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Überschreiten westliche Waffen auf Russland Putins Rote Linie? Experte sieht eine große Gefahr
VonMarcus Giebel
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Die USA und auch Deutschland wollen Kiew gestatten, im Ukraine-Krieg russisches Gebiet unter Beschuss zu nehmen. Ist das die Rote Linie des Kreml?
New York – Olaf Scholz, Joe Biden oder Emmanuel Macron zerbrechen sich den Kopf darüber. Aber niemand weiß, wann sie erreicht ist. Die Rote Linie von Wladimir Putin. Ab welchem Moment der Kreml-Chef in seinem Ukraine-Krieg nur noch auf Eskalation setzen und womöglich Nuklearwaffen zünden würde. Oder wann er offen die Konfrontation mit den Unterstützern Kiews suchen würde, weil er diese als aktive Kriegsparteien ansieht.
Seit Beginn der Invasion vor mehr als zwei Jahren scheint bei jeder Entscheidung in Berlin, Washington oder Paris im Hinterkopf mitzuspielen, wie Putins Reaktion aussehen könnte. Auch deshalb zog es sich wohl lange hin, ehe in enger Abstimmung untereinander Kampfpanzer geliefert wurden. Auf Kampfjets wartet die Ukraine noch, hier verschaffen mutmaßlich Norwegen, Dänemark, die Niederlande und Belgien Abhilfe. Auf den deutschen Taurus-Marschflugkörpern hat der Bundeskanzler weiter eisern seine Hand drauf.
Putin und der Ukraine-Krieg: Die Frage nach der Roten Linie bleibt unbeantwortet
Bislang hatten diese Waffen- oder Munitionslieferungen zumindest keine erkennbaren Folgen aus Russland für die Unterstützer der Ukraine. Putin wendet sich zwar ebenso wie Ex-Präsident Dmitri Medwedew oder jüngst auch Außenminister Sergej Lawrow regelmäßig an den von ihm zum Feindbild aufgebauten Westen. Dann wird mit einem Atomwaffeneinsatz kokettiert. Oder direkt ein Angriff auf eine der Hauptstädte angedroht.
Ziel der täglichen Attacken bleibt aber einzig die Ukraine. Wobei nicht auszuschließen ist, dass Putin deren Zivilbevölkerung umso mehr leiden lässt, je intensiver der Westen Kiew unterstützt. Vor den Bomben und Raketen scheint jedenfalls im überfallenen Land niemand sicher zu sein. Wohnhäuser, Bahnhöfe oder jüngst auch ein Baumarkt geraten ins Visier.
Scholz über westliche Waffen auf Russland: „Sicher, dass es nicht zu einer Eskalation beiträgt“
Die US-Regierung von Präsident Biden hat sich nun wohl auch als Folge der zunehmenden Blutbäder nahe der Grenze zu Russland dazu entschlossen, der Ukraine zu gestatten, Putins Staatsgebiet mithilfe der gelieferten Waffen unter Beschuss zu nehmen. Dabei geht es um die Militärstellungen, mit denen die Kreml-Truppen den Nachbarn unter Beschuss nehmen.
Die Ampel-Regierung geht da mit. Wobei Kanzler Scholz in diesem Zuge im Interview mit Antenne Bayern betonte: „In der Sache sind wir sicher, dass es nicht zu einer Eskalation beiträgt, weil – wie der amerikanische Präsident ja auch geschildert hat – es nur darum geht, dass zum Beispiel eine Großstadt wie Charkiw verteidigt werden kann.“ Es sollte jedem einleuchten, „dass das möglich sein muss“. Putin dürfte er da kaum mit einbezogen haben.
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Rote Linien von Putin: Laut Russland-Experte fürchtet auch Moskau eine Eskalation mit dem Westen
Nicolo Fasola befasst sich an der Universität von Bologna mit Russland. Er meint im Gespräch mit dem US-Portal Newsweek, es werde für den Aggressor „einen Punkt geben, an dem echte Rote Linien überschritten werden und dann werden natürlich entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen“.
Als Beispiele nennt er eine Reihe von Angriffen auf verschiedene Ziele, Angriffe auf ukrainische Vermögenswerte auf polnischem Gebiet und Demonstrationseinsätze taktischer Atomwaffen. Fasola ist aber überzeugt, dass Russland eine Eskalation genauso fürchtet wie der Westen.
Ex-Militär über westliche Waffen auf Russland: „Wie reagiert Putin, wenn eine Schule getroffen wird?“
Ex-Militär Matthew Hoh gibt in dem Artikel jedoch zu bedenken: „Die große Gefahr besteht darin, dass eine der westlichen Waffen ein ziviles Ziel treffen könnte, etwa eine Schule voller russischer Kinder. Wie würde Russland dann reagieren?“
Zwar kann sich der stellvertretende Direktor des Eisenhower Media Network (ESM), dem auch ehemalige Geheimdienstler und Sicherheitsexperten angehören, nicht vorstellen, dass Moskau westliche Militärziele außerhalb der Ukraine bombardiert. Er betont aber auch: „Für den äußerst kleinen Nutzen, den diese Waffen bieten, sind die möglichen Risiken einfach zu groß.“
Zev Faintuch, leitender Geheimdienstanalyst bei der Sicherheitsfirma Global Guardian, fügt mit Blick auf die ukrainischen Angriffe auf die russischen Stellungen auf der Krim hinzu: „Da Putin die Krim als russisches Territorium betrachtet, ist seine Rote Linie bereits überschritten.“
Wie reagiert Putin auf westliche Waffen? „Wird seine Roten Linien nicht durchsetzen“
In einem Artikel für die Denkfabrik Atlantic Council schreibt auch Peter Dickinson: „Putin hat darauf gehofft, seine Gegner einzuschüchtern und zu signalisieren, dass der Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium eine wichtige Rote Linie für den Kreml darstellt. Aber nach Russlands eigener Logik wurde diese besondere Rote Linie bereits hunderte Male überschritten.“
Damit spielt der Chefredakteur des Business Ukraine Magazine auf die von Putin völkerrechtswidrig annektierten Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja an. Diese werden von den ukrainischen Truppen in ihrem Befreiungskampf seit Monaten unter Beschuss genommen.
Eigentlich müsste Putin diese Gebiete ebenso schützen wie sein wirkliches Reich, findet Dickinson: „In der Praxis ist jedoch schon lange klar, dass Moskau nicht die Absicht hat, seinen nuklearen Schirm auf diese Regionen auszuweiten oder auch nur den Versuch zu unternehmen, seine Roten Linien beim Einsatz westlicher Waffen durchzusetzen.“ (mg)