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Trump – und nun, Europa? Blitz-Nato-Beitritt der Ukraine und „Hausaufgaben machen“
VonFlorian Naumann
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Donald Trumps Wahlsieg schockiert Europa. Auch in Brüssel ist die Sorge groß – drei EU-Politiker schildern IPPEN.MEDIA ihren Blick auf die Rückkehr Trumps.
Donald Trump wird US-Präsident. Und nun? Josep Borrell schien in seiner vielleicht letzten Parlamentsrede in Brüssel erst eine kleine Hoffnung zu schüren – nur, um sie gleich wieder einzukassieren. „Häufig machen Politiker Wahlkampfversprechen, setzen sie nicht um. Oder sie machen genau das Gegenteil“, sagte der scheidende EU-Außenbeauftragte. „Wir müssen aber gewappnet sein und nicht erstarren wie in Tier im Lichtkegel eines Autos“, fügte er hinzu.
Bleibt die Frage, wohin die EU nun springen soll. Vor allem Europas Sicherheit, der Ukraine-Krieg und die Wirtschaft könnten zum Problem werden. IPPEN.MEDIA hat in Brüssel mit drei Europapolitikern gesprochen – und flammende Appelle, überraschende Forderungen und nüchterne Vorschläge gehört. Aber auch die Warnung vor einer noch schlimmeren zweiten Amtszeit. Klar ist: Trump wird der EU und Deutschland Arbeit bescheren. Die teils wohl besser schon vor einiger Zeit erledigt worden wäre.
USA wackeln im Ukraine-Krieg: „Eine Niederlage gegen Russland ist ein reales Sicherheitsproblem“
Trumps großes Versprechen für den Ukraine-Krieg klingt in den Ohren vieler europäischer Außen- und Verteidigungspolitiker wie eine Drohung: Den Krieg binnen 24 Stunden zu beenden. „Natürlich sollte dieser Krieg schnell enden. Aber es ist wichtig, wie er endet“, betonte Borrell. Berichten zufolge könnte das für Trumps Umfeld so aussehen: Russland behält die eroberten Gebiete in der Ost- und Südukraine, eine demilitarisierte Zone an der „Grenze“ wird errichtet und die Ukraine ein neutraler Staat.
Für Marina Kaljurand, früher estnische Außenministerin und Botschafterin in Russland und den USA, klingt das verheerend. „Ja, es könnte Frieden durch einen Handschlag zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj geben – aber dann werden wir in einem anderen Europa leben“, sagt die Sozialdemokratin IPPEN.MEDIA. „In einem Europa, in dem wir jederzeit auf Attacken auf Nachbarstaaten vorbereitet sein müssen. Und noch schlimmer, in einer Welt, die sieht, dass es in Ordnung ist, einen Nachbarn zu überfallen.“ Es gebe nur eine Lösung: Die EU müsse die Ukraine weiter unterstützen, so lange wie nötig.
Das sieht auch der Grünen-Außenpolitiker Sergey Lagodinsky so. Er formuliert seinen Schluss allerdings etwas anders. „Eine Niederlage der Ukraine gegen Russland ist ein reales Sicherheitsproblem. Da geht es nicht mehr um geostrategische Spiele“, betont er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich würde nicht sagen, dann ist Polen sofort als Nächstes dran.“ Aber: Auch Europa sende in diesem Szenario auch ein schlimmes Signal für seine eigene Sicherheit. Das, nicht fähig zu sein, „ein Land zu verteidigen oder zumindest dabei behilflich zu sein. Ergo: Wir sind auch nicht fähig, uns selbst zu verteidigen.“ Das strahle schon jetzt bis auf die Wahlergebnisse in Moldau oder Georgien.
Trump und der Ukraine-Krieg: „Jetzt haben wir den Salat“
Lagodinsky ist skeptisch, ob die Ukraine nun noch allein aus Europa ausreichend gerüstet werden kann. „Da sind wir schon fast zu spät. Deswegen haben wir die ganze Zeit gefordert, mehr zu liefern, schneller zu liefern, ohne Beschränkungen zu liefern – jedenfalls ohne unsinnige Beschränkungen“, sagt er mit Blick auf Verbote des Waffeneinsatzes auf russischem Territorium. „Jetzt haben wir den Salat.“ Insbesondere mit Haushaltsbremsen „überall“ sei die Aufgabe nun nicht mehr zu stemmen.
Die Forderung des in Russland geborenen deutschen Grünen: Die Zeit bis zu Trumps Amtsübergabe müssen nun genutzt werden, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu verschaffen. „Und zwar solche, die Trumps Amtszeit überdauern.“ Das könne durchaus auch eine Nato-Mitgliedschaft sein. „Man müsste das so designen, dass es sich nicht auf umstrittene Territorien erstreckt“, räumt Lagodinsky ein. „Irgendeine kreative Lösung brauchen wir, sonst geht alles den Bach runter.“
US-Präsident Trump: Ex-Diplomatin ist sich sicher – zweite Amtszeit wird schlimmer als die erste
Ungute Gefühle erweckt indes auch der Blick auf die Wirtschaft. Zölle könnten natürlich auch die deutsche Wirtschaft treffen, sagt der CSU-Binnenmarkt-Experte Christian Doleschal IPPEN.MEDIA. „Die Lehre aus den Unwägbarkeiten der großen Weltpolitik muss eigentlich sein, dass sich Europa auf sich selbst konzentriert. Europa muss ein Stück weit erwachsen werden“, fordert er. Das gehe etwa über Handelsabkommen. Und: „Wir sollten die Hemmnisse im Binnenmarkt abbauen, unsere eigene Stärke ausbauen. Wir sollten Derisking betreiben, um von möglichst wenig anderen Märkten so abhängig zu sein, dass es ein großes Problem werden kann.“
Auch Kaljurand sieht nun schnelles Handel gefordert – und Eigenständigkeit. „Wir waren abhängig von US-Verteidigung, von russischer Energie, von billiger Arbeit in China. Jetzt ändert sich die Welt. Wir müssen uns selbst versorgen. Es ist Zeit, uns gut um unseren Kontinent zu kümmern.“ Das gelte für Wirtschaft, Soziales, Gesundheit, „für alles“. Europa müsse nun „effizient“ werden.
Donald Trumps Kabinett: Liste voller skandalöser Überraschungen
Die Ex-Diplomatin warnt: Trumps neue Amtszeit werde schlimmer werden als die erste. Sie glaube an Diplomatie und Gespräche, daran, auch bei widerstreitenden Haltungen in Kontakt zu bleiben. „Wir müssen mit demokratisch gewählten Personen kooperieren, mit wem auch immer“, sagt sie mit Blick auf die USA. Das werde nun aber noch schwieriger – insbesondere angesichts von Trumps Personalentscheidungen für sein Kabinett. „Das werden Ja-Sager sein, die ihn tun lassen werden, was er will“, warnt sie. „Es wird ganz anders sein, als in der ersten Präsidentschaft.“ Die Estin fügt hinzu: „Wo sind die Werte? Die historische Rolle der USA schwindet, sie schwindet immer weiter.“ (Aus Brüssel berichtet Florian Naumann)