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Putins brutale Charkiw-Offensive: Zerstörung, Leid und wieder eine Geisterstadt
VonStephanie Munk
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Russland könnte mit seiner Charkiw-Offensive im Ukraine-Krieg weiter verbrannte Erde hinterlassen: Wowtschansk gleicht schon jetzt einer Geisterstadt, schwere Kämpfe dauern an.
Charkiw/Wowtschansk – Russlands Armee hat vor wenigen Tagen im Ukraine-Krieg eine neue Front eröffnet: Am Freitag (10. März) stießen russische Truppen im Morgengrauen über die russisch-ukrainische Grenze in Richtung Charkiw vor, der zweitgrößten Stadt der Ukraine.
Seitdem ist es den Russen offenbar gelungen, mehrere kleine Ortschaften einzunehmen. Und die Kleinstadt Wowtschansk ist zum neuen Brennpunkt der russischen Offensive geworden. Die Stadt liegt nur vier Kilometer von der russischen Grenze und 45 Kilometer von Charkiw entfernt.
Russland greift bei Charkiw-Offensive massiv an
Ukrainische örtliche Beamte sagten laut der Nachrichtenagentur AP, sie befürchteten, dass das Schicksal von Wowtschansk dem von Bachmut und Awdijiwka ähneln könnte. In beiden ukrainischen Städten zwangen die heftigen Kämpfe die Ukraine schließlich zum Rückzug. Die Städte waren danach durch russischen Artilleriebeschuss völlig zerstört und praktisch unbewohnbar.
Wowtschansk ist offenbar schon jetzt fast zur Geisterstadt geworden: Lebten dort vor dem Krieg rund 19.000 Menschen, harren nun nur noch 500 Bewohner in der Stadt aus, die laut Bildern großteils zerstört ist. Vor der russischen Offensive auf Charkiw waren noch 2500 Zivilisten in der Stadt. Tausende wurden in den vergangenen Tagen evakuiert.
Trotz des Vorrückens der russischen Armee bringe die Polizei weiterhin Einwohner aus der Stadt in Sicherheit, sagte der Polizeichef der Region Charkiw, Wolodymyr Tymoschko.
Offensive bei Charkiw: Russland zahlenmäßig überlegen
Medien berichten aktuell von schweren Straßenkämpfen in Wowtschansk und dem Vorrücken russischer Soldaten in den Ort. Wowtschansk werde von drei Seiten angegriffen. Der ukrainische Kriegsreporter Juri Butusow berichtete auf Facebook, die Russen seien in der Vororten der Stadt „zahlenmäßig überlegen“.
Wladimir Putins Armee habe sich auf die Angriffe im Rahmen der neuen Charkiw-Offensive gut vorbereitet, während die Ukraine wohl davon überrumpelt wurde. Ukrainische Verteidigungsanlagen seien teils falsch positioniert gewesen, heißt es. Laut einem Bericht des Spiegel befanden sich die Defensivlagen nicht direkt an der Grenze, sondern einige Kilometer im Landesinneren.
„Der Feind hat den geografisch günstigsten Ort identifiziert, die Staatsgrenze“, sagte dazu Jurij Federenko, Kommandeur eines Bataillons der ukrainischen 92. Brigade, laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AP.
Ukraine-Soldaten kritisieren mangelnde Vorbereitung auf Russlands Charkiw-Offensive
In einem öffentlichen Schreiben auf X (vormals Twitter) kritisiert eine Gruppe ukrainischer Soldaten, dass Wowtschansk nicht besser befestigt gewesen sei. Nach zwei Jahren Ukraine-Krieg hätte es dort zumindest „Betonbefestigungen“ auf der ukrainischen Seite der Grenze sein müssen, beanstanden sie.
Die Soldaten berichten über schwere Straßenkämpfe und eine Umzinglung der Stadt durch die russische Armee: „Jetzt verlieren wir erneut Menschen und Territorium und tun das, was wir schon im September 2022 getan haben.“ Kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs hatte die russische Armee der Stadt Wowtschansk schon einmal besetzt. Der Ukraine gelang es im Herbst 2022 durch eine erfolgreiche Gegenoffensive, sie zurückzuerobern.
Putin will Ukraine durch Charkiw-Offensive wohl ablenken
Nicht nur mangelnde Befestigung, auch Munitionsknappheit aufseiten der Ukraine erleichtert der Armee von Wladimir Putin wohl die neue Offensive bei Charkiw. Die Eröffnung der neuen Front im Nordosten der Ukraine diene wohl dazu, ukrainische Truppen dort zu binden und von den Kämpfen im Donezk und Luhansk abzuziehen, so Analysten. Dies solle die Ukraine weiter schwächen, bevor weitere Militärhilfe aus den USA und weiteren Ländern des Westens die Front erreiche.
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Die Ukraine hat bisher offenbar mindestens drei Brigaden und eine andere Einheit nach in die Region rund um Charkiw verlegt. Dies schwächt die Ukraine an der Front im Donbass. Putins Machthunger dürfte sich wohl weiterhin auf den Donbass konzentrieren: Der Kreml-Machthaber hat schon im Herbst 2022 vier ukrainische Oblaste in diesem Gebiet völkerrechtswidrig zu russischem Gebiet erklärt.
Mit der Charkiw-Offensive will Putin aber offenbar auch eine Art Pufferzone zur russischen Grenzregion Belgorod schaffen, wo die Ukraine in jüngster Zeit wiederholt Drohnenangriffe startete. Eine russische Einheit widersetzte sich aber offenbar dem Befehl, den Angriff auf die Region Charkiw auszuführen – wegen des dahinter liegenden „verbrecherischen Willens“. (smu)