Nach Putsch
Niger als „idealer Kandidat für Wagner“ - Ukraine hegt Verdacht
VonRobert Wagnerschließen
Niger könnte das nächste Land in Afrika sein, in dem Russland seinen Einfluss ausweitet - mithilfe einer zuletzt in Ungnade gefallenen Gruppierung.
Niamey - Der Putsch im westafrikanischen Niger könnte laut Experten zu einer weiteren Stärkung des russischen Einflusses in Afrika führen. Nachdem in der jüngsten Vergangenheit bereits in Mali und Burkina Faso demokratisch gewählte Regierungen durch das Militär gestürzt worden waren, war der Niger das letzte demokratische und nach Westen orientierte Land in der konfliktreichen Sahelzone. Die neuen Militärregierungen der Region haben sich zuletzt vermehrt nach Moskau ausgerichtet.
Doch auch in Niger gibt es große Sympathien für Russland. Bei Demonstrationen von Unterstützern der Putschisten in Nigers Hauptstadt Niamey sind unmittelbar nach dem Putsch russlandfreundliche Plakate gezeigt worden. „Es lebe die nigrisch-russische Zusammenarbeit, damit der Niger lebt“, war auf einem Plakat zu lesen, wie die Deutschen Presse-Agentur berichtete. Medienberichten zufolge sollen auch russische Fahnen bei den Protesten zu sehen gewesen sein.
Prigoschin begrüßt Putsch: Niger sei „Kolonisatoren losgeworden“
Das Regime von Wladimir Putin ist schon länger in Afrika aktiv und versucht, den westlichen Einfluss dort zugunsten eigener Interessen zurückzudrängen. Ein wichtiges Instrument seiner Afrika-Politik waren in der Vergangenheit die Söldner der 2014 gegründeten Wagner-Gruppe. Tatsächlich war Afrika vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges das Haupteinsatzgebiet der Söldner von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin.
Der Söldner-Chef fiel nach einem gescheiterten Putschversuch gegen den Kreml Ende Juni zwar kurzzeitig in Ungnade, ist aber nur milde bestraft worden. Offenbar ist Prigoschin für Putins Afrikapläne weiterhin wichtig. So wichtig, dass er überraschenderweise am Rande des Russland-Afrika-Gipfels in Sankt Petersburg auftrat. Den Putsch im Niger begrüßte Prigoschin nun als einen Schritt in Richtung Unabhängigkeit vom Westen, wie der internationale Nachrichtensender Aljazeera berichtet.
In einer Audiobotschaft auf Telegram sagte Prigoschin demnach, die Ereignisse in Niger seien „nichts anderes als der Kampf des nigrischen Volkes mit seinen Kolonialherren. Mit den Kolonialherren, die versuchen, ihnen ihre Lebensregeln und ihre Bedingungen aufzuzwingen und sie in dem Zustand zu halten, in dem Afrika vor Hunderten von Jahren war“. Der weitere Verlauf sei von den „von den Bürgern Nigers“ und von der Effizienz der neuen Regierung abhängig. Die Hauptsache sei, „dass sie die Kolonisatoren losgeworden sind.“
Russland macht in Afrika gezielt Stimmung gegen den Westen und schickt Wagner-Söldner
Es deutet einiges darauf hin, dass der Niger zu Putins nächstem Betätigungsfeld in Afrika wird. Russland ist seit Herbst 2021 bereits der Hauptpartner Malis im Kampf gegen Dschihadisten, die ein großes Sicherheitsproblem in der Sahelzone darstellen. Seit einem Putsch im Mai 2021 wird Mali von einer militärischen Übergangsregierung geführt. Wagner-Söldner befinden sich seit Ende 2021 im Land, kurz darauf beendete Frankreich seine Anti-Terror-Mission in Mali und zog seine Soldaten ab. Auch die Bundeswehr ist gerade mit dem Abzug aus Mali beschäftigt.
In Mali verbreiten die laut Experten rund 1000 Wagner-Söldner als Werkzeug der Militärjunta „ein Klima der Angst“, wie die Tagesschau berichtete. Bei einem Massaker in der Region Mopti sollen mit Beteiligung der Wagner-Söldner im März 2022 Hunderte Zivilisten ermordet worden sein. Auch in der Zentralafrikanischen Republik sind „russische Ausbilder“, wie die Söldner im Sprachgebrauch des Kreml genannt werden, tätig. Das berichtete Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako Ende Juni für t-online.
Laut Laessing machen in afrikanischen Ländern prorussische Influencer gezielt Stimmung für Moskau und gegen die ehemaligen westlichen (meist französischen) Kolonialherren. Russland werde angepriesen als verlässlicher Partner, der den Afrikanern helfe, sich von den „Fesseln der Kolonialherrschaft“ zu befreien. Die Deutsche Welle berichtete jüngst etwa von Propaganda-Videos, die mit russischem Geld finanziert werden und sich an die Menschen in Mali, Burkina Faso und der Elfenbeinküste richten. Darin kämpfen russische Truppen in Mali gegen französische Soldaten, die als Zombies dargestellt werden und „Afrika zurückerobern“ wollen. Dieses Narrativ vom „neokolonialistischen“ Westen verwende Russland häufig, um seine Interessen durchzusetzen.
Ukraine wirft Russland vor, den Putsch im Niger inszeniert zu haben
Die Ukraine geht nun einen Schritt weiter und wirft dem Kreml vor, den Staatsstreich in Niger inszeniert zu haben. Das behauptet Mykhailo Podolyak, ein Berater des ukrainischen Präsidenten, auf Twitter. Er schreibt, es sei nun „absolut klar, dass Russland hinter dem sogenannten ‚Militärputsch‘ in Niger steckt“, und fügt an: „Das ist eine übliche russische Taktik: ablenken, den Moment nutzen und den Konflikt ausweiten.“
Russland habe „ein globales Szenario, um Instabilität zu provozieren und die globale Sicherheitsordnung zu untergraben“, schreibt er. „Es ist an der Zeit, die richtige Schlussfolgerung zu ziehen: Nur die Beseitigung des Putin-Clans und die politische Wiedergeburt Russlands können die Unverletzlichkeit der Regeln und die Stabilität in der Welt garantieren.“
Putsch im Niger: Russland ruft alle Seiten zu Zurückhaltung auf
Zumindest mit seiner Stimmungsmache gegen den Westen beziehungsweise die ehemalige französische Kolonialherrschaft ist Wladimir Putin erfolgreich. Die BBC berichtet aktuell von einer Welle der Russland-Affinität im Niger, die nahtlos an eine seit 2022 eskalierende, dezidiert anti-französische Stimmung anschließt. Bereits beim Putsch im benachbarten Burkina Faso im Oktober 2022 waren bei Demonstrationen russische Flaggen zu sehen.
Der Kreml erklärte laut Aljazeera am Montag (31. Juli), dass die Lage in Niger nach dem Putsch gegen Präsident Mohamed Bazoum „Anlass zu ernster Besorgnis“ gebe. In einem Telefonat mit Reportern sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, Russland rufe alle Seiten in Niger zur Zurückhaltung und zur schnellstmöglichen Rückkehr zur Rechtsordnung auf. Am vergangenen Mittwoch (26. Juli) wurden Präsident Mohamed Bazoum und seine demokratisch gewählte Regierung durch das Militär abgesetzt. Es war der siebte Militärputsch in weniger als drei Jahren.
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