Parlamentswahl in Spanien

Rechte Parolen statt Zusammenarbeit: Was eine Regierungsbeteiligung von Vox für die EU bedeuten würde

  • VonMax Schäfer
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Der Rechtsruck bleibt nach der Spanien-Wahl vorerst aus – Vox und PP verpassen die Mehrheit. Was hätte die rechtskonservative Koalition für die EU bedeutet?

Madrid/Brüssel – Die EU ist einer „globalistischen Agenda unterworfen, die Europas Geschichte, Tradition und christliche Werte verrät“: Es sind deutliche Worte, welche die Vox vor der Spanien-Wahl wählt. Dabei schreckt die Partei auch nicht vor antisemitischen Begriffen zurück – die Erzählung von „globalistischen Eliten“ ist dort weitverbreitet. Die Rechtsextremisten wollen nach eigenen Worten Spaniens „Souveränität wiedergewinnen“ und den Aufbau der Union fundamental ändern.

Mit der Forderung – und weiteren radikalen Aussagen etwa zum spanischen Kolonialismus – hat Vox zunächst Erfolg. Nach der spanischen Parlamentswahl könnten sie mit den Konservativen mitregieren. Die konservative Partido Popular (PP) lag in Umfragen vorne, hatte jedoch keine eigene absolute Mehrheit. Große Koalitionen sind in Spanien nicht üblich, weitere Koalitionspartner hat die PP nicht, während der PSOE und der linken Bewegung Sumar ebenfalls Mehrheiten fehlen – auch mit Unterstützung der Kleinparteien. Die Konservativen würden dann mit Vox koalieren.

Am späten Sonntagabend, 23. Juli, ist klar: Einem Bündnis aus PP und Vox fehlen sieben Sitze. Regionale Kleinparteien haben eine Zusammenarbeit bereits abgelehnt. Damit bleibt der Rechtsruck aus – vorerst. Da auch die bisherige linke Koalition keine Mehrheit hat, ist diese auf die Unterstützung von Kleinparteien angewiesen. Darunter auch erstmals die radikal-separatistische Partei Junts per Catalunya. Pedro Sánchez muss Zugeständnisse machen, um an der Macht zu bleiben. Darunter ist auch ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien, das er bisher ausgeschlossen hatte. Sollte es zu einer Blockade kommen, und ein Kandidat bei der Wahl zum Ministerpräsidenten keine Mehrheit erhalten, löst der König das Parlament auf und Neuwahlen folgen. Eine weitere Chance für Vox und PP.

Was der ausgebliebene Rechtsruck nach der Spanien-Wahl für Europa bedeutet hätte

Bei einer Regierungsbeteiligung nach der Parlamentswahl in Spanien hätte Vox auch die Europapolitik der Regierung mitgeprägt. Vox-Ministerinnen und -Minister würden Spanien im sogenannten Ministerrat, einer am Gesetzgebungsprozess beteiligten Institution, vertreten.

Santiago Abascal und seine Partei Vox werben vor der Spanien-Wahl werfen der EU vor, einer „globalistischen Agenda“ unterworfen zu sein.

Nicht nur im Land auf der iberischen Halbinsel, auch in der EU würde sich der Rechtsruck fortsetzen. Der sechste EU-Mitgliedsstaat würde von „antieuropäischen Rechtspopulisten (mit-)regiert“, erklärt Politikwissenschaftler Jakob Lempp von der Hochschule Rhein-Waal auf Anfrage von fr.de von IPPEN.MEDIA. Die EU-Feindschaft sei ein „zentraler Baustein der eigenen Ideologie“. Innerhalb der Union drohe Blockade wichtiger Maßnahmen. „Und der Streit darüber, wohin es mit der EU insgesamt gehen soll, wird mit neuer Härte ausbrechen.“

„Rechte Parolen“ statt Zusammenarbeit: EU-Abgeordneter befürchtet Blockade durch mögliche Vox-Regierungsbeteiligung

Eine Blockade der Gesetzgebung durch die Rechtsaußen befürchtet auch Daniel Freund. Seit 2019 sitzt der Grünen-Politiker im Europäischen Parlament. „Ich befürchte, dass mit Vox an der Regierung vor allem rechte Parolen gedroschen werden – konstruktive Zusammenarbeit in Europa aber wieder in den Hintergrund rückt“, erklärte Freund gegenüber fr.de von IPPEN.MEDIA.

Er macht Europas Konservative für den Rechtsruck verantwortlich, die Allianzen wie die mögliche Koalition aus Vox und PP erst salonfähig gemacht hätten. „Manfred Webers Kurs gegenüber Giorgia Meloni in Italien ist hier für viele zur Blaupause geworden: Für den Machterhalt sollen Bündnisse mit rechten Parteien jetzt also legitim sein.“

Im Fall der Spanien-Wahl zum jetzigen Zeitpunkt kommt eine weitere Besonderheit hinzu: Spanien hat derzeit die Ratspräsidentschaft inne – und damit die Aufgabe, Sitzungen des Rates zu leiten sowie den Rat als Institution gegenüber anderen EU-Organen zu vertreten. Sowohl Freund als auch Lempp sehen den vor der Wahl befürchteten Regierungswechsel als Hemmnis, die Arbeitsfähigkeit jedoch nicht gefährdet.

Vox leugnet im Programm vor spanischer Parlamentswahl den Klimawandel – und könnte EU-Politik damit gefährden

Freund sieht jedoch nicht Vox Haltung gegenüber der EU als Problem an. Stattdessen nennt er die „Politik, die sie für Europa wollen“. Konkret meint der Grünen-Abgeordnete die „Rückabwicklung des Klimaschutzes, Demontierung der Demokratie nach ungarischem Modell“ und „eine menschenfeindliche Migrationspolitik“.

Der Green Deal der EU-Kommission, der den Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft vorsieht, sei gefährdet – und damit die europäische Wettbewerbsfähigkeit. „Während die USA massiv in Erneuerbare investieren, droht Europa abgehängt zu werden“, kritisiert Daniel Freund auf fr.de-Nachfrage die Politik der Rechtsaußen. „Rechtspopulisten setzen auf fossile Energieträger und ein Frauenbild wie in den 1950ern.“

Vox leugnet im Programm zur Spanien-Wahl den Klimawandel und spricht von einer „vom Westen aufgezwungenen Klimareligion“. Sie diene dafür, „Geldbeträge von der Mittel- und Arbeiterklasse an die Eliten zu transferieren, die die Klimaagenda vorantreiben“. Spanien müsse sich von internationalen Abkommen distanzieren, die spanische Unternehmen für Umweltprobleme verantwortlich machten.

Einfluss von Vox auf EU-Politik hängt von Verhandlungen nach Spanien-Wahl ab

Am Ende gilt: Vox wäre in einer möglichen Koalition nur Juniorpartner der Konservativen. „Welchen Einfluss Vox dann auf die spanische Politik nähme, hängt von den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen ab“, erkärt EU-Experte Lempp. „Gefährlich ist, dass Vox die Gegnerschaft zur EU im spanischen Wahlkampf zum Thema gemacht hat und nach der Wahl gegenüber den eigenen Wählern in der Pflicht stünde, in Koalitionsverhandlungen einen Punktsieg zu erringen.“ Insgesamt sei Spanien jedoch eindeutig pro-EU eingestellt. Vox könnte sich deshalb auf andere Themenfelder konzentrieren. Eine Möglichkeit ist dabei Vox‘ antifeministische Agenda.

Trotz der EU-feindlichen Haltung von Vox und weiterer rechtspopulistischer und radikaler Parteien in der EU rechnet der Politologe deshalb nicht mit einer antieuropäischen Allianz, die zu einer Bedrohung der EU würde. „Dafür sind die Vorteile, die die EU den Bürgern (und auch Regierungen) bietet, einfach zu groß.“ (Max Schäfer)

Transparenzhinweis: Der Artikel war erstmals am Samstag, 22. Juli, veröffentlicht worden. Zu diesem Zeitpunkt prognostizierten zahlreiche Umfragen eine Mehrheit für eine rechtskonservative Koalition. Nach der Wahl am Sonntag, 23. Juli, verblieben zwei entsprechende Formulierungen zunächst im Artikel. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

Rubriklistenbild: © Kyodo News/Imago

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