Um Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten, verwenden wir Cookies.
Durch Nutzung unserer Dienste stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen
„Wahlarena“-Fragen für Grüne – und auch von Grünen: Wahlhilfe für Unentschiedene in der ARD
VonAlexander Teske
schließen
Bällebad für Habeck und harte Fragen für Merz und Weidel in der „Wahlarena“: Die Auswahl der Fragesteller sticht ins Auge.
Viel wird derzeit über die Wahl-Sendungen vor allem bei ARD und ZDF gestritten. Doch lassen sich Zuschauer davon überhaupt beeinflussen? Ja, sagt ein Forschungsteam der Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Studienleiter Jürgen Maier sagte vor wenigen Tagen dem Deutschlandfunk: „Da finden wir in unseren Studien über diese vielen Jahren, in denen wir das untersucht haben, dass 15 bis 20 Prozent derjenigen, die so eine TV-Debatte anschauen, ihre Wahlabsicht verändern.“
Wenn Politikwissenschaftler Maier damit recht hat, hat sich am Montagabend nach der „Wahlarena“ in der ARD bis zu eine Million Wähler umentschieden. Denn im Schnitt schauten die Sendung 5,06 Millionen Menschen. Aber wie haben sie sich möglicherweise umentschieden? Einen Fingerzeig lieferte die Watchparty „tagesschau together“, die 1,2 Millionen Mal abgerufen wurde. Bei der Abstimmung „Wer hat euch in der Wahlarena am meisten überzeugt?“ stimmten 79 Prozent für Robert Habeck, 7 Prozent für Alice Weidel und 3 Prozent für Merz, 6 Prozent entschieden sich für „niemand“, Scholz tauchte gar nicht auf.
Vor der Bundestagswahl: Auch ARD-„Wahlarena“-Moderatoren im Fokus
Das könnte daran liegen, dass der Kandidat der Grünen tatsächlich den besten Eindruck hinterlassen hat. Oder aber auch an anderen Faktoren. So schickte die ARD das Duo Jessy Wellmer und Luis Klamroth in Rennen. Wellmer ist mit Sven Siebert verheiratet, der mal Sprecher von Ramona Pop, der Grünen Spitzenfrau in Berlin, war. Und Klamroth ist mit Luisa Neubauer, Klimaaktivistin und Grünenmitglied, liiert.
Vor allem Wellmer unterbrach Alice Weidel mehrfach, was sie bei den anderen Kandidaten kaum getan hatte. Bei den Antworten der Kanzlerkandidatin der AfD war Wellmer die Abscheu deutlich ins Gesicht geschrieben. Es könnte aber auch daran gelegen haben, dass auffällig viele Mitglieder der Grünen im Publikum saßen und Fragen stellen durften.
Dem Zuschauer wurde das nicht mitgeteilt. So fragte Tobias Schied CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz gleich zweimal: „Wo bleibt ihr angemessenes ambitioniertes Klimakonzept?“ Die Bundestagsabgeordnete Ophelia Nick der Grünen teilte den Ausschnitt sofort auf ihrem Instagram-Account: „Danke für diese wichtige Frage gestern in der Wahlarena, Tobias Schied.“
Und auch Bündnis 90/Die Grünen teilten auf ihrem Facebook-Account ihren 238 000 Followern mit: „Eine der wichtigsten Fragen gestern in der ARD-Wahlarena – und natürlich konnte Friedrich Merz die Frage zum Klimaschutz in der Landwirtschaft nur ungenügend beantworten.“ Schied wurde als Landwirt vorgestellt. Er war aber auch Sprecher der Grünen Jugend Heidenheim, kandidierte als Student für die Grünen für den Gemeinderat Gerstetten und wurde in einem Interview mit dem Südlink-Magazin als „Fridays-for-future-Aktivist“ bezeichnet.
Scharfe Frage „Wahlarena“-Frage für Weidel in der ARD – von einem Grünen-Kommunalpolitiker
Schied war dann mit seiner Frage auch im Bericht über die Wahlarena in der 20-Uhr-Ausgabe der „Tagesschau“ der Beginn des Beitrages. Der wurde so anmoderiert: „Diesmal gaben nicht die Moderatoren den Ton an, sondern die Fragen kamen direkt aus dem Publikum“.
Fragen wie diese an Alice Weidel: „Ich bin homosexuell und ich habe Angst. Übrigens sollten Sie auch Angst haben“, legte der Gast nach. Denn: „Mitglieder Ihrer Partei wollen die Homosexuellen ins Gefängnis und ins KZ stecken. Wie können Sie Mitglied dieser Partei sein? Das frage ich mich schon die ganze Zeit.“ Was der Zuschauer nicht erfuhr: Samuel Everding ist Mitglied im Vorstand der Grünen in Hameln.
Keine Frage, sondern ein Stichwort bekam dagegen Robert Habeck aus dem Publikum. Susa Graue fragte ihn, was er gegen Tech-Oligarchen unternehmen wolle. Da „haben sie einen wichtigen Punkt getroffen“, sagte der Grüne-Kanzlerkandidat. Graue arbeitet bei der MediaCompany Agentur für Kommunikation, die unter anderen das von Annalena Baerbock geleitete Auswärtige Amt, das von Steffi Lemke geleitete Umweltministerium sowie das Bundesamt für Naturschutz, den Nabu und das Umweltbundesamt zu ihren Kunden zählt. Nach der Sendung freute Graue sich auf X, dass ihre Frage „Habeck auch geholfen“ hat.
Streit um ÖRR-Duelle vor der Bundestagswahl: ARD-„Wahlarena“ offen für Parteimitglieder
Zum Verdacht der möglichen Unausgewogenheit erklärt eine Sprecherin des WDR: „Es ist richtig, dass auch Parteimitglieder im Publikum waren, das wurde zu Beginn der Sendung von den Moderatoren auch gesagt. In Deutschland sind über 1,2 Millionen Menschen Mitglied einer Partei. Warum sollten wir gerade diese politisch interessierten Menschen von einer politischen Sendung ausschließen? Wir haben allerdings sichergestellt, dass keine Mandatsträger über die kommunale Ebene hinaus im Publikum waren. Auch haben wir bei der Auswahl der Gäste sichergestellt, dass wir ein vielfältiges Publikum sowie ein breites Spektrum an Themen haben.“ Ob auch Mitglieder von AfD und BSW unter den Fragestellern waren, teilte der WDR nicht mit.
Auch der Autor des Artikels hatte sich als Gast für die Wahlarena beworben. Erfolglos. Aus den 2000 Bewerbern wurde andere ausgewählt. Zum Beispiel eine Ärztin, die behauptete, sie hätte immer Patienten, die der Klimawandel krank mache. Die von mir vorgeschlagene Frage an den wahrscheinlich neuen Bundeskanzler Merz, wie er die strukturelle Benachteiligung Ostdeutscher beseitigen und das Zusammenwachsen von Ost und West vorantreiben möchte, wurde als nicht prioritär eingeschätzt.
ARD-„Wahlarena“: Spekulationen über Wellmers Mann als Fragesteller – WDR dementiert klar
Und dann war da noch die letzte Frage aus dem Publikum an Alice Weidel. Der Mann wurde namentlich nicht vorgestellt. Schnell verbreitete sich auf Social-Media-Kanälen das Gerücht, es handele sich um den Ehemann von Jessy Wellmer. Und tatsächlich weist der Fragesteller eine hohe äußerliche Ähnlichkeit mit Sven Siebert auf. Doch der für die Sendung verantwortliche WDR dementiert: „Tatsache ist: Sven Siebert war nicht im Publikum.“
Bundestagswahl 2025: Von „Tünkram“ bis zum „Tor zur Hölle“ – denkwürdige Zitate aus dem Wahlkampf
Offenbar trauen einige Zuschauer der ARD mittlerweile so etwas zu. Und: Die ARD ist selbst daran mit schuld, wenn sie die Namen der Fragesteller nicht nennt. Dabei ist es in Sendungen der ARD wie der „Tagesschau“ seit Jahren journalistischer Standard, die Namen einzublenden – selbst bei Straßenumfragen. Warum dann nicht in der Wahlarena? Die Frage ließ der WDR unbeantwortet. Genau wie die nach der wahren Identität des Mannes.
In der Schalte der ARD-Chefredakteure ab 14 Uhr gab es am Dienstag dagegen kaum Kritik an der „Wahlarena“. Stattdessen wurde die Sendung als „toll“ und „gelungen bezeichnet“, die Fragen seien „durchgängig gut“ gewesen. (Alexander Teske)