Der chinesische Eisbrecher Xuelong 2 fährt zwischen Eisschollen hindurch
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Chinas Forschungs-Eisbrecher Xuelong 2 ist seit Anfang Juli in der Arktis unterwegs (Archivbild)

Rohstoffe, Forschung und Schifffahrt

China will in der Arktis „polare Großmacht“ werden – und zwar mit Hilfe von Russland

  • Christiane Kühl
    VonChristiane Kühl
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Durch den Klimawandel werden Verkehrswege und Rohstoffe in der Arktis zugänglicher. Das lockt immer mehr Staaten an. Auch China strebt nach einer Präsenz im hohen Norden – in Kooperation mit Russland.

Peking/München – Im arktischen Sommer schmelzen immer größere Teile des Polareises und geben damit jedes Jahr ein bisschen mehr Zeit für Forschung und kommerzielle Aktivitäten im Polarmeer. Genau dort hat China gerade die Erprobung eines Unterwasser-Abhörgeräts abgeschlossen, das nach Angaben des staatsnahen Polarforschungsinstituts aus Shanghai künftig in großem Maßstab im Arktischen Ozean eingesetzt werden soll. Die akustischen Informationen, die durch das geplante Abhörnetzwerk gesammelt werden, könnten etwa für „Kommunikation unter dem Packeis, Navigation und Positionierung oder die Rekonstruktion von Meeresumwelt-Parametern“ genutzt werden, teilte das Institut kürzlich in einer Studie mit. „Dies sind einige der heißesten Themen der Welt.“

Seit Jahren baut China eine Präsenz in den Nordpolargebieten auf, um Zugang zu Mineralvorkommen und Schifffahrtswegen sowie ein größeres Mitspracherecht in arktischen Angelegenheiten zu bekommen. Die Volksrepublik definierte sich schon vor Jahren einfach mal als „arktisnaher” Staat, trotz einer beträchtlichen Entfernung vom Polarkreis von 1400 Kilometern. 2014 kündigte China erstmals an, dass es bis 2030 eine „polare Großmacht” werden wolle. 2018 folgte ein eigenes Weißbuch für die Arktis-Politik.

China will in der Arktis zur „polaren Großmacht“ werden

Doch nicht nur China, sondern viele Staaten wollen an die unter dem Meer und dem schmelzenden Inlandeis ruhenden Rohstoffe Erdöl, Erdgas, Uran, Gold und Seltene Erden. Und so ist die Arktis durch den Klimawandel zu einem geopolitischen Hotspot geworden, in dem das Misstrauen steigt, vor allem gegenüber Peking und Moskau. Die USA und andere westliche Staaten warnen vor militärischer Nutzung wissenschaftlicher Forschung durch China und Russland. Die beiden Partner wollen in der Arktis künftig enger zusammenarbeiten.

Für Peking ist vor allem die Nordostpassage um Sibirien herum nach China interessant. Russland testet die Passage laut der staatlichen Zeitung Global Times gerade mit einem Öltanker, der Mitte August in Rizhao in Ostchina erwartet wird. Bisher gehen Russlands Rohölexperte nach China und auch Indien durch die viel längere traditionelle Südroute durch den Suezkanal. Im Juli war zudem erstmals ein eisfähiges chinesisches Containerschiff namens „Newnew Polar Bear“ aus dem russischen St. Petersburg ausgelaufen, um über die Nordostpassage nach China zu fahren.

China: Forschung auch zu militärischen Zwecken?

Das Eismeer rund um den Nordpol ist zum großen Teil internationales Gewässer. Nutzung und Schutz der Region regelt der Arktische Rat mit Sitz im norwegischen Tromsö, der acht Staaten umfasst: Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Schweden, Russland und die USA. Es geht etwa um Regeln für die Rohstoffgewinnung oder die Schifffahrt in der Region. Andere Staaten wie Deutschland oder Frankreich sind Beobachter; China und auch Indien wurden 2013 Beobachter.

China hat zwei Forschungsstationen in der Region, eine auf dem norwegischen Spitzbergen-Archipel weit nördlich des Polarkreises und die andere in Island. Beide Standorte arbeiten an einem breiten Spektrum, von der Meeresökologie bis zur Atmosphärenphysik.

Vier Experten warnen in einer kürzlich erschienen Studie der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) vor einer auch militärischen Nutzung der ozeanographischen und akustischen Forschungen Chinas. Dessen arktisches Forschungs-Ökosystem füge sich „in eine größere Bürokratie ein, die in der Vergangenheit Pekings geopolitische Ambitionen unterstützt hat.“ Die USA trommeln seit Jahren gegen chinesische Aktivitäten im Nordmeer. Die Arktis-Strategie der Biden-Regierung von Oktober 2022 wirft China vor, eine „Forschung mit doppeltem Verwendungszweck zu betreiben, die nachrichtendienstliche oder militärische Anwendungen hat.”

China: Westliche Staaten blockieren Arktis-Projekte

Aufgrund des westlichen Misstrauens gegenüber China scheitern viele Pläne Pekings, die auf eine Zusammenarbeit mit den Anrainern angewiesen sind. Kanada blockierte ein chinesisches Goldminenprojekt. Schweden entschied 2020, den Vertrag für Chinas erste Übersee-Bodenstation für Satelliten, das Esrange Space Center nahe dem nordschwedischen Kiruna, nicht zu verlängern, aufgrund des Verdachts von Verbindungen der Station zur Volksbefreiungsarmee. Finnland und Dänemark verweigerten China mehrfach Genehmigungen etwa für Forschungsstationen auf Grönland oder den Kauf eines Flughafens in Lappland – letzteres laut Medienberichten auch auf Druck der USA.

Die Bedrohung durch China „sollte nicht aufgebauscht werden“, meint dagegen Stephanie Pezard, Expertin für Sicherheitspolitik in der Arktis bei der US-Denkfabrik RAND. Vor allem in der nordamerikanischen Arktis „ist nicht viel los“, sagte Pezard. Gleichzeitig wolle China jedoch keinesfalls „von den Entwicklungen in der Arktis ausgeschlossen werden.“

„Da China kaum noch andere Möglichkeiten hat, erhöht es seine Investitionen in Russland und sieht Moskau als strategischen Partner seiner Wahl in der Arktis an“, schreiben die CSIS-Autoren. Moskau, einst wenig begeistert von Chinas arktischen Ambitionen, hat ebenfalls kaum eine Wahl. Seit Beginn des der Ukraine-Krieges wird es von den anderen Staaten des Arktischen Rats gemieden. Als Chinas Staatschef Xi Jinping im März nach Russland reiste, sagte ihm Putin: „Wir sehen die Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern bei der Entwicklung des Transitpotenzials der Nordostpassage als vielversprechend an.“ Russland sind zum Beispiel nun chinesische Investitionen in die Erdgasfelder der Jamal-Halbinsel oder in Nordmeer-Häfen willkommen.

Arktis: Experte sieht Russland als größtes Risiko

Marc Lanteigne von der Arktischen Universität im norwegischen Tromsö sieht sowieso vor allem Russland als Risikofaktor. „Die Wahrscheinlichkeit, dass die Spannungen zwischen Russland und dem Westen auf die Arktis übergreifen, ist angesichts der Militarisierung seiner arktischen Gebiete durch Moskau und der Ausdehnung der NATO in den hohen Norden gestiegen.“ Seit 1951 ist Spitzbergen unter dem Schutzschirm der Nato. Auf Basis eines Vertrages von 1920 dürfen aber andere Staaten die Inseln unter anderem als Standort naturwissenschaftlicher Forschung nutzen. Russland betreibt dort zwei Standorte und kündigte im April an, eine Basis gemeinsam mit den Staaten der BRICS-Gruppe – neben Russland selbst China, Brasilien, Indien und Südafrika – anzustreben.

Auch in der Antarktis ist China übrigens zunehmend aktiv. Peking lässt dort gerade die fünfte Forschungsstation errichten, wie das CSIS auf Basis von Satellitenbildern feststellte. Auf dem Eiskontinent dürfen alle Staaten nicht-militärische Forschung betreiben.