„Rote Linie“
Der neue Koalitionsvertrag ist eine „herbe Enttäuschung“ für Frauen
VonJana Stäbenerschließen
„Absolut unverständlich“, dass die SPD dem Koalitionsvertrag zugestimmt hat, obwohl darin nichts von einer Reform des Paragrafen 218 steht, findet Pro Familia.
Die Mitglieder der SPD haben dem Koalitionsvertrag mit der Union (CDU/CSU) zugestimmt, gaben die Sozialdemokraten am Mittwochvormittag (30. April) bekannt. Kommenden Montag soll der Koalitionsvertrag unterzeichnet werden. Einen Tag später wird CDU-Chef Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt, seine Partei hatte dem Vertrag bereits zugestimmt und auch schon Minister für das neue Kabinett ernannt.
Nicht alle in der Partei waren vorab mit dem Koalitionsvertrag zufrieden. Die Jusos machten deutlich, dass sie von den geplanten Verschärfungen der Migrations- und Sozialpolitik nichts halten. Auch die SPD-Frauen und ihre Bundesvorsitzende Ulrike Häfner haben ihre Zustimmung zum Koalitionsvertrag immer daran geknüpft, dass es eine Reform des Schwangerschaftsabbruchparagrafen 218 StGB gebe. Die Selbstbestimmung von Frauen in Deutschland, also der Hälfte der Bevölkerung, über ihren Körper müsse „für die SPD eine rote Linie sein“, sagte Häfner noch im März.
SPD stimmt Koalitionsvertrag zu: „Eine herbe Enttäuschung“
Entsprechend enttäuscht ist Magdalena Thams, Fachreferentin für Schwangerschaftskonfliktberatung bei Pro Familia Schleswig-Holstein, dass diese „rote Linie“ überschritten wurde und die SPD dem Koalitionsvertrag zugestimmt hat.
„Dass der Paragraf 218 StGB unverändert bleibt, ist eine herbe Enttäuschung“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. „Wir haben so lange und intensiv für eine Reform gekämpft.“ Die SPD habe maßgeblich den Weg für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen geebnet. Unter ihrer Regierungsbeteiligung habe es eine Kommission gegeben, die sich 2024 für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten zwölf Wochen ausgesprochen habe.
„Im Sommer letzten Jahres erschien ein Positionspapier der SPD-Fraktion, in dem sie sich explizit für eine Legalisierung aussprach und Ende letzten Jahres waren SPD (zusammen mit den Grünen) maßgeblich an einem Gesetzesentwurf zur Neuregelung beteiligt“, sagt Thams. „Es ist absolut unverständlich, warum sie den eingeschlagenen Weg nun abrupt beenden und eine Kehrtwende machen.“
Reform des Schwangerschaftsabbruchparagrafen 218 „wäre notwendiger Grundstein“
Über drei Viertel der Deutschen seien für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. „Die neue Koalition täte gut daran, diese Forderung endlich zu erhören und umzusetzen. Das ist kein Nischen-Thema, sondern betrifft uns alle“, sagt Thams. „Unsere Versorgungslage wird zunehmend schlechter, Gynäkologen und Gynäkologinnen führen keine Abbrüche durch – nicht aus moralischen Bedenken, sondern wegen der Rechtslage und aus Angst vor Stigmatisierung.“
Schwangerschaftsabbrüche seien kein fester Bestandteil der medizinischen Ausbildung. Sie müssten endlich an Universitäten gelehrt werden und als Teil der Gesundheitsversorgung und Leistung der Krankenkassen verstanden werden. „Für all diese Punkte ist die Reform des Paragrafen 218 StGB der notwendige Grundstein.“ Klaus Doubek, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF), betont bei BuzzFeed News Deutschland, dass auch er einer „breiten und evidenzbasierten Diskussion“ rund um den Schwangerschaftsabbruch weiterhin offen gegenüberstehe.
„Der BVF spricht sich für klare rechtliche und medizinische Rahmenbedingungen aus, die weiterhin den Zugang zu sicheren und wohnortnahen Versorgungsangeboten gewährleisten“, sagt er. Er sehe es als „elementare Notwendigkeit an, dass es in der Debatte einer ausgewogeneren Betrachtung und der Einbeziehung aller Betroffenen – also auch der Ärzteschaft – bedarf.“
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