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Abseits der Charkiw-Front erobert Russland wohl ein ukrainisches Dorf nach dem anderen
VonNatascha Berger
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Trotz der stabilisierten Front in Charkiw berichten ukrainische Soldaten von einer düsteren Realität in der Oblast Donezk. Die Sorge um Tschassiw Jar wächst.
Tschassiw Jar – Im seit mehr als zwei Jahren andauernden Ukraine-Krieg melden sowohl Kiew als auch Moskau immer wieder eigene Erfolge, die jedoch teils nur schwer unabhängig zu prüfen sind. Während Berichte jedoch nahelegen, dass Russland bei Angaben zu Landgewinn in der Ukraine zuletzt übertrieben haben könnte, geben ukrainische Soldaten nun ein anderes Bild ab. Putins Truppen sollen demnach wohl im östlichsten Donbass-Gebiet immer weiter nach Tschassiw Jar vorrücken.
Seit Russland im Mai 2024 seine neue Offensive in der Region um die ukrainische Stadt Charkiw gestartet hat, ist es den Streitkräften von Präsident Wladimir Putin gelungen, mehrere Dörfer zu erobern. Wurde zuletzt jedoch der Erfolg der Ukraine in der Verteidigung Charkiws hervorgehoben, zeichnet sich laut einem Bericht des ukrainischen Online-Mediums Kyiv Independent nun ein düsteres Bild in der Nachbar-Oblast Donezk ab. Russische Truppen sollen demnach „ein Dutzend kleiner Dörfer überrannt“ haben und sich immer mehr der strategisch wichtigen Stadt Tschassiw Jar nähern.
Charkiw im Ukraine-Krieg stabilisiert: Russland rückt wohl immer weiter bei Tschassiw Jar vor
„Es scheint, dass die Ukraine die Front in Charkiw stabilisiert hat, aber die Sorge besteht darin, ob sie die Fronten von Tschassiw Jar und Pokrowsk anfälliger gemacht haben“, sagte ein Analyst des Think-Tanks Foreign Policy Research Institute. Seit Kriegsbeginn macht Moskau kein Geheimnis daraus, dass die Eroberung der einstigen 13.500-Einwohner-Stadt Tschassiw Jar im Ukraine-Krieg eine hohe Priorität hat.
Reuters berichtet, dass Russland bereits begonnen habe, einen Stadtteil entlang eines Kanals in der Stadt zu besetzen. Eine militärische Quelle sagte der Nachrichtenagentur, dass russische Truppen mithilfe von Langstreckenraketen, Drohnen und Luftbomben ihre Kräfte vor der Stadt verstärken würden. Kiew bestätigte dies bislang nicht, meldete zuletzt einen Angriff bei Tschassiw Jar zurückgeschlagen zu haben.
„Systematisch aus dem Dorf verdrängt“: Ukrainische Soldaten geben düsteres Bild in Oblast Donezk ab
Laut Kyiv Independent, steht Russland außerdem kurz vor der Eroberung des Dorfes Iwaniwske, rund sechs Kilometer von Bachmut entfernt. Die beiden Hauptstraßen des kleinen Ortes stünden bereits seit April unter der Kontrolle von russischen Streitkräften. „Ukrainische Soldaten werden systematisch aus dem Dorf verdrängt, ein zerstörtes Haus nach dem anderen“, heißt es weiter. Von den rund 70 Infanteristen, die Iwaniwske in einem Schützengraben außerhalb des Dorfes verteidigen sollten, seien etwa 80 Prozent binnen vier Tagen entweder getötet oder schwer verletzt worden, sagte eine Militärquelle gegenüber dem ukrainischen Portal.
Während ukrainische Soldaten und Kommandeure gegenüber Kyiv Independent berichten, Putins Truppen seien durch den Einsatz vieler Drohnen „ohne direkten Kampf“ nach Iwaniwske eingelaufen,vermeldet Kiew, das russische Militär habe trotz verstärkter Bemühungen „keinen Erfolg“ in der Region.
Bilder des Ukraine-Kriegs: Großes Grauen und kleine Momente des Glücks
Putins Truppen haben wohl dutzende Dörfer in Donezk eingenommen – auch Versorgungsroute in Gefahr
Südlich von Tschassiw Jar rücken russische Truppen laut dem Bericht außerdem vor, um eine wichtige Versorgungsroute – die Autobahn T0504 – abzuschneiden. Die Soldaten seien nur etwa 10 Kilometer entfernt von dem Teil der Autobahn, der die Städte Kostjantyniwka und Pokrowsk verbindet. Der Vorstoß sei durch Russlands Durchbruch und die Eroberung des Dorfes Otscheretyne im April sowie des nahegelegenen Umanske im Juni möglich gewesen.
„Wir verlieren jeden Tag Stück für Stück – irgendwo haben wir ein wenig zurückgewonnen, irgendwo haben sie genommen, aber wir haben viel mehr verloren als gewonnen“, sagte ein ukrainischer Soldat der Kyiv Independent.
Trotz neuer Waffen- und Munitionslieferungen für Ukraine: Fällt Tschassiw Jar?
Die Erfolge Russlands sind vor allem auf den Munitions- und Waffenmangel des ukrainischen Militärs im Frühjahr zurückzuführen. Wie BBC berichtet, konnten ukrainischen Streitkräfte laut dem britischen Think-Tank Royal United Services Institute nur 2.000 Granaten pro Tag abfeuern, während die russischen Streitkräfte bis zu 10.000 Granaten pro Tag abschossen. Neue Lieferungen aus dem Westen würden zwar bereits helfen, doch sollte Russland seine Ressourcen auf Tschassiw Jar fokussieren, könne es für die Ukraine schwierig werden, die Stadt zu halten. (nbe)