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Ukraine feuert „Putins Albtraum“ ab - Krim-Treffer mit US-Langstreckenrakete

  • Karsten-Dirk Hinzmann
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Ein erster Treffer einer US-Langstreckenrakete auf der Krim: Die Ukraine setzt wieder Atacms ein. Grund zum Jubel – aber der ist sehr verhalten.

Kap Tarchankut – „Wenn Tausende von Splittern über einer Luftabwehrbatterie niedergehen, bleibt nichts mehr übrig“, hat Thomas Theiner im vergangenen September der Welt erzählt. Der ehemalige italienische Artillerist hat damit den möglichen Einschlag einer Atacms-Rakete (Army Tactical Missile Systems) mit Streumunition kommentiert. So etwas hat sich offenbar erneut zugetragen. Newsweek berichtet unter Berufung auf verschiedene Quellen, dass die Ukraine die Krim vermutlich erneut mit Atacms unter Beschuss genommen hat – möglicherweise sogar wieder mit Streumunition. Wladimir Putin hat mit dem jüngsten Angriff wohl jetzt eine S-300-Luftabwehr-Batterie verloren. Auch einen Schlag gegen russische Stellungen im besetzten Südosten der Ukraine soll laut Tagesschau mittels der Atacms erfolgt sein.

Verlockendes Kriegsziel: Die Krim-Brücke wurde immer wieder angegriffen – wie hier im Oktober 2022. Mit den neuen Atacms-Raketen könnte die Ukraine ihr stark zusetzen und Russlands Nachschub möglicherweise gänzlich unterbinden.

Newsweek beruft sich auf den X-Kanal (vormals Twitter), der die Behauptung des Atacms-Angriffs auf der Krim publiziert – und obwohl eine Bestätigung des eingesetzten Waffentyps fehlt, liest sich Newsweek durchaus euphorisch; wie bereits im Herbst vergangenen Jahres, als die Ukraine wohl zum ersten Mal der russischen Luftwaffe einen kapitalen Dämpfer verpasst hatte; selbst die Neue Zürcher Zeitung war von dem Thema angezündet: „Lodernde Flammen, gewaltige Rauchwolken, die Umrisse eines Kampfhelikopters vor dem geröteten Nachthimmel: Die Videobilder des Infernos am Militärflughafen der russisch besetzten Stadt Berdjansk machten am 17. Oktober 2023 sofort klar, dass Russlands Luftwaffe einen schweren Schlag erlitten hatte. Rasch bestätigte sich, dass hier eine neue Waffe zum Einsatz gekommen war: Erstmals hatte die Ukraine Raketen des amerikanischen Typs Atacms abgefeuert.“

„Putins Albtraum“: Die moderne Atacms steht in der Ukraine für das Prinzip Hoffnung

Inzwischen hat US-Präsident Joe Biden den Nachschub dieser Waffe durchgeboxt. Die Ukraine wird langstreckenfähig, weil die USA den aktuellen Typ mit bis zu 300 Kilometern Reichweite geliefert hat. „Mit dieser Waffe wird Putins Albtraum wahr“, titelte die Welt im September, als die erste Charge an Raketen wohl gerade mal an der Front angelangt war – die des älteren Typs mit weniger als 200 Kilometern Reichweite. Sie steht für das Prinzip Hoffnung, für das die Verteidiger gegen Russlands Terror scheinbar jeden Strohhalm nutzen, denn albtraumhaft ist eher die Situation für die Ukraine. Selbst wenn auf der Krim jetzt eine Batterie zerstört sein sollte, ist das erst einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, obwohl die Welt erneut überschwänglich reagiert: „Alle russischen Einrichtungen akut gefährdet“, will sie wissen.

Zeit Online ist da realistischer – wenn nicht gar pessimistisch: Deren Meinung nach käme mit ihr zwar die richtige Waffe – aber um ein Jahr zu spät: „In die Rakete wird mehr Hoffnung gesetzt, als sie erfüllen kann“, schreibt Autor Alexander Eydlin. Tatsächlich ist die Zahl der gelieferten Atacms vermeintlich übersichtlich. Die erste Charge im Herbst vergangenen Jahres beschrieb die Tagesschau als „sehr kleine Zahl“, jetzt berichtet die Zeit unter Berufung auf die New York Times von 100 zusätzlich gelieferten Raketen – deren Vorteil ist, dass sie von den bereits in der Ukraine eingesetzten Himars-Raketenwerfern abgefeuert werden können.

Einschlag auf der Krim: Kein taktischer Wert ohne den Einsatz von Bodentruppen

Inzwischen sollen die USA auch die moderne Variante mit bis zu 300 Kilometern Reichweite und GPS-Navigation geliefert haben, möglicherweise aufgrund des inzwischen deutlichen russischen Übergewichts. Damit gewinnt die Ukraine definitiv an operativen Möglichkeiten, andererseits argumentier auch das Institute for the Study of War (ISW) vorsichtig: Mit der Fähigkeit der Ukraine, auf längere Distanzen zu wirken, dränge sie die russischen Flugplätze, Depots oder Bereitstellungsräume einfach weiter zurück ins russische Kernland: Ein Raketenangriff ohne das Nachstoßen von Bodentruppen brächte somit langfristig keinen taktischen Erfolg.

Selbst der jetzt erfolgte Angriff auf die Luftabwehr auf der Krim ist vielleicht ein erfolgreiches aber definitiv singuläres Ereignis – anders als der permanente Angriff auf die Schwarzmeer-Flotte mithilfe von Drohnen, was die Ukraine zu einer regionalen Seemacht hat wachsen lassen. „Weitaus bedrohlicher ist hingegen der Abnutzungskrieg, den die Ukraine seit Monaten mit zunehmender Vehemenz weit hinter den Kontaktlinien führt. Und die Zermürbung dürfte mit der neuen Lieferung von amerikanischen Präzisionsraketen vom Typ Atacms mit 300 Kilometern Reichweite zunehmen“, hat die Welt Ende vergangenen Jahres ins Blaue formuliert. Davon ist immer noch wenig zu spüren.

Die Zeit spielt für Russland – aber für die Krim-Brücke könnte die Uhr ticken

Möglicherweise steht der große Knall jetzt aber tatsächlich bevor. Ein Dorn im Auge der Ukraine ist immer noch die Krim-Brücke, die mit den neuen Raketen wieder verwundbarer würde. Fraglich ist allerdings, wie viele Raketen die Ukraine investieren müsste, um den Lebensnerv des russischen Nachschubs zu durchtrennen. Immerhin hatte Russland Zeit, das monatelange Hickhack der USA für eigene Vorbereitungen zu nutzen. Seit dem erfolgreichen Angriff der Ukraine im Oktober hatten die Russen Gelegenheit, sich auf diese Bedrohung einzustellen, wie das ISW schreibt. Die Russen hätten ihre Depots sowohl zurück verlagern können als auch besser gegen Luftangriffe schützen.

Weiterhin blickt der Westen einigermaßen besorgt auf die Nutzung der Waffe beziehungsweise auf die Reaktion aus Moskau, sollte eine Atacms im russischen Kernland aufschlagen. Die Waffen seien explizit gedacht „zur Verwendung innerhalb ihres eigenen Territoriums“ wie die Tagesschau Jake Sullivan, den nationalen Sicherheitsberater des Präsidenten, zitiert. Aktuell – am 28. April – berichtet die Nachrichtenagentur Reuters von einer neuerlichen Bitte der Ukraine an die USA. In seiner wöchentlichen Video-Ansprache sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj, er habe aktuell mit dem Minderheitsführer im US-Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, gesprochen und ihn um Tempo gebeten: „In meinem Gespräch mit Herrn Jeffries habe ich betont, dass Patriot-Systeme benötigt werden, und zwar so schnell wie möglich.“

Nachschub abschneiden: Die Chance der Ukraine, die Front zu stabilisieren

Reuters berichtet gleichzeitig davon, dass sich die Lage an der Front für Ukraine verschlechtere: Seit der Eroberung der Stadt Awdijiwka rücken Moskaus Truppen langsam vor und nutzen dabei den Mangel an Artilleriegranaten und Soldaten der Verteidiger. Kiews Truppen hätten demnach neue Stellungen westlich der Dörfer Berdychi und Semeniwka, beide nördlich von Awdijiwka, und Nowomychajliwka, weiter südlich in der Nähe der Stadt Marjinka, bezogen. „Im Allgemeinen erzielte der Feind in diesen Gebieten gewisse taktische Erfolge, konnte sich aber keine operativen Vorteile verschaffen“, sagte laut Reuters Generaloberst Oleksandr Syrskyi, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine.

Wolodymyr Selenskyj – Vom Komödianten zum Symbol des Widerstands

Als am 24. Februar 2022 russische Truppen in die Ukraine einmarschierten, sah zunächst alles nach einem leichten Sieg Russlands aus. Doch daraus wurde nichts. Die Ukraine leistete vom ersten Tag an erbitterten Widerstand und wehrte sich mit vereinten Kräften gegen die Invasion. Das liegt auch an ihrem Präsidenten. Wolodymyr Selenskyj überraschte mit seinem Auftreten im Krieg von Beginn an die ganze Welt – vor allem den Aggressor aus Russland.
Als am 24. Februar 2022 russische Truppen in die Ukraine einmarschierten, sah zunächst alles nach einem leichten Sieg Russlands aus. Doch daraus wurde nichts. Die Ukraine leistete vom ersten Tag an erbitterten Widerstand und wehrte sich mit vereinten Kräften gegen die Invasion.  © Ukrainian Presidents Office/Imago
Wolodymyr Selenskyj
Das liegt auch an ihrem Präsidenten. Wolodymyr Selenskyj überraschte mit seinem Auftreten im Krieg von Beginn an die ganze Welt – vor allem den Aggressor aus Russland. © Imago
Selenskyj kandidiert in der Ukraine
Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj wurde am 25. Januar 1978 als Sohn jüdischer Eltern in Krywyj Rih im Südosten der damals noch sowjetischen Ukraine geboren. Er schloss erfolgreich ein Jurastudium ab, war aber nie als Jurist tätig.  © dpa
Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj wurde am 25. Januar 1978 als Sohn jüdischer Eltern in Krywyj Rih im Südosten der damals noch sowjetischen Ukraine geboren. Er schloss erfolgreich ein Jurastudium ab, war aber nie als Jurist tätig. Stattdessen gründete er zunächst eine Kabarettgruppe, die fünf Jahre lang von Moskau aus durch die Staaten der ehemaligen Sowjetunion tourte. Als Komiker und Schauspieler erlangte er große Popularität – in der Ukraine und in Russland.
Stattdessen gründete er zunächst eine Kabarettgruppe, die fünf Jahre lang von Moskau aus durch die Staaten der ehemaligen Sowjetunion tourte. Als Komiker und Schauspieler erlangte er große Popularität – in der Ukraine und in Russland. © Alexander Gusev/Imago
Seit 2003 ist Selenskyj mit Olena Wolodymyriwna Kijaschko verheiratet. Sie gingen auf dieselbe Schule, lernten sich aber erst während ihres Studiums des Bauingenieurwesens an der Universität in ihrer Heimatstadt Krywyj Rih kennen. Das Paar hat zwei Kinder, Tochter Oleksandra (geboren 2004) und Sohn Kyrylo (geboren 2013). Im Dezember 2019 landete Olena Selenska auf einer Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Ukraine auf Platz 30. Nummer eins war ihr Ehemann.
Seit 2003 ist Selenskyj mit Olena Wolodymyriwna Kijaschko verheiratet. Sie gingen auf dieselbe Schule, lernten sich aber erst während des Studiums an der Universität in ihrer Heimatstadt Krywyj Rih kennen.  © Vadim Ghirda/dpa
Stichwahl um Präsidentenamt in der Ukraine
Das Paar hat zwei Kinder, Tochter Oleksandra (geboren 2004) und Sohn Kyrylo (geboren 2013). Im Dezember 2019 landete Olena Selenska auf einer Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Ukraine auf Platz 30. Nummer eins war ihr Ehemann. © dpa
Arte - Diener des Volkes
Mit Politik hatte Selenskyj lange nichts am Hut. Dann legte eine populäre Fernsehserie den Grundstein für seinen politischen Durchbruch. In der Comedy-Serie „Diener des Volkes“, die im April 2022 auch auf Arte lief, trat Selenskyj 2015 als Geschichtslehrer auf. © Arte/dpa
Mit Politik hatte Selenskyj lange nichts am Hut. Dann legte eine populäre Fernsehserie den Grundstein für seinen politischen Durchbruch. In der Comedy-Serie „Diener des Volkes“, die im April 2022 auch auf Arte lief, trat Selenskyj 2015 als Geschichtslehrer auf. Von der Korruption in der ukrainischen Politik angewidert, stürzt sich seine Figur in den Wahlkampf und wird zum Präsidenten gewählt. Selenskyj nahm sich das Drehbuch zum Vorbild und verkündete am Silvesterabend 2018 seine Kandidatur für die Wahl Präsidentschaftswahl.
Von der Korruption in der ukrainischen Politik angewidert, stürzt sich seine Figur in den Wahlkampf und wird zum Präsidenten gewählt. Selenskyj nahm sich das Drehbuch zum Vorbild und verkündete am Silvesterabend 2018 seine Kandidatur für die Wahl Präsidentschaftswahl.  © Arte/dpa
Vereidigung von Selenskyj als neuer Präsident der Ukraine
Die Unzufriedenheit mit dem damaligen Staatschef Petro Poroschenko verhalf Selenskyj zum Sieg. Am 20. Mai 2019 trat er das Amt des ukrainischen Präsidenten an. Er erhielt zahlreiche Gratulationen aus dem Ausland, so zum Beispiel von Donald Trump, Emmanuel Macron oder Justin Trudeau. Auch Kanzlerin Angela Merkel sprach ihm ihre Glückwünsche aus und lud ihn nach Berlin ein.  © Evgeniy Maloletka/dpa
Die Unzufriedenheit mit dem damaligen Staatschef Petro Poroschenko verhalf Selenskyj zum Sieg. Am 20. Mai 2019 trat er das Amt des ukrainischen Präsidenten an. Er erhielt zahlreiche Gratulationen aus dem Ausland, so zum Beispiel von Donald Trump, Emmanuel Macron oder Justin Trudeau. Auch Kanzlerin Angela Merkel sprach ihm ihre Glückwünsche aus und lud ihn nach Berlin ein. Anders fiel die Reaktion in Russland aus. Von Ministerpräsident Dmitri Medwedew erhielt er herablassende Ratschläge, für eine Gratulation sei es dagegen „zu früh“. Auch bei der Amtseinführung gab es keine Gratulation aus Moskau.
Anders fiel die Reaktion in Russland aus. Von Ministerpräsident Dmitri Medwedew erhielt er herablassende Ratschläge, für eine Gratulation sei es dagegen „zu früh“. Auch bei der Amtseinführung gab es keine Gratulation aus Moskau. © Wolfgang Kumm/dpa
Vor der Wahl hatte Selenskyj seinen Vorgänger Petro Poroschenko dafür kritisiert, Briefkastenfirmen in Steueroasen zu unterhalten. Als im Oktober 2021 dann aber die Pandora Papers veröffentlicht wurden, stellte sich heraus, dass auch Selenskyj selbst Anteile an einer solchen Firma auf den britischen Jungferninseln besessen hatte. Zum Zeitpunkt seiner Wahl 2019 gab er seine Anteile ab. Steueroasen sind in der Ukraine nicht illegal.
Vor der Wahl hatte Selenskyj seinen Vorgänger Petro Poroschenko dafür kritisiert, Briefkastenfirmen in Steueroasen zu unterhalten. Diese sind in der Ukraine allerdings nicht illegal. © Sergei Chuzavkov/afp
Bitter End Yacht Club auf Virgin Gorda auf den Britischen Jungferninseln
Als im Oktober 2021 dann aber die Pandora Papers veröffentlicht wurden, stellte sich heraus, dass auch Selenskyj selbst Anteile an einer solchen Firma auf den britischen Jungferninseln besessen hatte. Zum Zeitpunkt seiner Wahl 2019 gab er seine Anteile ab.  © Imago
Selenskyj
Selenskyj war der erste Präsident in der Geschichte der Ukraine, der eine konfrontative Politik gegenüber Oligarchen führte. Unter anderem gründete er einen Nationalen Sicherheitsrat, der Sanktionen gegen Oligarchen verhängen kann. © Evgen Kotenko/Imago
Selenskyj war der erste Präsident in der Geschichte der Ukraine, der eine konfrontative Politik gegenüber Oligarchen führte. Unter anderem gründete er einen Nationalen Sicherheitsrat, der Sanktionen gegen Oligarchen verhängen kann – und dies zum Beispiel gegen Wiktor Medwedtschuk tat. Der wies alle Anschuldigungen zurück. Die Sanktionen froren seine Vermögenswerte ein und hinderten ihn daran, Geschäfte in der Ukraine zu tätigen. Medwedtschuk, der aufgrund einer Anklage wegen Hochverrats unter Hausarrest stand, tauchte im Februar 2022 unter. Im April 2022 wurde er vom Inlandsgeheimdienst festgenommen und im September 2022 bei einem Gefangenenaustausch Russland übergeben.
Er setzte das Mittel zum Beispiel gegen Wiktor Medwedtschuk ein. Der wies alle Anschuldigungen zurück. Die Sanktionen froren seine Vermögenswerte ein und hinderten ihn daran, Geschäfte in der Ukraine zu tätigen. Medwedtschuk, der aufgrund einer Anklage wegen Hochverrats unter Hausarrest stand, tauchte im Februar 2022 unter. Im April 2022 wurde er vom Inlandsgeheimdienst festgenommen und im September 2022 bei einem Gefangenenaustausch Russland übergeben. © Instagram Account of Volodymyr Zelensky/afp
Schon früh in seiner Amtszeit musste sich Selenskyj mit den Wünschen und Forderungen des damaligen US-Präsidenten Donald Trump auseinandersetzen. So soll Trump seinen ukrainischen Amtskollegen in einem Telefonat am 25. Juli 2019 aufgefordert haben, als Gegenleistung für Militärhilfe in Höhe von fast 400 Millionen Dollar Ermittlungen gegen Joe Biden, Trumps möglichen Gegenspieler bei der US-Wahl 2020, einzuleiten. Biden soll einst als US-Vizepräsident die Entlassung des ukrainischen Generalstaatsanwalts veranlasst haben, um seinen Sohn Hunter Biden, der bei einem ukrainischen Erdgaskonzern tätig war, vor Korruptionsermittlungen zu schützen. Das Telefonat, das im August 2020 bekannt wurde, löste in den USA später die „Ukraine-Affäre“ aus.
Schon früh in seiner Amtszeit musste sich Selenskyj mit den Wünschen und Forderungen des damaligen US-Präsidenten Donald Trump auseinandersetzen. So soll Trump seinen ukrainischen Amtskollegen in einem Telefonat am 25. Juli 2019 aufgefordert haben, als Gegenleistung für Militärhilfe in Höhe von fast 400 Millionen Dollar Ermittlungen gegen Joe Biden, Trumps möglichen Gegenspieler bei der US-Wahl 2020, einzuleiten.  © Saul Loeb/afp
Joe Biden Hunter
Biden soll einst als US-Vizepräsident die Entlassung des ukrainischen Generalstaatsanwalts veranlasst haben, um seinen Sohn Hunter Biden (hinten), der bei einem ukrainischen Erdgaskonzern tätig war, vor Korruptionsermittlungen zu schützen. Das Telefonat, das im August 2020 bekannt wurde, löste in den USA später die „Ukraine-Affäre“ aus. © Imago
Selenskyjs Amtszeit wurde von Beginn an vom Verhältnis zu Russland überschattet. Schon in seiner Antrittsrede bezeichnete Selenskyj die Beendigung des Krieges im Donbass als seine vorrangige Aufgabe. Während des Ukraine-EU-Gipfels im Juli 2019 in Kiew schlug Selenskyj in einer Videobotschaft an Wladimir Putin direkte Gespräche in der belarussischen Hauptstadt Minsk vor. Daran sollten nach Selenskyjs Plan auch US-Präsident Donald Trump, die britische Regierungschefin Theresa May, der französische Präsident Emmanuel Macron sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen. Am 11. Juli 2019 kam es immerhin zu einem ersten Telefongespräch zwischen Selenskyj und Putin.
Selenskyjs Amtszeit wurde von Beginn an vom Verhältnis zu Russland überschattet. Schon in seiner Antrittsrede bezeichnete Selenskyj die Beendigung des Krieges im Donbass als seine vorrangige Aufgabe. Während des Ukraine-EU-Gipfels im Juli 2019 in Kiew schlug Selenskyj in einer Videobotschaft an Wladimir Putin direkte Gespräche in der belarussischen Hauptstadt Minsk vor. © Ukraine Presidential Press Service/afp
Nach der Präsidentenwahl in der Ukraine
Daran sollten nach Selenskyjs Plan auch US-Präsident Donald Trump, die britische Regierungschefin Theresa May, der französische Präsident Emmanuel Macron sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen. Am 11. Juli 2019 kam es immerhin zu einem ersten Telefongespräch zwischen Selenskyj und Putin. © dpa
Trump, Macron, Selenskyj - Paris
Die Gespräche führten zu einem kurzfristigen Waffenstillstand in der Ostukraine, einem Gefangenenaustausch sowie zu einem Truppenrückzug in drei Gebieten an einer Demarkationslinie bis Ende März 2020. Es war das einzige Mal, dass Selenskyj mit Putin zusammentraf.  © Lafargue Raphael/Imago
Am 9. Dezember 2019 in Paris nahm Selenskyj an Verhandlungen im Normandie-Format teil, an denen der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin beteiligt waren. Die Gespräche führten zu einem kurzfristigen Waffenstillstand in der Ostukraine, einem Gefangenenaustausch sowie zu einem Truppenrückzug in drei Gebieten an einer Demarkationslinie bis Ende März 2020. Es war das einzige Mal, das Selenskyj mit Putin zusammentraf.
Am 9. Dezember 2019 in Paris nahm Selenskyj an Verhandlungen im Normandie-Format teil, an denen der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin beteiligt waren.  © Charles Platiau/afp
Selenskyj
Alle Bemühungen um einen Frieden nützten aber nichts. Im Lauf des Jahres 2021 verschärfte sich die Situation weiter. Immer häufiger besuchte Selenskyj (Mitte) Militärübungen der ukrainischen Armee, so auch am 16. Februar 2022 in der Stadt Riwne. © Imago
Alle Bemühungen um einen Frieden nützten aber nichts. Im Lauf des Jahres 2021 verschärfte sich die Situation immer weiter. Am 23. Februar 2022 versuchte Selenskyj noch einmal in einer Ansprache, den drohenden Krieg abzuwenden. Darin wendete er sich vor allem an die Menschen in Russland: „Wenn wir angegriffen werden, wenn man unser Land, unsere Freiheit, unser Leben und das Leben unserer Kinder zu nehmen versucht, werden wir uns verteidigen“, sagte Selenskyj auf Russisch. Es war das vorerst letzte Mal, dass man Selenskyj glatt rasiert und mit Anzug und Krawatte sah.
Am 23. Februar 2022 versuchte Selenskyj noch einmal in einer Ansprache, den drohenden Krieg abzuwenden. Darin wendete er sich vor allem an die Menschen in Russland: „Wenn wir angegriffen werden, wenn man unser Land, unsere Freiheit, unser Leben und das Leben unserer Kinder zu nehmen versucht, werden wir uns verteidigen“, sagte Selenskyj auf Russisch. Es war das vorerst letzte Mal, dass man Selenskyj glatt rasiert und mit Anzug und Krawatte sah.  © Ukrainian Presidents Office/Imago
In der Nacht zum 24. Februar begann der russische Angriff auf die Ukraine. In Kiew kam es zu den ersten Krisensitzungen. Acht Jahre nach der Krim-Annexion eskalierte der Ukraine-Krieg.
In der Nacht zum 24. Februar 2022 begann der russische Angriff auf die Ukraine. In Kiew kam es zu den ersten Krisensitzungen. Acht Jahre nach der Krim-Annexion im März 2014 eskalierte der Ukraine-Krieg.  © Imago
London, United Kingdom
Im Westen war die Solidarität mit der überfallenen Ukraine groß. Der Regierungssitz im Vereinigten Königreich leuchtete in den ukrainischen Farben.  © Hesther Ng/Imago
In der Nacht zum 24. Februar begann der russische Angriff auf die Ukraine. Danach sollen die USA Selenskyj angeboten haben, ihm bei der Flucht zu helfen. Selenskyj lehnte an, er und seine Regierung blieben in Kiew, auch als russische Truppen auf die Hauptstadt vorrückten. Die Nachrichtenagentur AP verbreitete Selenskyjs Antwort: „Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit.“ Seitdem ist er zum Symbol des ukrainischen Widerstands geworden.
Die USA sollen Selenskyj angeboten haben, ihm bei der Flucht zu helfen. Selenskyj lehnte an, er und seine Regierung blieben in Kiew, auch als russische Truppen auf die Hauptstadt vorrückten. Die Nachrichtenagentur AP verbreitete Selenskyjs Antwort: „Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit.“ Seitdem ist er zum Symbol des ukrainischen Widerstands geworden. © Ukraine Presidency/afp

Im März hatte Deutschlands bekanntester Militärhistoriker Sönke Neitzel dem NDR gegenüber gewitzelt, ihm sei auf der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz beinahe schon Defätismus vorgeworfen worden auf seine Einlassung, er wäre froh wenn die Ukraine zumindest nicht verlieren würde – Neitzel betont immer wieder, dass die Angriffsfähigkeit der Ukraine erhöht werden müsse. Ihm zufolge verbreiten Optimismus vor allem diejenigen, die keine Ahnung davon hätten, „wie schwierig Angriffsoperationen zu führen sind“, wie er sagt. Die Atacms könnten ihren Teil zur Angriffsfähigkeit beitragen. Das sieht auch Spiegel-Autor Gernot Kramper so – er befürchte, die Ukrainer könnten dem russischen Druck nicht mehr lange standhalten.

„Gelingt es jetzt, den russischen Nachschub abzuschneiden und die Kommandostrukturen zu treffen, würde der russische Angriffsschwung erlahmen. Das würde keinen Sieg bedeuten, aber die Ukrainer hätten zumindest die Chance, ihre Front zu stabilisieren.“ (KaHin)

Rubriklistenbild: © Uncredited/AP/dpa