Handelskonflikt mit Peking

Trump will China schaden – macht es aber unfreiwillig stärker

  • Sven Hauberg
    VonSven Hauberg
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Mit Strafzöllen will Donald Trump die US-Wirtschaft stärken und China kleinhalten. Er erreicht damit allerdings das Gegenteil – zur Freude Pekings.

Zu den Eigenschaften des chinesischen Außenministers gehört es, resolut und entschlossen zu klingen und dabei auszusehen, als könnte er in Wahrheit keiner Fliege etwas zuleide tun. Mit Unterbrechungen ist Wang Yi seit mehr als zehn Jahren im Amt, er hatte also viel Zeit, sein diplomatisches Pokerface bis zur Perfektion einzustudieren. Auch während der traditionellen Pressekonferenz des Außenministers anlässlich der jährlichen Tagung des Nationalen Volkskongresses Anfang des Monats blieb Wang die Ruhe selbst. Dabei hatten es seine Worte in sich.

„Kein Land sollte sich einbilden, es könne China unterdrücken und gleichzeitig gute Beziehungen zu China unterhalten“, sagte Wang während der streng durchchoreografierten Veranstaltung. Zuvor hatte ihn ein Journalist gefragt, wie er die neuesten US-Zölle auf chinesische Importe beurteile. „Wenn die USA China weiterhin eindämmen, werden wir entschlossen gegensteuern“, erklärte Chinas Außenminister mit stoischem Blick.

Immer neue Trump-Zölle – doch China reagiert besonnen

Donald Trump überzieht die Welt seit Wochen mit immer neuen Zöllen, sein Zorn trifft Verbündete der USA ebenso wie Gegner. Vor allem China hat er, wie schon während seiner ersten Amtszeit, ins Visier genommen. Weil das Land nichts gegen den Strom der Droge Fentanyl in die USA tue (Peking sieht das freilich anders), hatte er fast alle chinesischen Importe mit Zöllen in Höhe von zunächst zehn, später dann 20 Prozent belegt. Die Zölle aus Trumps erster Amtszeit und die Strafmaßnahmen der Biden-Regierung bleiben zudem größtenteils bestehen, die neuen Zölle kommen also obendrauf.

Ein harter Schlag für die Exportnation China, sollte man meinen. Doch Peking reagierte ähnlich besonnen wie Außenminister Wang bei seiner Pressekonferenz: Statt mit gleicher Härte zurückzuschlagen, belegte die chinesische Regierung nur ausgewählte US-Produkte mit Strafzöllen, die noch dazu unter Trumps 20-Prozent-Marke blieben. Peking will wohl Spielraum für weitere Verhandlungen lassen; eine Eskalation wäre da wenig produktiv. Ein Nebeneffekt: Chinas steht auf einmal als Kraft der Vernunft inmitten einer turbulenten Welt da. Würde sich jedes Land wie die USA aufführen, sagte Außenminister Wang, „dann würde das Gesetz des Dschungels regieren“.

Chinas Staats- und Parteichef: So stieg Xi Jinping zum mächtigsten Mann der Welt auf

Chinas heutiger Staatschef Xi Jinping (2. von links) mit anderen Jugendlichen im Mao-Anzug
Xi Jinping wurde am 15. Juni 1953 in Peking geboren. Als Sohn eines Vize-Ministerpräsidenten wuchs er sehr privilegiert auf. Doch in der Kulturrevolution wurde er wie alle Jugendlichen zur Landarbeit aufs Dorf geschickt. Das Foto zeigt ihn (zweiter von links) 1973 mit anderen jungen Männer in Yanchuan in der nordwestlichen Provinz Shaanxi. Dort soll Xi zeitweise wie die Einheimischen in einer Wohnhöhle gelebt haben. © imago stock&people
Xi Jinping steht vor der Golden Gate Bridge in San Francisco
Xi Jinping 1985 vor der Golden Gate Bridge in San Francisco: Damals war er als junger Parteichef des Landkreises Zhengding in der nordchinesischen Agrarprovinz Hebei Delegationsleiter einer landwirtschaftlichen Studienreise nach Muscatine im US-Bundesstaat Iowa. Dort nahm die Gruppe nach offiziellen Berichten „jeden Aspekt der modernen Landwirtschaft unter die Lupe“. Anschließend reiste Xi weiter nach Kalifornien. Es war sein erster USA-Besuch. © imago stock&people
Xi Jingping und Peng Liyuan
Zweites Eheglück: Xi Jinping und seine heutige Ehefrau, die Sängerin Peng Liyuan, Anfang 1989. Zu dieser Zeit war Xi Vizebürgermeister der ostchinesischen Hafenstadt Xiamen. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter. Xis erste Ehe war nach nur drei Jahren an unterschiedlichen Lebenszielen gescheitert. Seine erste Frau, die Diplomatentochter Ke Lingling, zog in den 1980er-Jahren nach Großbritannien. © imago
Xi Jinping gräbt mit Parteikollegen an einem Damm zur Verstärkung eines Deiches in Fujian
Aufstieg über die wirtschaftlich boomenden Küstenregionen: 1995 war Xi Jinping bereits stellvertretender Parteichef der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian – und noch ganz volksnah. Im Dezember 1995 arbeitet er mit an der Verstärkung eines Deiches am Minjiang-Fluss. © Imago/Xinhua
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt Chinas Vizepräsident Xi Jinping das Regierungsviertel in Berlin
Vizepräsident Xi Jinping 2009 im Kanzleramt bei Angela Merkel: Die deutsch-chinesischen Beziehungen waren unter Merkel relativ eng und von wirtschaftlicher Zusammenarbeit geprägt. Merkel und Xi reisten aus Berlin weiter nach Frankfurt, um die dortige Buchmesse zu eröffnen. China war als Ehrengast geladen. © GUIDO BERGMANN/Pool/Bundesregierung/AFP
Die Vizepräsidenten Xi Jinping aus China und Joe Biden aus den USA halten T-Shirts mit einer Freundschaftsbekundung in die Kamera
Ein Bild aus besseren Zeiten: Aus ihrer jeweiligen Zeit als Vizepräsidenten kamen Joe Biden und Xi Jinping mehrmals zusammen. Im Februar 2012 demonstrierten sie bei einer Reise Xis nach Los Angeles in einer Schule „guten Willen“ zur Freundschaft mit T-Shirts, die ihnen die Schüler überreicht hatten. Damals fehlten Xi nur noch wenige Monate, um ganz an die Spitze der Kommunistischen Partei aufzusteigen. © FREDERIC J. BROWN/AFP
Ein alter Mann in Shanghai schaut auf Xi bei seiner ersten Rede als Parteichef im Fernseher.
Xi Jinping hat es geschafft: Zum Ende des 18. Parteitags am 15. November 2012 wurde Xi als neuer Generalsekretär der Kommunisten präsentiert – und ganz China schaute zu. Xi gelobte in seiner ersten kurzen Rede als Parteichef, die Korruption zu bekämpfen und ein „besseres Leben“ für die damals 1,3 Milliarden Menschen des Landes aufzubauen.  © PETER PARKS/AFP
Der neue Staatschef Xi Jinping geht hinter seinem Vorgänger Hu Jintao zu seinem Platz in der Großen Halle des Volkes in Peking.
Übernahme auch des obersten Staatsamtes: Xi Jinping wurde auf dem Nationalen Volkskongress im März 2013 Präsident und schloß damit den Übergang von seinem Vorgänger Hu Jintao (vorn im Bild) zur Xi-Ära ab. © GOH CHAI HIN/AFP
Chinas Präsident und seine Ehefrau Peng Liyuan gehen über den Flughafen Orly in Paris.
Xi Jinpings Ehefrau Peng Liyuan ist die erste First Lady Chinas, die auch öffentlich in Erscheinung tritt. Hier kommt das Ehepaar zu einem Staatsbesuch in Frankreich an. Die Gattinnen von Xis Vorgängern hatten sich nie ins Rampenlicht gedrängt. Vielleicht auch, weil Maos politisch aktive dritte Ehefrau Jiang Qing nach dem Tod des „Großen Vorsitzenden“ als Radikale verurteilt worden war. © YOAN VALAT/Pool/AFP
Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Weg zum Parteitag in Peking
So sehen KP-Funktionäre aus: Delegierte des 19. Parteitags auf dem Weg zur Großen Halle des Volkes in Peking im Oktober 2017. Auf diesem Parteitag gelang es dem Staats- und Parteichef, seine „Xi Jinping-Gedanken zum Sozialismus Chinesischer Prägung in der Neuen Ära“ in die Parteiverfassung aufzunehmen. Er war der erste nach Mao, der zu Lebzeiten in der Verfassung eine Theorie mit seinem Namen platzieren konnte. Einen Kronprinzen präsentierte Xi auf dem Parteitag nicht – entgegen den normalen Gepflogenheiten. © GREG BAKER/AFP
Xi Jinping nimmt in einer Staatslimousine „Rote Fahne“ die Parade zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China ab.
70 Jahre Volksrepublik China: Staatschef Xi Jinping nahm 2019 in einer offenen Staatslimousine Marke „Rote Fahne“ die Militärparade in Peking zum Jahrestag der Staatsgründung ab. © GREG BAKER/AFP
Wirtschaftsforum in Wladiwostok
Xi Jinping pflegt eine offene Freundschaft zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin – bis heute, trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Putin und Xi teilen die Abneigung gegen die von den USA dominierte Weltordnung. Hier stoßen sie 2018 bei einem gemeinsamen Essen auf dem Wirtschaftsforum von Wladiwostok, auf dem sich Russland als Handelspartner und Investitionsziel im asiatischen Raum präsentierte, miteinander an. © Sergei Bobylev/POOL TASS Host Photo Agency/dpa
Xi Jinping besucht im weißen Kittel ein Labor und lässt sich die Impfstoffentwicklung erklären
Ende 2019 brach in China die Corona-Pandemie aus. Im April 2020 informierte sich Xi Jinping in einem Labor in Peking über die Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung. Xi ist bis heute überzeugt, dass China die Pandemie besser im Griff hat als der Rest der Welt. Seine Null-Covid-Politik beendet er nicht, wohl auch wegen der viel zu niedrigen Impfquote unter alten Menschen. © Ding Haitao/Imago/Xinhua
Xi Jinpings Konterfei lächelt von einem Teller mit rotem Hintergrund
Auf dem 20. Parteitag im Oktober 2022 ließ sich Xi Jinping zum dritten Mal zum Generalsekretär der Kommunisten ernennen. Damit ist er der mächtigste Parteichef seit Mao Zedong. © Artur Widak/Imago

Die USA verlieren für China an Bedeutung

Es ist eine Gelassenheit, die China sich leisten kann, trotz all seiner wirtschaftlichen Probleme – einer schwelenden Immobilienkrise und einer hohen Jugendarbeitslosigkeit zum Beispiel. Denn Peking hat seine Lehren aus den Handelsstreitigkeiten der letzten Jahre gezogen und sich auf Trump 2.0 vorbereitet. Etwa, indem es andere Absatzmärkte erschlossen hat, zum Beispiel in Südostasien, wo einzelne Länder bereits über eine Flut chinesischer Billigimporte klagen.

Noch sind die USA zwar der mit Abstand größte Exportmarkt für China. Aber während die Ausfuhren in das Land 2018 noch 3,5 Prozent des chinesischen BIP ausmachten, waren es fünf Jahre später nur noch 2,9 Prozent. Die USA verlieren also an Bedeutung für die chinesische Wirtschaft.

Insgesamt aber bleibt China vom Export weiterhin stark abhängig, sein Wachstumsziel von fünf Prozent konnte das Land im vergangenen Jahr vor allem deshalb erreichen, weil der Export stark angestiegen war, um 7,1 Prozent verglichen mit 2023. Um gegenzusteuern, will Peking den Binnenkonsum ankurbeln, so soll der Anteil des Exports an der chinesischen Wirtschaftsleistung sinken. Am Sonntag wurde dazu ein neuer Plan präsentiert, der unter anderem einen höheren Mindestlohn vorsieht, die Menschen sollen also ermuntert werden, mehr Geld auszugeben. Ob der Plan aufgeht, ist freilich offen, schließlich halten sich die chinesischen Konsumenten seit dem Ende der Corona-Pandemie mit Ausgaben zurück.

Donald Trump (links) und Xi Jinping 2019 beim G20-Treffen in Osaka.

„Wenn die Stärke der Amerikaner abnimmt, wird China natürlich wichtiger.“

Umgekehrt hat China seine Abhängigkeit von Lebensmittelimporten aus den USA verringert, so kommen heute Grundnahrungsmittel wie Soja vor allem aus Brasilien oder Argentinien. Auch Hightech-Produkte entwickelt China vermehrt selbst, das Land setzt auf Künstliche Intelligenz, humanoide Roboter oder Weltraumtechnik. „Wo Blockade ist, gibt es Durchbruch; wo Unterdrückung ist, gibt es Innovation“, erklärte Chinas Außenminister. Peking will zudem der Privatwirtschaft, die in den vergangenen Jahren von Staatschef Xi Jinping meist an der kurzen Leine gehalten wurde, mehr Freiheiten geben. Von ihr erhofft man sich weitere Unterstützung im Handelsstreit mit den USA.

Die meisten Ökonomen glauben, dass Trump mit seinen Zöllen vor allem den USA schaden werde. Ein eskalierender Handelskrieg „hätte schwerwiegende Folgen für das Wachstum und die Preise rund um die Welt, aber insbesondere in den USA“, sagte etwa die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde. Zhou Bo, ein ehemaliger General der Volksbefreiungsarmee und heute so etwas wie das inoffizielle Sprachrohr der chinesischen Regierung, drücke es so aus: „Am Ende von Trumps zweiter Amtszeit werden Amerikas Ansehen und Glaubwürdigkeit in der Welt gesunken sein“, sagte Zhou, wohl mit einer gewissen Genugtuung, dem Sender CNN. „Und wenn die Stärke der Amerikaner abnimmt, wird China natürlich wichtiger.“

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