Trotz Wagner-Aufstand

Überraschungsgast in St. Petersburg: Putin kann auf Prigoschin nicht verzichten

  • Sandra Kathe
    VonSandra Kathe
    schließen

Überraschend ist am Rand vom Russland-Afrika-Gipfel Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in Sankt Petersburg aufgetaucht. Das sagt etwas über Putin aus.

Sankt Petersburg – Über Monate hatte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin Wladimir Putin und seinen Militärapparat aufs Heftigste kritisiert, Russlands Generalstabschef und Verteidigungsminister beschimpft, dann besetzten er und Tausende seiner Söldner Rostow am Don und zogen von hier mit Panzern und Waffen auf Moskau zu. Der Präsident bezeichnete seinen einstigen Vertrauten plötzlich als Verräter, der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko handelte einen Amnestie-Deal zwischen Putin und Prigoschin aus, der den Chef der Wagner-Gruppe ins Exil nach Belarus schickte.

Dann, nur wenige Wochen später, die überraschende Nachricht: Prigoschin wird übereinstimmenden Medienberichten zufolge in Sankt Petersburg gesehen, nimmt dort offenkundig am Rande vom Russland-Afrika-Gipfel des russischen Präsidenten teil. Afrikanisches Staatsgebiet war bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs das Haupteinsatzgebiet von Prigoschins Wagner-Söldnern – und soll es nach Aussagen von Putin wie Prigoschin auch weiterhin bleiben.

Zu den Teilnehmenden von Putins Afrika-Gipfel zählen 17 Staatschefs afrikanischer Staaten und dutzende diplomatische Vertreter. Auch Jewgeni Prigoschin soll dabei sein. (Symbolfoto)

Nach Wagner-Meuterei: Putin braucht Prigoschin zur Durchsetzung von Staatsinteressen in Afrika

Damit offenbart Putin auch, warum die Bestrafung des Wagner-Chefs nach dessen Aufstand vor gerade einmal einem Monat so milde ausgefallen zu sein scheint. Denn für Putins Afrika-Politik ist Wagner in den Augen vieler Fachleute ein wichtiges Werkzeug, mit dem der russische Machthaber mithilfe der von Staatsgeldern finanzierten Privatarmee die Interessen seines Landes auch auf afrikanischem Boden sichern kann.

Wie die US-Zeitung Newsweek berichtet, ginge es dabei, laut der Einschätzung des Afrika spezialisierten Politikwissenschafters William Reno von der Northwestern University in Chicago um mehrere Bereiche, in denen Putin in Afrika einflussreicher sein will als der Westen. Dazu gehörten die Zusammenarbeit bei Sicherheitsthemen, Rohstoffabbau und Energiegewinnung. „Zur Durchsetzung seiner Staatsinteressen in Afrika, benötigt Putin für den Moment auch Prigoschin“, sagt Reno. Dessen Wagner-Gruppe spiele seiner Einschätzung nach auch eine wichtige Rolle dabei, afrikanische Intellektuelle in einem anti-westlichen Bündnis zu kooptieren.

Zusammenarbeit zwischen Putin und Prigoschin: Wichtiges Zeichen nach innen und außen

Auch für Politikprofessor Mark N. Katz von der politischen Fakultät der George Mason University zeigt die Behandlung Prigoschins vor allem politisches Kalkül auf Seiten Wladimir Putins: „Ich glaube, dass Prigoschins Präsenz beim Russland-Afrika-Gipfel vor allem darauf abzielt, afrikanischen Regierungen, die bislang mit Wagner zusammengearbeitet haben, zu ‚beruhigen‘“, erläutert Katz den möglichen Versuch Putins deren Unterstützung durch die Russische Föderation zu demonstrieren.

Zusätzlich sieht Katz durch Prigoschins Auftritt in Sankt Petersburg aber auch noch eine zweite Symbolwirkung, die Putin ebenfalls nicht ungelegen kommen dürfte: die in der öffentlichen Wahrnehmung in Russland. Putin hätte durch die Anwesenheit Prigoschins klargemacht, dass der Wagner-Chef weiter „für Russland“ arbeite, und das „mit Putins Segen“. Das helfe Russlands Machthaber beim Erzeugen eines Narrativs, nach dem „die Wagner-Meuterei kein Putschversuch gegen Putin war, dass das alles vom Westen nur unnötig aufgeblasen worden sei, und dass Putin und Prigoschin nun zusammenarbeiten“.

Die Teilnehmer des Russland-Afrika-Gipfels kommen laut Kreml in diesem Jahr aus 49 der 54 Länder des Kontinents. Aber nur 17 von ihnen entsandten laut eines dpa-Berichts auch Staats- und Regierungschefs, was auf einen Teilnehmerrückgang schließen lässt. Im Rahmen des Gipfels hatte Putin betont, dass Russland inzwischen mit mehr als 40 Staaten des afrikanischen Kontinents Abkommen über eine militärtechnische Zusammenarbeit geschlossen hätte. Der Westen sieht in dem Gipfel eine Absichtserklärung Russlands, die afrikanische Abhängigkeit vom Kreml zu verschärfen. (saka mit dpa)

Rubriklistenbild: © Donat Sorokin/AFP

Mehr zum Thema