Krieg in Nahost
Nach Hamas-Angriff: Diese Optionen hat Israel
VonLukas Rogallaschließen
Eine Bodenoffensive im Gazastreifen – oder doch Verhandlungen? So könnte Israel nach dem Terror-Angriff der Hamas reagieren.
Gaza – Nach dem überraschenden Angriff der radikal-islamistischen Terrorgruppe Hamas auf Israel, bei dem sie laut Medienberichten mindestens 900 Menschen – Soldaten sowie Zivilpersonen – tötete und mehr als 100 Geiseln in den Gazastreifen verschleppte, reagiert die israelische Armee mit einem Gegenangriff. Es sei der „schwärzeste Tag in der jüdischen Geschichte seit dem Ende des Holocausts“ gewesen, wie Eylon Levy, ehemaliger Sprecher von Präsident Isaak Herzog, auf X den Krieg in Israel beschrieb.
Das Militär soll die Kontrolle über den Grenzzaun zum Gazastreifen nun wiedererlangt haben. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat weitere schwere Angriffe auf den Gazastreifen angekündigt. Israel werde sich für die Hamas-Angriffe „rächen“. Er werde dafür sorgen, dass sich so etwas „nicht wiederholt“. Was plant Israel jetzt?
Israel könnte mit der Hamas verhandeln
Der israelische Journalist Amos Harel von der Zeitung Haaretz glaubt, dass die israelische Regierung vor einer schwierigen Entscheidung steht. Für Israel gebe es vier Optionen:
- Verhandlungen mit der Hamas
- Fortdauernde Luftangriffe auf den Gazastreifen
- Eine Verschärfung der Blockade des Palästinensergebiets
- Eine Bodenoffensive
Verhandelt die israelische Regierung mit der Hamas, würde die islamistische Terror-Gruppe einen „astronomischen Preis“ für die Freilassung israelischer und weiterer Geiseln fordern, meint Harel – etwa palästinensische Gefangene, die für den Mord an Israelis verurteilt wurden. Für die Hamas wäre es ein moralischer Ansporn.
Der stellvertretende Hamas-Chef Saleh al-Arouri deutete die Absicht der Hamas an, die Geiseln für Verhandlungen nutzen zu wollen. Palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen würden „kurz vor der Freilassung“ stehen, behauptete er in dem Zusammenhang. Aktuell sind rund 4.500 Palästinenser laut der Menschenrechtsorganisation Betselem in israelischen Gefängnissen, darunter 183 aus dem Gazastreifen. Medienberichten zufolge sollen im Hintergrund bereits Verhandlungen laufen. Israel bestätigte dies nicht.
Israel führt weiter Luftangriffe auf den Gazastreifen durch
Greift das israelische Militär weiter Ziele im Gazastreifen an, könnten Tausende weitere Zivilpersonen sterben oder verletzt werden – darunter viele Kinder. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung im Gazastreifen liegt bei nicht einmal 18 Jahren. Bereits jetzt meldet das Gesundheitsministerium in Gaza mindestens 687 Tote und 3.800 Verletzte nach israelischen Gegenschlägen (Stand: 9. Oktober). Massive Luftangriffe hatten bereits am Sonntagnachmittag (8. Oktober) begonnen. Seit Beginn dieser Angriffe seien mehr als 187.500 Menschen vertrieben worden, teilte das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) am Dienstag mit.
Israel verschärft die „totale Blockade“ des Gazastreifens
Nach dem Terrorangriff der Hamas hat Israel eine „totale Blockade“ gegen den Gazastreifen verhängt. Das bedeutet: Es werde keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben, kündigte Israels Verteidigungsminister Joav Galant an. „Wir kämpfen gegen Barbaren und reagieren entsprechend“, begründete er die Entscheidung. Auf dem Gebiet mit einer Länge von 40 und Breite von sechs bis zwölf Kilometern leben rund 2,3 Millionen Menschen – pro Quadratkilometer im Schnitt 5.500 Menschen.
Harel befürchtet eine humanitäre Katastrophe, sollte Israel die Blockade konsequent durchsetzen und die Infrastruktur im Gazastreifen beschädigen. Ein Sprecher des UN-Hilfswerks für Palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) in Gaza sagte der Deutschen Presse-Agentur am Montag: „Gaza ist überfüllt. Die Lage der Menschen ist sehr schwer.“ Mehr als 137.000 Menschen haben bislang Schutz in Notunterkünften der UN gesucht. Laut einem UNRWA-Lagebericht vom Sonntag wurden bisher insgesamt 14 Einrichtungen der Vereinten Nationen in Gaza von israelischen Geschossen getroffen. Dabei sei es zu Sachschäden gekommen.
Israel könnte Bodenoffensive im Gazastreifen durchführen
Israel hat nach dem Hamas-Angriff nach eigenen Angaben bereits 300.000 Reservisten mobilisiert. Die Zeichen für eine militärisch und diplomatisch riskanten Bodenoffensive im Gazastreifen mehren sich offenbar – ein Sprecher des israelischen Militärs nannte eine mögliche Bodenoffensive jedoch „reine Spekulation“.
Die israelische Regierung rief die Menschen im Gazastreifen auf, zu fliehen, solange sie können. Ägypten hat seinen einzigen Grenzübergang aber bereits geschlossen. Und wer sich dem israelischen Grenzzaun nähert, werde erschossen, drohte die Regierung Israels. Also gibt es keine Möglichkeit für die Menschen im Gazastreifen, diesen zu verlassen.
Die Grenzorte am Rande des Palästinensergebiets hat das Militär fast vollständig evakuiert. Harel warnt, dass eine Bodenoffensive im extrem dicht besiedelten Gazastreifen nicht nur hohe Verluste auf beiden Seiten mit sich bringen, sondern auch Sicht Israels auch scheitern könnte. Die Hamas drohte mit der Tötung von Geiseln, sollte Israel ohne Vorwarnung die Häuser von Zivilpersonen bombardieren. Ob die Armee sie befreien kann, ist fraglich. (lrg/dpa/afp)
Rubriklistenbild: © Jack Guez/AFP

