Milliarden-Investition in den USA

Trumps gefährlicher Chip-Deal: Verliert Taiwan seinen Schutzschild gegen China?

  • Sven Hauberg
    VonSven Hauberg
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Der taiwanische Chip-Hersteller TSMC will 100 Milliarden Dollar in den USA investieren. Kritiker befürchten: Der Schritt macht das von China bedrohte Land verwundbar.

C.C. Wei dürfte sich geschmeichelt gefühlt haben, als er Anfang vergangene Woche neben Donald Trump im Weißen Haus stand. Wei sei „ein sehr besonderer Mann“, lobte Trump seinen Gast, eine „Legende“ und „der wichtigste Mann im Raum“. Wei, so Trump weiter, arbeite für die „mächtigste Firma der Welt“. Es waren überraschende Worte von einem Mann, der normalerweise sich selbst für das Zentrum des Universums hält.

So viel Lob von Donald Trump hat allerdings seinen Preis. Genauer: 100 Milliarden US-Dollar. So viel nämlich wollen Wei und TSMC, die Firma, deren Chef er ist, in den kommenden Jahren in den USA investieren. TSMC, der weltweit größte Fertiger von Halbleitern, will im US-Bundesstaat Arizona fünf neue Fabriken sowie ein Forschungszentrum errichten. Schon jetzt hat das Unternehmen aus Taiwan 65 Milliarden Dollar in den Standort gesteckt, die 100 Milliarden, die Wei nun ankündigte, kommen obendrauf.

„Ich möchte Präsident Trump für seine Unterstützung danken“, sagte Wei bei dem Termin im Weißen Haus artig und mit breitem Lächeln im Gesicht. Nur einmal entglitten dem Taiwaner kurz die Gesichtszüge. Als nämlich Howard Lutnick, Trumps Handelsminister und ebenfalls mit im Raum, die wahren Beweggründe für den Milliarden-Deal verriet. „Sie kommen hier her, um Zölle zu vermeiden“, sagte Lutnick in Richtung von Wei und TSMC. „Wenn sie nicht hier sind, müssen sie leiden.“

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

„Heiliger Berg, der das Land schützt“: TSCM ist Taiwans Schutz gegen China

Trump hatte dem taiwanischen Branchenprimus in den vergangenen Monaten mehrfach und wahrheitswidrig vorgeworfen, den USA ihre Chip-Industrie gestohlen zu haben; um TSMC dazu zu bringen, noch mehr als ohnehin schon in den USA zu investieren, drohte er dem Land mit Zöllen von bis zu 100 Prozent. Trumps Erpressungsversuch war eine klassische Mafia-Taktik – die wohl aufgehen wird. Zumindest, wenn die taiwanische Regierung dem Deal zustimmt. Man werde das Abkommen im Hinblick auf die „nationalen Interessen“ überprüfen, sagte in Taipeh Taiwans Präsident Lai Ching-te.

Massive Kritik kommt indes von der größten Oppositionspartei KMT. „Je mehr TSMC in den USA produziert, desto geringer wird die geopolitische Bedeutung Taiwans sein, und desto weniger Anreiz werden die USA haben, Taiwan in Zukunft zu helfen“, sagte der KMT-Abgeordnete Ko Juchun. Und der KMT-Fraktionsvorsitzende Fu Kunchi äußerte die Befürchtung, mit TSMC könnte „der heilige Berg, der das Land schützt“, verschwinden.

Die beiden Politiker bezogen sich auf die Theorie vom sogenannten „Halbleiter-Schutzschild“. Sie besagt, dass China, das Taiwan als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet, wohl kaum einen großangelegten Angriff auf den Inselstaat starten werde, weil ein Krieg die Fertigung und den Export von Chips massiv stören würde. Die gesamte Weltwirtschaft würde in den Abgrund gerissen, auch China selbst wäre massiv betroffen. Denn ohne Halbleiter kommt heute so gut wie kein elektronisches Gerät aus, vom Toaster bis zum E-Auto stecken in vielen Produkten die winzigen Bauteile.

TSMC-Chef C.C. Wei (links) und Donald Trump verkündeten gemeinsam den 100-Milliarden-Deal.

Trump: Krieg um Taiwan wäre „katastrophal“

TSMC und andere taiwanische Firmen stellen rund 60 Prozent aller Halbleiter und 90 Prozent der besonders fortschrittlichen Chips her. Je mehr davon in den USA und anderswo produziert werden, so die Befürchtung, desto schwächer wird der taiwanische Schutzschild gegen China.

Um solchen Befürchtungen entgegenzutreten, hieß es aus dem Büro des taiwanischen Präsidenten, TSMC werde „seine fortschrittlichsten Fertigungsprozesse in Taiwan belassen“. Ganz anders klang das allerdings noch im Weißen Haus, wo Donald Trump davon schwärmte, die Taiwaner würden „die mächtigsten KI-Chips der Welt“ in den USA fertigen. Und auch TSMC-Chef Wei erklärte, sein Unternehmen werde „den fortschrittlichsten Chip auf amerikanischem Boden produzieren“. Wie das mit der Versicherung aus Taipeh zusammenpassen soll, ist fraglich.

Bei dem Treffen mit TSMC-Chef Wei sagte Trump auch, ein Krieg um Taiwan wäre „ein katastrophales Ereignis“. Ob er das mit Bezug auf gestörte Lieferketten meinte oder in ernster Sorge um die gut 24 Millionen Taiwaner, ist unklar. Anders als sein Vorgänger Joe Biden hat sich Trump jedenfalls noch nicht dazu durchgerungen, Taiwan die militärische Unterstützung seines Landes zuzusichern, sollte China angreifen. Stattdessen hatte er im Wahlkampf von Taiwan mehrfach gefordert, mehr für die eigene Verteidigung auszugeben, und dem Land vorgeworfen, sich seinen Schutz von den amerikanischen Steuerzahlen finanzieren zu lassen.

Trump-Regierung auf Konfrontationskurs mit China

Was vielen in Taiwan dennoch Hoffnung macht: dass Trump mehrere entschiedene China-Kritiker in sein Kabinett berufen hat, die Taiwan wohl kaum fallenlassen würden. Manch ein Beobachter glaubt gar, dass sich Trump nur deswegen Wladimir Putin annähere, um einen Keil zwischen Russland und China zu treiben und Peking so zu schwächen.

Dass es China ernst meint mit seinen Ambitionen, Taiwan notfalls auch militärisch mit dem Festland zu vereinigen, machte am vergangenen Wochenende Armeesprecher Wu Qian einmal mehr deutlich. In Richtung der taiwanischen Regierung drohte Wu am Rande der jährlichen Tagung des Nationalen Volkskongresses: „Je zügelloser die Separatisten der ‚Unabhängigkeit Taiwans‘ sind, umso enger wird die Schlinge um ihren Hals und umso schärfer wird das Schwert, das über ihren Köpfen schwebt.“

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