Polnischer Beamte warnt

„Schwierig zu erklären“: Merz macht Grenzen dicht – Nachbarland droht mit Konsequenzen

  • VonMax Nebel
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Dobrindt verspricht schnellere Maßnahmen zur Kontrolle der Migration. Polen sieht die deutschen Pläne kritisch und fordert Schengen-Respekt.

Berlin/Warschau – Die angekündigte „Asylwende“ der künftigen schwarz-roten Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) sorgt bereits vor Amtsantritt für diplomatische Spannungen. Während die Union mit verschärften Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Migranten die illegale Migration stoppen will, formiert sich Widerstand im europäischen Ausland – insbesondere in Polen. Das Nachbarland warnt vor wirtschaftlichen Konsequenzen und droht indirekt mit politischen Gegenmaßnahmen.

Merz macht die Grenzen dicht: Nachbarland Polen droht mit Konsequenzen

Jan Tombinski, polnischer Geschäftsträger in Deutschland, äußert im Magazin Politico scharfe Kritik an den Plänen Berlins: Schon die derzeitigen Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze „seien ein Problem für den täglichen Grenzverkehr und das Funktionieren des EU-Binnenmarktes.“ Seit Einführung der temporären Kontrollen durch die Vorgängerregierung komme es regelmäßig zu stundenlangen Staus, die den Warenverkehr behinderten. Eine weitere Verschärfung lehnt Warschau kategorisch ab: „Wir wünschen daher nicht, dass es zu einer Verschärfung der Grenzkontrollen kommt.“

Tombinski betont zwar die Solidarität Polens beim Schutz der EU-Außengrenzen in Zeiten des Ukraine-Kriegs, insbesondere zu Russland und Belarus, pocht jedoch auf die Einhaltung der Schengen-Regeln. Zugleich erwarte seine Regierung, „dass die Freizügigkeit im europäischen Schengenraum erhalten bleibt“.

Für die polnische Bevölkerung sei es „schwierig zu erklären, dass wir in unsere Außengrenze investieren und gleichzeitig die verschärften Kontrollen an der deutschen Grenze bekommen“, so der polnische Botschaftsmitarbeiter. Hintergrund ist die milliardenschwere Aufrüstung der polnischen Grenzanlagen zu Belarus, die auch mit deutscher Unterstützung finanziert wurde.

Minister unter Merz: Komplette Liste des Kabinetts – von Klingbeil bis zu „neuen Gesichtern“

17 Ministerinnen und Minister, dazu ein Bundeskanzler namens Friedrich Merz: Sie bilden das Kabinett der Koalition aus CDU, CSU und SPD und damit die 25. Bundesregierung Deutschlands.
17 Ministerinnen und Minister, dazu ein Bundeskanzler namens Friedrich Merz: Sie bilden das Kabinett der Koalition aus CDU, CSU und SPD und damit die 25. Bundesregierung Deutschlands. © dpa
Fritze Merz Kabinett CDU CSU Minister
Der neue Kanzler (offiziell ab dem 6. Mai): Friedrich Merz hat sein Kabinett zusammengestellt. Der 69-Jährige hat vertraute und neue Gesichter auserkoren. In dieser Fotostrecke finden Sie alle von der CDU bestimmten Minister, auch die von der CSU und SPD sind hier zu finden.  © IMAGO/Uwe Koch
Thorsten Frei Kanzleramtsminister Merz Kabinett
Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes: Thorsten Frei (51) ist einer der engsten Vertrauten von Friedrich Merz und in der CDU angesehen.  © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Johann Wadephul Außenminister Merz Kabinett
Bundesminister für Auswärtiges: Johann Wadephul (CDU) heißt der neue Außenminister.  © IMAGO/ESDES.Pictures, Bernd Elmenthaler
Katherina Reiche Wirtschaftsministerin Merz Kabinett
Bundesministerin für Wirtschaft und Energie aus der CDU: Katherina Reiche ist 51 Jahre alt und wird die Nachfolge von Robert Habeck antreten. © IMAGO
Karin Prien Bildungsministerin FAmilie merz Kabinett
Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Karin Prien von der CDU wird Bildungs- und Familienministerin, sie ist 59 Jahre alt. © IMAGO/Jens Schicke
Nina Warken Gesundheitsministerin Kabinett Merz
Bundesministerin für Gesundheit: CDU-Ministerin Nina Warken (45) soll die Nachfolge von Karl Lauterbach antreten.  © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Karsten Wildberger Digitalminister Merz Kabinett
Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung: Karsten Wildberger ist die wohl größte Überraschung, der ehemalige MediaMarkt-Chef ist 56 Jahre alt.  © AnikkaxBauer
Wolfram Weimer Minister für Kultur
Kulturstaatsminister: Wolfram Weimer, der 60-Jährige pflegt gute Kontakte in einige Verlage.  © IMAGO/Thomas Bartilla
Schnieder Vekehrsminister CDU Kabinett Merz
Bundesminister für Verkehr: Patrick Schnieder von der CDU soll Verkehrsminister werden. © IMAGO
Dobrindt Innenminister CSU Kabinett Merz Liste
Bundesminister des Innern und für Heimat: Alexander Dobrindt. Der 54-jährige CSU-Mann ist schon zum zweiten Mal Minister. Unter Angela Merkel war er von 2013 bis 2017 Verkehrsminister © IMAGO/ESDES.Pictures, Bernd Elmenthaler
Alois Rainer LAndwirtschaft Merz Kabinett
Landwirtschaftsminister soll der CSU-Politiker Alois Rainer werden. Der 60-Jährige ist durchaus ein überraschender Name, den Söder hier aus den CSU-Kreisen ausgewählt hat.  © IMAGO/Christian Spicker
Bär Ministerin Söder Merz KAbinett
Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt: Dorothee Bär (47) übernimmt das neu zusammengestellte Ministeramt. Die CSU-Politikerin galt von vorneherein als Favoritin aus Bayern.  © IMAGO/Heiko Becker
Klingbeil Kabinett Vizekanzler Finanzminister
Lars Klingbeil wird Vizekanzler und Finanzminister. Der 47-Jährige spricht über die SPD-Minister mit den Worten: „Generationswechsel“ und „neue Gesichter und erfahrene Persönlichkeiten“. Nachfolgend sind alle SPD-Ministerinnen und SPD-Minister aufgelistet.  © IMAGO/FRANK TURETZEK
Boris Pistorius Verteidigunsminister SPD Merz Klingbgeil
Verteidigungsminister bleibt Boris Pistorius, 65 Jahre alt. Er ist eines der prominentesten SPD-Mitglieder des Kabinetts. © IMAGO/Noah Wedel
Der bisherige Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gilt im Merz-Kabinett als gesetzt, wenn es mit schwarz-rot klappt. Er könnte allerdings das Ministerium wechseln und sogar Vizekanzler werden.
Pistorius ist der einzige Minister der einstigen Ampel-Koalition unter Olaf Scholz, der auch unter dessen Nachfolger Friedrich Merz einen Platz im Kabinett gefunden hat. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Bas Ministerin Arbeit Kabinett
Bärbel Bas, die 57-Jährige wird Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Von 2021 bis 2025 war die SPD-Politikerin Präsidentin des Deutschen Bundestags.  © IMAGO
Hubig, Justiz 56 SPD MErz Kabinett
Dr. Stefanie Hubig ist 56 Jahre alt. Sie wird Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. DIe SPD-Politikerin ist schon in Rheinland-Pfalz Ministerin für Bildung gewesen.  © IMAGO/Jürgen Heinrich
Reem Alabali-Radovan Bundesministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Die jüngste Person aus der SPD-Riege. Reem Alabali-Radovan ist 35 Jahre alt und kümmert sich um „Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“. © IMAGO/Jürgen Heinrich
Hubertz wohnen, Bauministerin SPD KAbinett Merz Klingbeiil
Auch nicht viel älter, auch von der SPD: Verena Hubertz, 37 Jahre, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.  © IMAGO
Carsten Schneider SPD Umweltminister Merz Klingbeil Kabinett
Carsten Schneider von der SPD (49), nicht zu verwechseln mit Patrick Schnieder, wird Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Saskia Esken, ehemalige Parteivorsitzende der SPD
Saskia Esken, ehemalige Parteivorsitzende der SPD, galt lange Zeit als aussichtsreiche Kandidatin für einen Kabinettsposten in der Regierung von Friedrich Merz. © Christophe Gateau/dpa
Armin Laschet (CDU) wollte 2021 selbst Kanzler werden und scheiterte. Nach der Bundestagswahl 2025 werden ihm Außenseiter-Chancen auf ein Amt unter Merz ausgerechnet.
Armin Laschet (CDU) wollte 2021 selbst Kanzler werden und scheiterte. Nach der Bundestagswahl 2025 galt er zumindest als Außenseiter-Kandidat für einen Posten im Kabinett von Friedrich Merz. Daraus wurde letztlich nichts. © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Kultursenator Joe Chialo
Kultursenator Joe Chialo war für die Berliner CDU bei den Koalitionsverhandlungen dabei (Archivbild). Fachleute spekulierten daraufhin Chialo könnte von Friedrich Merz als Kultusminister in sein Kabinett berufen werden. Doch der Posten ging letztlich an den Merz-Vertrauten Wolfram Weimer. © Jörg Carstensen/dpa
Jens Spahn als neuer und alter Minister? Dahinter steht ein Fragezeichen, auch wenn Spahn gewiss Ambitionen hat. Der frühere Gesundheitsminister stand wegen der Maskenaffäre in der Kritik. Andererseits verfügt er über große Regierungserfahrung, die Merz selbst bekanntermaßen fehlt.
Auch Jens Spahn hatte sich Hoffnungen auf einen Kabinettsposten unter Kanzler Friedrich Merz gemacht. Der ehemalige Gesundheitsminister ging in Sachen Kabinett zwar leer aus, kann sich aber dennoch über eine Beförderung im neuen Bundestag freuen: Spahn wird die CDU-Abgeordneten im Bundestag künftig als Fraktionsvorsitzender anführen. © IMAGO/Jens Schicke

Deutsche „Asylwende“: Designierter CSU-Innenminister Dobrindt kündigt Maßnahmen an

Der designierte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) zeigt sich indes unbeeindruckt. In der Süddeutschen Zeitung kündigt er an: „Es wird sofort Entscheidungen geben.“ Grenzen würden zwar nicht geschlossen, aber „stärker kontrolliert“. Dobrindt kritisiert die jüngst beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) als unzureichend: „GEAS geht in die richtige Richtung, ist aber zu langsam. Wir wollen zusätzlich etwas erreichen.“

Bereits vor seiner offiziellen Amtseinführung am 6. Mai führt der CSU-Politiker Gespräche mit europäischen Partnern, um nationale und EU-weite Maßnahmen zu koordinieren. Konkret plant die Regierung, Asylverfahren künftig in „sicheren Drittstaaten“ wie Ruanda oder Ghana durchzuführen und den Familiennachzug für bestimmte Gruppen auszusetzen.

Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz will Grenzkontrollen verschärfen, was diplomatische Konflikte auslöst. Warschau lehnt die Pläne entschieden ab, wie Botschaftsmitarbeiter Jan Tombinski (rechts) erläutert.

Merz‘ Pläne für deutsche Grenzkontrollen werden von Polizeigewerkschaft kritisiert

Die Umsetzbarkeit der Pläne der neuen Regierung von Friedrich Merz wird indes von Experten angezweifelt. Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), warnt, in einem weiteren Interview der Süddeutschen Zeitung: „Flächendeckende Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen halten wir derzeit für nicht realistisch umsetzbar.“ Allein die Bundespolizei benötige „mindestens 20.000 zusätzliche Stellen“, um Personalüberlastung zu vermeiden.

Hinzu kommen rechtliche Bedenken. Die geplanten Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze könnten gegen EU-Recht verstoßen, da jedes Asylgesuch individuell geprüft werden muss. Tombinski verweist entsprechend gegenüber Politico darauf, dass Polen zwar „zu seinen Verpflichtungen im Rahmen der EU-Gesetzgebung“ stehe, darunter der neuen GEAS-Asylpolitik, jedoch keine unilateralen Maßnahmen akzeptieren werde.

Merz will deutsche Grenzen dicht machen: Starke AfD treibt die Union

Hinter dem harten Kurs der Union steht auch die Sorge um die eigenen Umfragewerte. Die AfD, die am Freitag (2. Mai) vom deutschen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde, liegt bundesweit bei über deutlich über 20 Prozent und hat in Ostdeutschland teils die CDU überholt. Dobrindt begründet die Verschärfungen in dem genannten Zeitungsinterview mit der „starken Polarisierung im Land“, die nur durch eine Reduzierung der Migration überwunden werden könne.

Auch der der designierte Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) bekräftigte unlängst im Dialog mit den den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Jeder, der illegal nach Deutschland einzureisen versucht, muss vom 6. Mai an damit rechnen, dass an der deutschen Grenze Schluss ist.“ Doch selbst innerhalb der Union gibt es Zweifel. Ein CDU-Abgeordneter äußert laut der Süddeutschen hinter vorgehaltener Hand: „Ob wir in der Innenpolitik wirklich eine Zeitenwende erleben, ist längst nicht ausgemacht.“

Jeder, der illegal nach Deutschland einzureisen versucht, muss vom 6. Mai an damit rechnen, dass an der deutschen Grenze Schluss ist.

Thorsten Frei (CDU)

Friedrich Merz plant als Bundeskanzler raschen Antrittsbesuch in Polen

Friedrich Merz plant derweil für die kommende Woche einen Antrittsbesuch bei Polens Ministerpräsident Donald Tusk. Das Timing ist heikel: Am 18. Mai stehen in Polen Präsidentschaftswahlen an, bei denen die nationalkonservative Opposition PiS aktuell in Umfragen führt. Sollte Merz keine Kompromissformel präsentieren, könnte Warschau seine Blockadehaltung in anderen EU-Politikfeldern verstärken – etwa bei der geplanten Aufnahme der Ukraine in die EU.

Tombinski lässt bereits durchblicken, dass Polen im Gegenzug für Zugeständnisse bei den Grenzkontrollen andere Projekte unterstützen könnte. Doch die Uhr tickt: Sollte die neue Bundesregierung ihre Pläne wie angekündigt umsetzen, droht nicht nur ein diplomatischer Konflikt, sondern auch ein Präzedenzfall für den Schengen-Raum.

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