstoffe mehr zu nutzen. Mannheim hingegen plant, sein Gasnetz schon 2035 zu deaktivieren. Betroffene Bürger sollten diese Pläne in Erwägung ziehen.
Mannheim – Ab 2035 gibt es kein Gas mehr – diesen Schritt hat Mannheim angekündigt, um die Energiewende voranzutreiben. Der Rückzug aus dem Gasnetz erfolgt schrittweise, keine Gasheizung muss kurzfristig stillgelegt werden. Dennoch reagieren direkt betroffene Bürgerinnen und Bürger nach der Ankündigung des Mannheimer Energieversorgers MVV verunsichert. Die Verbraucherzentrale warnt zudem vor Preissteigerungen für Gaskunden, etwa bei den Netzentgelten. Was jetzt für Bürgerinnen und Bürger zu tun gilt.
Erste deutsche Stadt legt Gasnetz still – Folgen könnten Preissteigerungen sein
Mit dem schrittweisen Ausstieg aus dem Gasnetz könnte es zu Preissteigerungen für Gaskunden, etwa bei den Netzentgelten. „Je mehr Verbraucher sich aus dem Gasnetz verabschieden, indem sie beispielsweise auf eine Wärmepumpe umstellen, umso teurer wird es für die Zurückbleibenden“, sagt ein Sprecher der Verbraucherzentrale zur Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Das wird besonders einkommensschwache Haushalte treffen. Den Letzten beißen die Hunde.“
Dass es zu Preissteigerungen kommen kann, hatte ein MVV-Sprecher auch schon unserer Redaktion mitgeteilt. „Perspektivisch werden sich die Preise für Gas aufgrund steigender Netzkosten und steigender CO₂-Preise deutlich erhöhen. Biomethan und Wasserstoff stellen für Privathaushalte keine realistische Option dar, da sie nicht in ausreichend Mengen vorhanden und die Kosten zu hoch sind“, sagte Sebastian Ackermann, Leiter Konzernkommunikation MVV Energie AG.
Erste deutsche Stadt will bis 2035 auf Gas verzichten – grünes Gas als Alternative?
Eine Möglichkeit zur weiteren Nutzung von Gasnetzen könnte eine Umstellung auf grüne Gase sein, wie Wasserstoff oder Biomethan – der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) spricht dabei von „unverzichtbaren“ Alternativen. Allerdings gebe es bisher in Deutschland nur eine begrenzte Herstellung von Biomethan. Auf eine ähnliche Situation verweist der Verband kommunaler Unternehmen beim Wasserstoff.
Der MVV hat Privathaushalten in Bezug auf grüne Gase bereits eine Absage erteilt: Biomethan gebe es nicht genug und Wasserstoff sei zu teuer. Bei Geschäftskunden, die an das Gas-Hochdrucknetz angeschlossen seien, sei dagegen Wasserstoff eine mögliche Option, hieß es kürzlich in einer Mitteilung.
Verbraucherzentrale warnt vor steigenden Gaspreisen – was Bürger in Mannheim tun können
Die Verbraucherzentrale lobt die Mitteilung des Mannheimer Energieversorgers als transparent gegenüber den Kunden. Wenn innerhalb der nächsten zehn Jahren eine Gasheizung ersetzt werden müsse, wüssten die Verbraucher nun, dass es sich für sie nicht mehr lohne, eine neue Gasheizung zu kaufen, heißt es.
Die Verbraucherzentrale empfiehlt Gasheizungs-Besitzern generell eine vorausschauende Planung:
- Verbraucher sollten zunächst die Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung für ihr Wohngebiet beobachten.
- Wer in einem Gebäude wohne, das einen sehr niedrigen Wärmestandard habe, solle einen Sanierungsplan aufstellen. Dabei würden die einzelnen Maßnahmen mit Blick auf die eigenen finanziellen Möglichkeiten in einen Zeitplan aufgeteilt.
- Zu einer neutralen Beratung gehörten die Fördermöglichkeiten des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sowie der KfW-Bank (Kreditanstalt für Wiederaufbau).
- Grundsätzlich sei es einfacher, den Austausch der Heizungsanlage geplant vorzunehmen, zum Beispiel im Sommer, und nicht dann, wenn die Heizung in der kalten Jahreszeit kurzfristig ausfällt.
- Wenn die Heizung ein gewisses Alter erreicht habe - beispielsweise mehr als 15 Jahre - sollten sich Verbraucherinnen und Verbraucher Gedanken machen, wann ein Austausch sinnvoll wäre und welche neue Heizungsvariante für sie passen würde.
Mannheim gilt als Vorreiter: Gasnetze werden 2035 stillgelegt
Der MVV betonte, man unterstütze die Kundinnen und Kunden bestmöglich, um gute Lösung zu finden. „Wir wollen mit unserer frühen Kommunikation dazu beitragen, die Zahl derer kleinzuhalten, die jetzt noch in eine Gasheizung investieren und sich in einigen Jahren fragen, ob das Auslaufen konventionellen Gases nicht früher hätte erkannt werden können“, sagte Ackermann.
Mit Informationsveranstaltungen will die MVV den Menschen zudem die Skepsis nehmen. Bis 2030 soll das Fernwärmenetz in Mannheim vollständig erneuerbare Energien nutzen und es werden 10.000 Haushalte neu angeschlossen. Wer keine Fernwärme beziehen will, kann von der Stadt eine Wärmepumpe bekommen.
Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden – Kommunen beschäftigen sich mit Zukunft der Gasnetze
Da die Bundesregierung ein Ende fossiler Brennstoffe bis 2045 anstrebt, ist es absehbar, dass neben Mannheim auch andere Städte Schritte einleiten müssen. Wann genau und wie sich einzelne Kommunen von fossilen Brennstoffen verabschieden werden, wird sich laut VKU erst noch zeigen. „Die Kommunen sind gerade erst dabei, ihre Wärmepläne zu erarbeiten, aus denen dann abgeleitet werden kann, wo, wann und wie schnell die Wärmeversorgung umgestellt werden könnte“, sagt ein Sprecher. Allerdings sei jetzt schon klar: „Strom und Fernwärme werden an Bedeutung gewinnen, Gas an Bedeutung verlieren.“ Größere Städte müssen demnach bis 2026 ihre Wärmepläne erarbeiten, kleinere bis 2028.
Hintergrund ist das Klimaschutzgesetz, wonach Deutschland bis 2045 klimaneutral sein will. Dazu gehört auch der weitgehende Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas. Außerdem verpflichtet die seit August geltende EU-Gas- und Wasserstoffbinnenmarktrichtlinie Gasnetzbetreiber, Stilllegungspläne vorzulegen. Die Richtlinie muss dem Wirtschaftsministerium zufolge bis August 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden. Allerdings heizten laut BDEW noch 2023 rund 48 Prozent der Haushalte in Deutschland mit Gas. (bohy mit Material von dpa)
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