„Krise der Allianz“
Zur Freude Chinas: Trump verprellt die Verbündeten der USA in Asien
VonSven Haubergschließen
Mit Forderungen nach mehr Geld für die Verteidigung sorgt Trump in Asien für Unruhe. Dort fühlt man sich an die amerikanische Ukraine-Kehrtwende erinnert.
Seit dem Amtsantritt von Donald Trump ist es still geworden um seinen Vorgänger. Joe Biden ist Urgroßvater geworden, er hat einen Vertrag mit einer Talentagentur in Los Angeles unterzeichnet, und Medienberichten zufolge wird er hin und wieder in der Nähe seines Hauses in Delaware gesichtet. Dass der 82-Jährige, nach fünf Jahrzehnten in der Politik, nun endlich seinen wohlverdienten Ruhestand genießt – davon kann man allerdings kaum ausgehen. Denn Donald Trump tut alles, um Bidens Lebenswerk zu zerstören: das eines Amerikas, das fest eingebunden ist in ein weltumspannendes System aus Bündnissen und Partnerschaften. Und Biden muss hilflos zusehen.
Dass die USA unter Trump zur isolationistischen Macht werden, nimmt man dabei nicht nur in der Ukraine und bei ihren westlichen Verbündeten entsetzt zur Kenntnis. Auch in Asien spürt man, dass ein neuer Wind weht.
Dabei ist es gar nicht so leicht, die Zeichen zu deuten, die derzeit aus dem Weißen Haus kommen. Denn einerseits gehen die USA unter Trump weiter auf Konfrontationskurs mit China: Trump hat neue Strafzölle auf chinesische Importe erlassen, und in sein Kabinett hat er mit Außenminister Marco Rubio und Verteidigungsminister Pete Hegseth ausgesprochen China-Kritiker berufen. Man sollte also annehmen, dass Trump alles tut, um die demokratischen Verbündeten der USA in Asien – Japan, Südkorea und Taiwan – zu umgarnen. Stattdessen aber stößt er den Ländern regelmäßig und mit voller Wucht vor den Kopf.
China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt




Trump will mehr Geld von Japan – und kritisiert Verteidigungsvertrag
Beispiel Japan. Rund 54.000 US-Soldaten sind in dem Inselstaat stationiert, mehr als in jedem anderen Land außerhalb der USA. Für Trump ist die Stationierung vor allem ein Kostenpunkt, schon 2019, während seiner ersten Amtszeit, hatte er verlangt, Japan solle viermal so viel wie bislang für die US-Soldaten zahlen. Fünf Jahre später greift nun George Glass, Trumps Kandidat für den Posten des US-Botschafters in Tokio, diese Forderung auf. „Ich glaube, wir müssen mit den Japanern über eine Aufstockung dieser Unterstützung sprechen“, sagte Glass unlängst bei einer Senatsanhörung.
Zudem forderte er, Japan müsse mehr als die von der japanischen Regierung angepeilten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung stecken. Im vergangenen Jahr hatte Japan lediglich 1,6 Prozent für Rüstung ausgegeben, die Zeitenwende, die sich das Land vor gut zwei Jahren verordnet hatte, kommt nur langsam voran. Auch hält Trump den Verteidigungspakt mit Tokio, der Japan die Unterstützung der USA im Kriegsfall zusichert, für ungerecht. „Wir müssen sie beschützen, aber sie nicht uns“, wetterte der Republikaner. Inmitten dieser unsicheren Gemengelage will Japan nun neue Langstreckenraketen auf der südlichen Insel Kyushu stationieren, um seine „Fähigkeiten zum Gegenschlag“ auszubauen. Notfalls eben ohne die USA, so lautet die Botschaft.
Beschützen die USA ihren Verbündeten Südkorea vor Diktator Kim Jong-un?
Von Taiwan fordert die Trump-Regierung ebenfalls mehr Engagement für die eigene Verteidigung. Die USA unterhalten zu dem Inselstaat, den China als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet, zwar keine diplomatischen Beziehungen; Washington hat sich allerdings dazu verpflichtet, die Taiwaner mit Defensivwaffen zu unterstützten.
Genau dafür will Trump mehr Geld sehen, er behauptet, Taiwan lasse sich seine Verteidigung von den amerikanischen Steuerzahlern finanzieren. Dabei überweist Taiwan schon jetzt viel Geld an amerikanische Rüstungsunternehmen, während diese mit den Aufträgen kaum hinterherkommen. Zehn Prozent des taiwanischen BIP müssten in Rüstung fließen, hatte Trump im Wahlkampf gefordert. Laut dem taiwanischen Premierminister Cho Jung-tai entspräche das einer Vervierfachung der bisherigen Summe – „unmöglich“, so Cho in der vergangenen Woche. Gleichzeitig ist die Sorge groß, Trump könnte Taiwan ebenso fallenlassen wie die Ukraine und dem Land im Falle eines chinesischen Angriffs den Beistand verweigern. In Taipeh hat man genau beobachtet, wie Trump und sein Vize JD Vance Ende Februar den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor laufenden Kameras demütigten.
Es ist eine Sorge, die auch Südkorea umtreibt, wobei die Gefahr dort nicht in Peking verortet wird, sondern in Pjöngjang. Die Allianz mit Wladimir Putin hat Nordkoreas Diktator Kim Jong-un gestärkt, regelmäßig lässt er Raketen testen, zuletzt präsentierte das Land ein angebliches Atom-U-Boot. Noch steht Südkorea unter dem atomaren Schutzschirm Washingtons, unter Biden hatten die USA bekräftigt, jeder Angriff Nordkoreas auf den Süden würde das „Ende“ des Regimes von Diktator Kim bedeuten. Gilt das noch?
Südkorea diskutiert über eigene Atombomben
In Seoul will man sich darauf nicht verlassen, und so ist eine alte Diskussion zuletzt neu entflammt: Brauch Südkorea eigene Atomwaffen, um den Norden abzuschrecken? Südkoreas entmachteter Präsident Yoon Suk-yeol hatte sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, und auch Außenminister Cho Tae-yul sagte vor wenigen Tagen, das Thema sei „noch nicht vom Tisch“. In Washington ist man alarmiert, ein atomares Wettrüsten in Asien will man unbedingt verhindern. Von einer „Krise der Allianz“ schrieb mit Genugtuung die staatsnahe chinesische Global Times.
Joe Biden hatte solche Debatten auch deshalb einhegen können, weil er nicht nur die Beziehungen zwischen den USA und ihren asiatischen Verbündeten gestärkt hatte; mit geschickter Diplomatie brachte er auch die einzelnen Länder einander näher. Etwa Japan und Südkorea, deren Beziehung historisch stark belastet ist. Zudem stärkte er Bündnisse wie die Quad, einen losen Zusammenschluss, dem neben Japan und den USA auch Indien und Australien angehören. Sollte all das nun zusammenbrechen: In Peking wäre die Freude wohl groß.
Am Ende aber könnte Trumps America-First-Politik in Asien einen ähnlichen Effekt haben wie in Europa – und die Länder zusammenschweißen anstatt sie zu spalten. Der Kitt könnte Trumps aggressive Handelspolitik sein, unter der Japan, Südkorea und Taiwan gleichermaßen zu leiden haben. Japan und Südkorea klagen lautstark über 25-Prozent-Zölle auf Autos, die Trump kürzlich verkündet hatte; den Taiwanern hatte er gedroht, Einfuhren von Halbleitern mit 100-Prozent-Zöllen zu belegen. Die japanische Zeitung Asahi Shimbun fordert deshalb eine „gemeinsame Front“ gegen „Trumps rücksichtslose Zollpolitik“: „Japan und andere Nationen, die sich für den Freihandel einsetzen, müssen sich eng abstimmen“, schrieb das Blatt unlängst.
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