Machtübernahme
Putsch im Niger: General Tchiani ernennt sich zum neuen Machthaber
VonLukas Rogallaschließen
Stefan Kriegerschließen
Die Armee verkündet die Machtübernahme im Niger. General Omar Tchiani ernennt sich selbst zum neuen Präsidenten des Nationalen Rats.
Update vom 28. Juli, 13.30 Uhr: Der Chef der Präsidentengarde im Niger, General Omar Tchiani, hat sich selbst zum Präsidenten des Nationalen Rats und damit zum neuen Machthaber des Landes ernannt. Tchiani äußerte sich am Freitag im nationalen Fernsehen - zwei Tage, nachdem Offiziere der Präsidentengarde, einer Eliteeinheit des Militärs, den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum in seinem Palast festgesetzt und für entmachtet erklärt hatten.
Tchiani ist General des Heeres und wurde von Bazoums Vorgänger Mahamadou Issoufou nach dessen Amtsübernahme 2011 an die Spitze der Präsidentengarde befördert. Ob Tchiani Rückhalt der gesamten Armee hat, war zunächst unklar. Die Streitkräfte des westafrikanischen Landes hatten sich am Donnerstag der Forderung der rebellierenden Militärs nach einem Ende der Amtszeit von Bazoum angeschlossen.
Putsch im Niger: Demonstranten zeigen russische Plakate und Fahnen
Update vom 27. Juli, 15.42 Uhr: Bei Demonstrationen von Unterstützern der Putschisten in Nigers Hauptstadt Niamey sind am Donnerstagnachmittag russlandfreundliche Plakate gezeigt worden. „Es lebe die nigrisch-russische Zusammenarbeit, damit der Niger lebt“, war auf einem Plakat zu lesen, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Medienberichten zufolge sollen auch russische Fahnen bei den Protesten zu sehen gewesen sein. Demonstranten hätten zudem das Büro der Präsidenten-Partei Nigrische Partei für Demokratie und Sozialismus angegriffen und dieses mit Steinen beworfen.
Militärregierungen in der Region wie in Mali haben sich zuletzt nach Russland ausgerichtet, von dem man sich robustere Hilfe im Kampf gegen Islamisten verspricht. Noch am Mittwochnachmittag waren Unterstützer von Präsident Bazoum vor den Präsidentenpalast gezogen, um für die Wahrung der Demokratie zu protestieren. Bereits beim Putsch im benachbarten Burkina Faso im Oktober 2022 waren bei Demos russische Flaggen zu sehen.
Fachleuten zufolge könnte Russlands Einfluss in der Region aufgrund der zahlreichen Militärregierungen wachsen. Nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso war der Niger das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde. Der Putsch im Niger wird auch Thema beim Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg sein.
Generalstabschef im Niger schließt sich Putschisten an
Update vom 27. Juli, 12.55 Uhr: Der Generalstab der nigrischen Armee will nach eigenen Angaben „die Erklärung“ der Putschisten „unterschreiben“ und damit „das Regime“ von Präsident Mohamed Bazoum „beenden“. Die Armeeführung habe beschlossen, sich der Erklärung der Sicherheitskräfte anzuschließen, um „eine mörderische Konfrontation zwischen verschiedenen Kräften zu vermeiden‘, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung von Generalstabschef Abdou Sidikou Issa. Angehörige des Militärs hatten in der Nacht geputscht und den Präsidenten festgesetzt.
Niger: Regierung fordert Bevölkerung zum Kampf für Demokratie auf
Update vom 27. Juli, 12.30 Uhr: Nigers Außenminister Hassoumi Massoudou hat die meuternden Soldaten aufgerufen, Präsident Mohamed Bazoum freizulassen und ihre Forderungen im Dialog zu klären. „Wir sind die legalen und legitimierten Autoritäten in Niger“, sagte er dem französischen Nachrichtensender France 24 am Donnerstag (27. Juli). Der Minister habe außerdem mit Bazoum gesprochen und erklärte dazu, dass es dem Präsidenten gut gehe. Bazoum selbst rief auf Twitter die Bevölkerung auf, die hart erkämpften Errungenschaften der Demokratie zu retten. Massoudou forderte dort „alle Demokraten und Patrioten“ auf, dieses „gefährliche Abenteuer“ scheitern zu lassen.
Erst vor zwei Jahren hatte Bazoum sein Amt nach demokratischen Wahlen angetreten. Nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso war Niger als Partnerland des Westens in der Sahelregion in den Fokus gerückt. Erst Ende vergangenen Jahres hatte die EU eine Militärmission unter Beteiligung der Bundeswehr in dem Land beschlossen.
Les acquis obtenus de haute lutte seront sauvegardés.
— Mohamed Bazoum (@mohamedbazoum) July 27, 2023
Tous les nigériens épris de démocratie et de liberté y veilleront.#MB
Militärputsch im Niger: Grenzen geschlossen
Erstmeldung vom 27. Juli: Niamey – Aufstand der Streitkräfte im westafrikanischen Saat Niger: Soldaten haben im Fernsehen die Machtübernahme der Armee bekannt gegeben. Oberst Amadaou Abdramane verkündete am späten Mittwochabend (26. Juli), dass die Institutionen der siebten Republik aufgelöst wurden, die Luft- und Landesgrenzen geschlossen sind und eine landesweite Ausgangssperre von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr Ortszeit besteht.
In einer von Abdramane verlesenen Erklärung hieß es, die „Verteidigungs- und Sicherheitskräfte“ hätten „entschieden, dem Regime (…) ein Ende zu setzen“. Mehrere Länder und internationale Organisationen verurteilten den Putschversuch und forderten die Freilassung Bazoums.
„Alle Institutionen“ des Landes würden „bis auf weiteres“ außer Kraft gesetzt, die Grenzen geschlossen und eine Ausgangssperre verhängt, verkündete Abdramane im Beisein neun weiterer uniformierter Militärs. Die Putschisten gaben an, im Namen eines „Nationalen Rats für den Schutz des Vaterlandes“ (CNSP) zu sprechen.
Putsch im Niger: Staatschef Bazoum inhaftiert
Zuvor hatte die Präsidentengarde Staatschef Bazoum in seinem Amtssitz in der Hauptstadt Niamey festgesetzt. Das Büro des Präsidenten teilte im Onlinedienst Twitter, der in „X“ umbenannt wurde, mit, der Präsident und seine Familie seien wohlauf. Aus dem Umfeld Bazoums hieß es, der Staatsstreich sei „zum Scheitern verurteilt“.
Im Zentrum der Hauptstadt Niamey versammelten sich nach Angaben von Journalisten Demonstranten, die dem Staatschef ihre Unterstützung ausdrücken wollten. Einige versuchten zum Amtssitz des Präsidenten zu gelangen, wurden aber von der Präsidentengarde mit Warnschüssen vertrieben, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP.
Die Parteien von Nigers Regierungskoalition prangerten den „selbstmörderischen und anti-republikanischen Wahnsinn“ der Putschisten an.
Niger: USA verurteilen Putschversuch
Die USA verurteilen den Putschversuch. Außenminister Blinken forderte die „sofortige Freilassung“ des Staatschefs. Er habe dem Präsidenten bei einem Telefonat am Morgen versichert, „dass die Vereinigten Staaten ihn als den demokratisch gewählten Präsidenten des Niger entschlossen unterstützen“, sagte Blinken während eines Besuchs in Neuseeland. Die „Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft mit Niger hängt von der Fortsetzung demokratischer Staatsführung und dem Respekt für die Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte ab“, fügte der US-Außenminister hinzu.
Auch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) verurteilte den Putschversuch und forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung Bazoums. Die Europäische Union teile die Einschätzung der Ecowas, schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf Twitter. „Die EU verurteilt jeden Versuch, die Demokratie zu destabilisieren und die Stabilität Nigers zu beeinträchtigen.“
AU-Kommissionspräsident Moussa Faki Mahamat warf auf Twitter der Präsidentengarde vor, „in völligem Verrat an ihrer republikanischen Pflicht“ zu handeln. Auch Frankreich und UN-Generalsekretär António Guterres verurteilten „jeden Versuch einer gewaltsamen Machtübernahme“. Guterres‘ Sprecher erklärte, der Generalsekretär habe am Nachmittag mit Bazoum telefonieren können und ihm seine „volle Unterstützung und Solidarität“ ausgedrückt.
Bundeswehrsoldaten in Niger in Sicherheit
Die in Niger stationierten Bundeswehrsoldaten waren laut Bundesverteidigungsministerium in Sicherheit. „Wir haben die Rückmeldung, dass unsere Soldaten in Sicherheit sind – das ist uns das Wichtigste“, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums.
Der Bundestag hatte im Mai das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Militärmission EUMPM Niger erteilt. Aktuell sind daran laut Bundesverteidigungsministerium etwa ein Dutzend Bundeswehr-Soldaten beteiligt. Zudem unterhält die Bundeswehr auf dem Flughafen von Niamey seit zehn Jahren ein Logistik-Drehkreuz für den UN-Blauhelmeinsatz im benachbarten Mali. Dafür sind aktuell nach Ministeriumsangaben „um die hundert“ deutsche Soldaten vor Ort.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte bei einem Besuch in Niger im April bekräftigt, dass dort „der Schwerpunkt unseres zukünftigen militärischen Engagements im Sahel“ liegen werde und das Land als „Damm gegen den Terrorismus“ bezeichnet.
Niger kommt seit der Unabhängigkeit nicht zur Ruhe
Der westafrikanische Binnenstaat Niger hat seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 bereits vier Putsche und zahllose Versuche der Machtübernahme erlebt. Der letzte Versuch einer Absetzung Bazoums war nach Angaben eines nigrischen Beamten im März, als sich der Präsident in der Türkei befand. Die Behörden äußerten sich dazu nie öffentlich.
Niger liegt im Zentrum der Sahelzone in Westafrika und besteht größtenteils aus Wüste. Das Land kämpft mit dschihadistischer Gewalt, die dazu geführt hat, dass Hunderttausende Menschen auf der Flucht sind. In der Sahelregion ist der Niger einer der letzten Verbündeten des Westens, während die Nachbarländer Mali und Burkina Faso sich anderen Partnern zugewandt haben, darunter Russland. (skr/lrg/afp/dpa)
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