Experten urteilen klar

Migrations-Fehler von Merz: Experte fällt klares Urteil zur Bundestagswahl – „Schiefgegangen“

Alle Autoren
    schließen
  • Stephanie Eva Fritzsche
    Stephanie Eva Fritzsche
  • Florian Naumann
    Florian Naumann
  • Anne-Christine Merholz
    Anne-Christine Merholz

Die Union gewinnt die Bundestagswahl, die größte Partylaune gibt es aber bei AfD und Linke. Ein Experte sieht Friedrich Merz verantwortlich.

Berlin – Die AfD scheint sich fast zu verdoppeln, die Linke deutlich zuzulegen: Die Sieger bei der Bundestagswahl 2025 sind rechts und links der Mitte zu finden. Warum ist das so gekommen? Der renommierte Politologe Jürgen Falter sieht im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau eine Hauptverantwortung bei Friedrich Merz und der Union.

„Das Kalkül von Friedrich Merz ist nicht aufgegangen“, erklärte Falter. Mit seinem Migrations-Antrag und der gescheiterten Gesetzesvorlage habe der CDU-Chef nicht nur Teile der Union verschreckt. Zudem habe Merz „dazu beigetragen, dass die Linke wie Phoenix aus der Asche aus ihrem Umfragetief bis auf fast neun Prozent hochgestiegen ist.“ Merz habe gehofft, auf diesem Wege 35 Prozent für die Union zu erreichen. „Und das ist schiefgegangen.“

AfD legt bei Bundestagswahl „gewaltig“ zu: Bumerang für Merz?

Die AfD habe indes eine „gewaltige“ Stimmenzunahme zu verzeichnen, so Falter. Die Partei habe mittlerweile eine relativ gefestigte Wählerschaft – und sie treffe als „Protestpartei am rechten Rand mit rechtsextremen Auswüchsen“ einen Nerv vieler Wählerinnen und Wähler.

Partylaune – mit Abstrichen: Friedrich Merz (re.) und Markus Söder bei der Unions-Party nach der Bundestagswahl 2025.

Die außerordentlich hohe Wahlbeteiligung – die höchste seit 1990 bei einer Bundestagswahl – dürfte ebenfalls mit Merz‘ Migrationsabstimmungen im Bundestags zu tun gehabt haben, meint Falter. Der Urnengang sei zur Richtungswahl hochstilisiert worden, auch die ungekannte Menge an TV-Duellen, -Quadrellen und Talkshows habe zur Politisierung beigetragen. Merz habe aber ebenfalls seinen Anteil. „Er hat nämlich unwillentlich zu einer Mobilisierung der Gegner an einer irgendwie gearteten Zusammenarbeit mit der AfD beigetragen.“

Merz‘ Migrations-Abstimmungen verändern Bundestagswahl: Auch Grüne hadern

Falters Einschätzung kannte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) am Wahlabend nicht, stieß aber in dasselbe Horn. Dass die Grünen nicht über ihr Stammwählerpotenzial hinaus zulegen konnten, sei Merz‘ Abstimmung mit AfD-Stimmen geschuldet – und seiner Weigerung, eine Zusammenarbeit mit Merz‘ CDU/CSU auszuschließen, mutmaßte Habeck in der Wahlsendung der ARD.

„Danach haben viele Leute, die uns wahrscheinlich mit Sympathie zugeneigt sind, gesagt, jetzt aber Schluss“, sagte Habeck: „Mit dem Abstimmungsverhalten hat er die Extremen gestärkt.“ Eine Zusammenarbeit oder eine Koalition mit der Union auszuschließen, sei ihm aber nicht möglich gewesen: „Dafür bin ich nicht gebaut.“

Am Wahlabend fand eine Demonstration vor dem Konrad-Adenauer-Haus statt – auf dem Banner steht „CDU-Wahlsieger-Faschismus“.

Ein weiteres Indiz für die starke Polarisierung durch die viel diskutierten Migrationsabstimmungen: Sogar am Wahlabend war eine Demonstration vor dem Konrad-Adenauer-Haus zu sehen. Teilnehmende warfen der CDU „Faschismus“ vor.

Migration falsches Wahl-Thema für Merz? „Problem wird der CDU angelastet“

Falter sieht in jedem Fall rückblickend keinen Rückenwind für die Union durch die Betonung des Migrationsthemas. „Die von über zwei Dritteln der Bevölkerung als Problem angesehene Masseneinwanderung wird laut Umfragen der CDU angelastet – nicht umsonst, denn mit Angela Merkel setzte ja die unkontrollierte und unkoordinierte Massenimigration ein.

Zustimmung erhält Falter vom Parteienforscher Uwe Jun. „Es hat sich gezeigt, dass die starke Fokussierung auf Migrationspolitik der Union nicht geholfen hat“, sagt Jun unserer Redaktion. „Es ist zu vermuten, dass sie bessere Ergebnisse erzielt hätte, wenn sie auf ihr Kompetenzthema Wirtschaft gesetzt hätte.“ (fn/acm)

Rubriklistenbild: © Odd Andersen/AFP