Blockade droht

Rechts-Links-Dilemma nach der Spanien-Wahl: Warum eine Große Koalition unrealistisch ist

  • VonMax Schäfer
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Nach der Spanien-Wahl fehlen Rechten und Linken die Mehrheiten. Die Zusammenarbeit von vielen Parteien wird nötig. Warum eine Große Koalition trotzdem unrealistisch ist.

Madrid – Alberto Núñez Feijóo und seine konservative PP gewinnen die Spanien-Wahl. Mit 136 Sitzen sind sie die deutlich stärkste Kraft. Núñez Feijóo erklärte noch am Sonntagabend, er wolle eine Regierung bilden. Das ist jedoch eine Herausforderung angesichts der Patt-Situation zwischen dem rechten und linken politischen Lager. Die rechtsextreme Vox hat deutlich verloren, so dass einem Bündnis der PP mit Rechtsaußen sieben Sitze fehlen. Bei der linken Koalition aus der sozialdemokratischen PSOE und Sumar sind es sogar 23 Sitze zu wenig. Die können jedoch auf Kleinparteien hoffen.

Dennoch: Spanien steht nach der Parlamentswahl vor einer politischen Blockade – eine Neuwahl droht. Damit setzt sich 2023 die Tendenz fort, die bereits 2015 und 2019 zu sehen war. Die traditionellen Volksparteien links und rechts der Mitte erreichen keine absoluten Mehrheiten mehr. Auch für Zwei-Parteien-Koalitionen reicht es nicht mehr. Bereits 2019 wurde Pedro Sánchez‘ Allianz mit Podemos, die sich in diesem Jahr der Sumar-Liste angeschlossen haben, von den separatistischen Parteien ERC (Katalonien) und EH Bildu (Baskenland) unterstützt.

Linke und rechte Bündnisse nach Spanien-Wahl ohne Mehrheit: Was ist mit der Großen Koalition?

Das rechte Lager kann dagegen nicht auf die Kleinparteien hoffen. Diese haben bereits vor der Spanien-Wahl angekündigt, das konservativ-rechtsextreme Bündnis nicht zu unterstützen. Hintergrund dabei ist unter anderem, dass Vox den Zentralstaat stärken und Rechte der Autonomieregionen schwächen und separatistische Bewegungen bekämpfen will.

Pedro Sánchez ist nach der Parlamentswahl in Spanien erleichtert, schließlich bleibt der befürchtete Rechtsruck aus. Aber auch für ihn wird die Regierungsbildung schwierig.

Angesichts der drohenden Blockade durch das knappe Ergebnis der Spanien-Wahl wird eine Große Koalition aus der konservativen PP und der sozialdemokratischen PSOE immer attraktiver. Diese würde eine stabile Mehrheit stellen können. Dementsprechend nehmen die Stimmen zu, die das Bündnis fordern.

Konservative Zeitung fordert nach Spanien-Wahl historische Allianz – und fürchtet Separatisten

„Es liegt nun an den beiden großen Parteien, sich verantwortungsvoll zu verhalten, um die Polarisierung nicht noch weiter anzuheizen“, kommentiert die eher konservative Zeitung El Mundo die Wahl. Die Zeitung fordert die PP auf, Sánchez in den „entscheidenden Fragen des Landes“ zu unterstützen, damit die Regierung nicht von Separatisten abhängig sei. El Mundo befürchtet, dass Sánchez erneut mit Sumar und der Unterstützung von ERC und EH Bildu fortsetzen will, jedoch auf Junta, der Partei des separatistischen geflohenen katalanischen Regierungspräsidenten Carles Puigdemont angewiesen wäre.

Auch die Zeitung El País sieht Puigdemont als möglichen Schlüssel für die Fortsetzung des von Regionalparteien tolerierten Linksbündnisses, weist jedoch auf dessen konfrontative Haltung hin, die – so die Einschätzung des Blattes – zu einer Wahlwiederholung führen könnte. Puigdemont hatte vor der Wahl die Unterstützung für beide Parteien abgelehnt, Junts-Chefin Miriam Nogueras erklärte jedoch am Wahlabend, eine Unterstützung werde nicht umsonst sein. Die Möglichkeit, PSOE und Sumar zu tolerieren, besteht also.

Große Koalitionen widersprechen politischer Kultur in Spanien

Eine nun wieder debattierte Große Koalition aus den großen Volksparteien ist dagegen fraglich. Zwar kam die Diskussion immer wieder auf – etwa 2015, als ebenfalls alles nach einer Blockade aussah – wurde jedoch nie ernsthaft verhandelt. In Spanien ist das Lagerdenken entlang klassischer Konfliktlinien ausgeprägt. Die Kompromissbereitschaft ist eher gering, sattdessen dominiert eine Kultur maximalistischer Forderungen. Das erklären die Politikwissenschaftler Dieter Nohlen und Mario Kölling in ihrem Buch zur spanischen Politik.

Beide nennen den früheren PP-Ministerpräsidenten José Maria Aznar als Akteur, der die Konfrontation der Lager vorangetrieben habe. In seiner Regierungszeit zwischen 1996 und 2004 habe er sich dem Dialog und Kompromissen entzogen, gegen die öffentliche Meinung gehandelt, die Opposition behindert und ignoriert sowie auf Zentralisierung und Polarisierung gesetzt.

Vor der Spanien-Wahl 2023 hat sich Pedro Sánchez ebenfalls gegen eine Zusammenarbeit ausgesprochen. Er wolle zudem keine PP-Minderheitsregierung dulden. Darauf hatte Feijóo mehrmals hingewiesen. Deshalb hätte er „keine andere Wahl“ als mit Vox zu sprechen. Die Rechtsextremen hatten jedoch deutlich verloren, weshalb das Bündnis nicht regierungsfähig ist. Der Rechtsruck – und dessen mögliche Folgen für die EU – bleibt deshalb vorerst aus. (ms/dpa)

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