Experten halten Debatte für Zeitverschwendung

Union entfacht Diskussion um Kernenergie - trotz Widerstand der Betreiber

  • VonJan-Frederik Wendt
    schließen

Die Union plädiert für eine Überprüfung der potenziellen Wiedereröffnung deutscher Atomkraftwerke. Die Vorschläge stoßen auf erheblichen Widerstand.

Berlin – CDU und CSU wollen die Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken prüfen. Die Union kritisiert in einem Positionspapier die gescheiterte Ampelregierung für das Abschalten der letzten drei Kernkraftwerke im vergangenen Jahr. Die Opposition bezeichnete den Schritt als „ideologisch motivierte Fehlentscheidung“.

Nach dem Atomunglück in Fukushima hatten CDU und CSU die umstrittene Technologie selbst beerdigt. Nun sprach sich auf der UN-Klimakonferenz in Baku auch Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, für eine Rückkehr zur Kernkraft aus. Dieser Schritt sei nur logisch und rational.

Wird Deutschland nach der Bundestagswahl unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz den Atomstrom wieder anknipsen? Nicht, wenn es nach den deutschen Betreibern geht.

Unternehmen halten Atomenergie-Debatte für Zeitverschwendung

„Für uns gibt es kein Zurück mehr“, erklärt Guido Knott, PreussenElektra-Chef, dem ZDF. Sein Unternehmen betrieb eines der drei letzten deutschen Atomkraftwerke. Seit März befindet sich die Anlage im Rückbau - „und zwar mit Vollgas“, sagt Knott.

Das Kernkraftwerk Isar II: Eine Wiederinbetriebnahme schließen Verantwortliche aus.

Ein erneuter Betrieb sei aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr sinnvoll. Das habe man politischen Entscheidungsträgern deutlich signalisiert. Auch RWE lehnt diesen Schritt als zweiter AKW-Betreiber ab. Und auch Stimmen aus der Wirtschaft kritisieren die Überlegungen der Union. So hält der Industrieverband BDI diese Debatte für Zeitverschwendung. Auch CSU-Chef Markus Söder kassierte für seine Forderungen nach Atomenergie viel Kritik.

Aber: Die Union ignoriert diese skeptischen Stimmen. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz thematisiert regelmäßig seine neue Hoffnung: Small Modular Reactors (SMR). Dabei handelt es sich um Mini-Atomkraftwerke, die circa ein Viertel der Leistung herkömmlicher Kraftwerke aufbringen sollen.

Experte rechnet mit neuer Atomenergie-Technologie

Die Idee der Mini-Atomkraftwerke ist nicht neu, sie existiert seit Jahrzehnten. Aber: Bis heute ist kein kleiner Reaktor gebaut. Laut einer Studie des Bundesamtes für Sicherheit der nuklearen Entsorgung müssten mindestens 3000 Exemplare produziert werden, damit sich die Technik lohne.

Irgendwann werden die SMRs auf dem Markt erscheinen, vermutet Energieökonom Mathias Mier von Ifo-Institut gegenüber dem ZDF. Allerdings seien sie teurer als ihre Vorgänger. Und: „herkömmliche Atomkraftwerke lohnen sich schon nicht zu bauen“, sagt der Experte. Atomstrom rechne sich nur im Dauerbetrieb. Der deutsche Strommix benötige flexible Kraftwerke, die seltene sonnen- und windarme Zeitspannen abdecken.

Merz zeigt sich skeptisch über Wiederinbetriebnahme von Atomkraftwerken

Im Gegensatz zur alten Atomkraft wird die Energie nicht durch Spaltung gewonnen - sondern durch die Verschmelzung zweier Atomkerne. Das bedeute: weniger radioaktiver Müll, hoher Energiegewinn. Marktreif sei die Technologie aber noch lange nicht.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein unglaublich komplexes Ding vor Ende des Jahrhunderts kommerziell nutzbar ist.

Matthias Mier, Energieökonom

Insbesondere, wenn die Technologie mit vergleichbaren Solar- und Windanlagen konkurrieren müsste, so Mier.

Dennoch: Für die Fusionsreaktoren werden bereits Standorte gesucht. An dieser Stelle kommen die alten AKWs ins Spiel. Erste Interessenten für das Kernkraft-Gelände Isar II gebe es bereits. Allerdings befindet sich die Anlage bis 2040 im Rückbau. Knott befürchtet, dass die erneute Debatte seine Mitarbeitenden verunsichert. „Ich möchte nicht, dass sie davon abgelenkt sind und eben der ein oder andere vielleicht nochmal die Idee hat oder auch die Hoffnung hat, dass die Anlage wieder zurück ans Netz kommen könnte.“

Während die CSU den sofortigen Rückbaustopp fordert, ruderte CDU-Chef Merz bei der ZDF-Sendung Maybrit Illner zurück. Er äußerte Skepsis, ob ein Wiedereinstieg tatsächlich gelinge. Warum seine Fraktion eine Prüfung wenige Tage später fordert, bleibt offen. (Jan Wendt)

Rubriklistenbild: © Armin Weigel/dpa