Ähnlichkeiten mit Vorfall bei Finnland
Sabotage in der Ostsee? Nun meldet auch Schweden Schaden an Unterseekabel – verdächtige Schiffe gesichtet
VonChristiane Kühlschließen
Nach Finnland meldet nun auch Schweden plötzliche Schäden an Unterwasserkabeln. Die Nervosität in der Ostsee steigt, denn die Vorfälle machen die Verletzlichkeit solcher Infrastruktur deutlich.
Stockholm/München – In der Ostsee hat nach Finnland nun auch Schweden verdächtige Schäden an einem Unterseekabel nach Estland entdeckt. Auffällig seien Zeitpunkt und Ort: Der Schaden sei am selben Tag und in der gleichen Gegend entstanden wie jene an einer Gaspipeline und einem Telefonkabel zwischen zwischen Finnland und Estland, sagte Zivilverteidigungsminister Carl-Oskar Bohlin. In der Gasipeline Balticconnector war am frühen Sonntag morgen ein plötzlicher Druckabfall festgestellt worden. Die Gas-Durchleitung wurde sofort gestoppt. Estland und Finnland sprechen beide von einer „äußeren Aktivität“ als Ursache. Es wird Monate dauern, die Leitung zu reparieren. Desweiteren wurde ein Telekommunikationskabel beschädigt. Auch das Kabel zwischen Schweden und Estland ist teilweise beschädigt.
Die Orte aller drei Vorfälle liegen in internationalen Gewässern 50 Kilometer vor der Insel Hiiumaa im finnischen Meerbusen. „Wir können nicht beurteilen, was den Schaden verursacht hat“, sagte Bohlin auf einer Pressekonferenz in Stockholm. Die beteiligten Staaten sind vorsichtig. Doch drängte sich rasch der Verdacht auf, Russland könne hinter dem Vorfall stecken. In der Gegend südlich Finnlands wurde seismische Aktivität entdeckt, die auf eine Explosion hinweist, wie Forschende in Finnland und Norwegen berichteten.
Finnland: Schiffe aus China und Russland in fraglicher Region identifiziert
Finnland machte nun zumindest erste Andeutungen. Helsinki erklärte, man könne nicht ausschließen, dass ein „staatlicher Akteur“ hinter den Vorfällen stecke. Finnische Ermittler haben laut Reuters Schiffe identifiziert, die sich zum fraglichen Zeitpunkt am 8. Oktober in der Gegend der entdeckten Schäden aufhielten. Sie nannten speziell zwei Schiffe: Ein unter russischer Flagge fahrendes Frachtschiff mit Atomantrieb namens Sevmorput – sowie das chinesische Containerschiff NewNew Polar Bear. Sie stellen damit, bewusst oder nicht, den Verdacht in den Raum, China und Russland könnten gemeinsam hinter Anschlägen auf die Ostsee-Infrastruktur stecken.
Der Eigner der Sevmorput, Atomflot, eine Tochtergesellschaft des russischen Atomkonzerns Rosatom, wies die Behauptung, sein Schiff sei in den Vorfall verwickelt gewesen, als „unbegründet“ zurück Die Sevmorput sei an dem fraglichen Tag von Murmansk nach St. Petersburg gefahren und habe den Finnischen Meerbusen „ohne Verlangsamung“ passiert, teilte Atomflot laut Reuters mit: „Die Besatzung hat nichts Ungewöhnliches, Verdächtiges oder sonst Meldepflichtiges beobachtet oder aufgezeichnet.“
Die chinesische Reederei NewNew Shipping reagierte nicht auf Reuters-Anfragen zu ihrem Schiff. Die NewNew Polar Bear ist eisfähig und fuhr im Juli als erstes chinesisches Schiff aus St. Petersburg ausgelaufen über die Nordostpassage rund um Sibirien nach China. Möglicherweise ist sie nun einfach das zweite Mal auf der Strecke unterwegs.
Ostsee-Anrainer nervös über Anfälligkeit der Untersee-Infrastruktur
Doch schon allein dieser ungeheuerlich wirkende Verdacht zeigt die Nervosität in der Region seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Europa und die NATO sind zunehmend besorgt über die Sicherheit kritischer Infrastrukturen unter der Ostsee. Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson warnte erst am Freitag vor der Verwundbarkeit der „Spaghettischale aus Kabeln, Drähten und anderer Infrastruktur am Meeresgrund“. Er kündigte an, dass Schweden und seine Partner in der „Joint Expeditionary Force“ – einem von Großbritannien angeführten Militärbündnis aus zehn nordeuropäischen Staaten – nach Möglichkeiten suchen würden, den Schutz wichtiger Rohre und Kabel zu verbessern.
Es wird Monate dauern, die 77 Kilometer lange Gaspipeline Balticconnector zu reparieren, die Finnlands einzige Gasleitung ins Ausland ist, seit es kein Gas mehr aus Russland importiert. Auch die Kabel werden erst in einigen Wochen wieder funktionieren. Will jemand die Kommunikation in der östlichen Ostsee behindern – oder ein Warnsignal senden? Ist dieser jemand Russland?
Noch immer ist unklar, wer im September 2022 für die Explosionen der beiden Nord Stream-Pipelines unter der Ostsee verantwortlich ist. Auch in der Nähe der Nord Stream-Explosionen waren Schiffe gesichtet worden – russische Schiffe ohne Signal und ohne Fahrt. Eine in Deutschland gecharterte Yacht wiederum lenkte den Verdacht Richtung Ukraine. Beweise aber gibt es bisher nicht. (ck)
Rubriklistenbild: © JONATHAN NACKSTRAND/AFP
